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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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nicht häufig in solchen Zimmern findet, war eine
alterthümliche Pendeluhr in vollem Gange. Mein
Ränzlein und mein Stock lagen, wie der Mann gesagt
hatte, schon in diesem Zimmer.

Ich sezte mich nieder, nahm nach einer Weile mein
Ränzlein, öffnete es, und blätterte in den Papieren,
die ich daraus hervor genommen hatte, und schrieb
gelegentlich in denselben.

Da endlich die Dämmerung gekommen war, stand
ich auf, ging gegen eines der beiden offenstehenden
Fenster, lehnte mich hinaus, und sah herum. Es war
wieder Getreide, das ich vor mir auf dem sachte hinab¬
gehenden Hügel erblickte. Am Morgen dieses Tages,
da ich von meiner Nachtherberge aufgebrochen war,
hatte ich auch Getreide rings um mich gesehen; aber
dasselbe war in einem lustigen Wogen begriffen ge¬
wesen; während dieses reglos und unbewegt war
wie ein Heer von lockeren Lanzen. Vor dem Hause
war der Sandplaz, den ich bei meiner Ankunft schon
gesehen und betreten hatte. Meine Fenster gingen
also auf der Seite der Rosenwand heraus. Von dem
Garten tönte noch schwaches Vogelgezwitscher herüber,
und der Duft von den tausenden der Rosen stieg wie
eine Opfergabe zu mir empor.

nicht häufig in ſolchen Zimmern findet, war eine
alterthümliche Pendeluhr in vollem Gange. Mein
Ränzlein und mein Stock lagen, wie der Mann geſagt
hatte, ſchon in dieſem Zimmer.

Ich ſezte mich nieder, nahm nach einer Weile mein
Ränzlein, öffnete es, und blätterte in den Papieren,
die ich daraus hervor genommen hatte, und ſchrieb
gelegentlich in denſelben.

Da endlich die Dämmerung gekommen war, ſtand
ich auf, ging gegen eines der beiden offenſtehenden
Fenſter, lehnte mich hinaus, und ſah herum. Es war
wieder Getreide, das ich vor mir auf dem ſachte hinab¬
gehenden Hügel erblickte. Am Morgen dieſes Tages,
da ich von meiner Nachtherberge aufgebrochen war,
hatte ich auch Getreide rings um mich geſehen; aber
daſſelbe war in einem luſtigen Wogen begriffen ge¬
weſen; während dieſes reglos und unbewegt war
wie ein Heer von lockeren Lanzen. Vor dem Hauſe
war der Sandplaz, den ich bei meiner Ankunft ſchon
geſehen und betreten hatte. Meine Fenſter gingen
alſo auf der Seite der Roſenwand heraus. Von dem
Garten tönte noch ſchwaches Vogelgezwitſcher herüber,
und der Duft von den tauſenden der Roſen ſtieg wie
eine Opfergabe zu mir empor.

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[112/0126] nicht häufig in ſolchen Zimmern findet, war eine alterthümliche Pendeluhr in vollem Gange. Mein Ränzlein und mein Stock lagen, wie der Mann geſagt hatte, ſchon in dieſem Zimmer. Ich ſezte mich nieder, nahm nach einer Weile mein Ränzlein, öffnete es, und blätterte in den Papieren, die ich daraus hervor genommen hatte, und ſchrieb gelegentlich in denſelben. Da endlich die Dämmerung gekommen war, ſtand ich auf, ging gegen eines der beiden offenſtehenden Fenſter, lehnte mich hinaus, und ſah herum. Es war wieder Getreide, das ich vor mir auf dem ſachte hinab¬ gehenden Hügel erblickte. Am Morgen dieſes Tages, da ich von meiner Nachtherberge aufgebrochen war, hatte ich auch Getreide rings um mich geſehen; aber daſſelbe war in einem luſtigen Wogen begriffen ge¬ weſen; während dieſes reglos und unbewegt war wie ein Heer von lockeren Lanzen. Vor dem Hauſe war der Sandplaz, den ich bei meiner Ankunft ſchon geſehen und betreten hatte. Meine Fenſter gingen alſo auf der Seite der Roſenwand heraus. Von dem Garten tönte noch ſchwaches Vogelgezwitſcher herüber, und der Duft von den tauſenden der Roſen ſtieg wie eine Opfergabe zu mir empor.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/126>, abgerufen am 25.11.2024.