Jahren oft vorgekommen. Ich glaube, daß sie die größten Übel gestiftet hat. Manche Leben sind durch sie verloren gegangen, sehr viele andere, wenn sie auch nicht verloren waren, sind durch sie unglücklich oder unfruchtbar geworden, Werke, die sonst entstanden wären, hat sie vereitelt, und die Kunst und was mit derselben zusammenhängt, wäre mit ihr gar nicht möglich. Nur ganz gute Menschen in einem Fache haben sie gar nicht, und aus denen werden die Künst¬ ler Dichter Gelehrten Staatsmänner und die großen Feldherren. Aber ich komme von meiner Sache ab. In unserer Schreinerei machte sie blos, daß wir zu nichts Wesentlichem gelangten. Endlich fand ich einen Mann, der nicht gleich aus der Arbeit ging, wenn ich ihn be¬ kämpfte; aber innerlich mochte er recht oft erzürnt ge¬ wesen sein, und über Eigensinn geklagt haben. Nach Bemühungen von beiden Seiten gelang es. Die Werke gewannen Einfluß, in denen das Genaue und Zweckmäßige angestrebt war, und sie wurden zur Richtschnur genommen. Die Einsicht in die Schön¬ heit der Gestalten wuchs, und das Leichte und Feine wurde dem Schweren und Groben vorgezogen. Er las Gehilfen aus, und erzog sie in seinem Sinne. Die Begabten fügten sich bald. Es wurde die Chemie
10 *
Jahren oft vorgekommen. Ich glaube, daß ſie die größten Übel geſtiftet hat. Manche Leben ſind durch ſie verloren gegangen, ſehr viele andere, wenn ſie auch nicht verloren waren, ſind durch ſie unglücklich oder unfruchtbar geworden, Werke, die ſonſt entſtanden wären, hat ſie vereitelt, und die Kunſt und was mit derſelben zuſammenhängt, wäre mit ihr gar nicht möglich. Nur ganz gute Menſchen in einem Fache haben ſie gar nicht, und aus denen werden die Künſt¬ ler Dichter Gelehrten Staatsmänner und die großen Feldherren. Aber ich komme von meiner Sache ab. In unſerer Schreinerei machte ſie blos, daß wir zu nichts Weſentlichem gelangten. Endlich fand ich einen Mann, der nicht gleich aus der Arbeit ging, wenn ich ihn be¬ kämpfte; aber innerlich mochte er recht oft erzürnt ge¬ weſen ſein, und über Eigenſinn geklagt haben. Nach Bemühungen von beiden Seiten gelang es. Die Werke gewannen Einfluß, in denen das Genaue und Zweckmäßige angeſtrebt war, und ſie wurden zur Richtſchnur genommen. Die Einſicht in die Schön¬ heit der Geſtalten wuchs, und das Leichte und Feine wurde dem Schweren und Groben vorgezogen. Er las Gehilfen aus, und erzog ſie in ſeinem Sinne. Die Begabten fügten ſich bald. Es wurde die Chemie
10 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0161"n="147"/>
Jahren oft vorgekommen. Ich glaube, daß ſie die<lb/>
größten Übel geſtiftet hat. Manche Leben ſind durch<lb/>ſie verloren gegangen, ſehr viele andere, wenn ſie auch<lb/>
nicht verloren waren, ſind durch ſie unglücklich oder<lb/>
unfruchtbar geworden, Werke, die ſonſt entſtanden<lb/>
wären, hat ſie vereitelt, und die Kunſt und was mit<lb/>
derſelben zuſammenhängt, wäre mit ihr gar nicht<lb/>
möglich. Nur ganz gute Menſchen in einem Fache<lb/>
haben ſie gar nicht, und aus denen werden die Künſt¬<lb/>
ler Dichter Gelehrten Staatsmänner und die großen<lb/>
Feldherren. Aber ich komme von meiner Sache ab. In<lb/>
unſerer Schreinerei machte ſie blos, daß wir zu nichts<lb/>
Weſentlichem gelangten. Endlich fand ich einen Mann,<lb/>
der nicht gleich aus der Arbeit ging, wenn ich ihn be¬<lb/>
kämpfte; aber innerlich mochte er recht oft erzürnt ge¬<lb/>
weſen ſein, und über Eigenſinn geklagt haben. Nach<lb/>
Bemühungen von beiden Seiten gelang es. Die<lb/>
Werke gewannen Einfluß, in denen das Genaue und<lb/>
Zweckmäßige angeſtrebt war, und ſie wurden zur<lb/>
Richtſchnur genommen. Die Einſicht in die Schön¬<lb/>
heit der Geſtalten wuchs, und das Leichte und Feine<lb/>
wurde dem Schweren und Groben vorgezogen. Er<lb/>
las Gehilfen aus, und erzog ſie in ſeinem Sinne.<lb/>
Die Begabten fügten ſich bald. Es wurde die Chemie<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0161]
Jahren oft vorgekommen. Ich glaube, daß ſie die
größten Übel geſtiftet hat. Manche Leben ſind durch
ſie verloren gegangen, ſehr viele andere, wenn ſie auch
nicht verloren waren, ſind durch ſie unglücklich oder
unfruchtbar geworden, Werke, die ſonſt entſtanden
wären, hat ſie vereitelt, und die Kunſt und was mit
derſelben zuſammenhängt, wäre mit ihr gar nicht
möglich. Nur ganz gute Menſchen in einem Fache
haben ſie gar nicht, und aus denen werden die Künſt¬
ler Dichter Gelehrten Staatsmänner und die großen
Feldherren. Aber ich komme von meiner Sache ab. In
unſerer Schreinerei machte ſie blos, daß wir zu nichts
Weſentlichem gelangten. Endlich fand ich einen Mann,
der nicht gleich aus der Arbeit ging, wenn ich ihn be¬
kämpfte; aber innerlich mochte er recht oft erzürnt ge¬
weſen ſein, und über Eigenſinn geklagt haben. Nach
Bemühungen von beiden Seiten gelang es. Die
Werke gewannen Einfluß, in denen das Genaue und
Zweckmäßige angeſtrebt war, und ſie wurden zur
Richtſchnur genommen. Die Einſicht in die Schön¬
heit der Geſtalten wuchs, und das Leichte und Feine
wurde dem Schweren und Groben vorgezogen. Er
las Gehilfen aus, und erzog ſie in ſeinem Sinne.
Die Begabten fügten ſich bald. Es wurde die Chemie
10 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/161>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.