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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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aus den Blättern derselben schloß ich auf sehr edle
Gattungen.

Wir gingen hier an großen Linden vorüber, und
in ihrer Nähe erblickte ich ein Bienenhaus.

Von dem Gewächshause sah ich auf dem Rück¬
wege wohl die Längenseite, konnte aber nichts Näheres
erkennen, weil mein Begleiter den Weg zu ihm nicht
einschlug. Ich wollte ihn auch nicht eigens darum
ersuchen: ich vermuthete, daß er mich zu seiner Fa¬
milie führen würde.

Da wir an dem Hause angekommen waren, geleitete
er mich bei dem gemeinschaftlichen Eingange desselben
hinein, führte mich über eine gewöhnliche Sandstein¬
treppe in das erste Stockwerk, und ging dort mit mir
einen Gang entlang, in dem viele Thüren waren.
Eine derselben öffnete er mit einem Schlüssel, den er
schon in seiner Tasche in Bereitschaft hatte, und sagte:
"Das ist euer Zimmer, solange ihr in diesem Hause
bleibt. Ihr könnt jezt in dasselbe eintreten, oder es
verlassen, wie es euch gefällt. Nur müsset ihr um
acht Uhr wieder da sein, zu welcher Stunde ihr zum
Abendessen werdet geholt werden. Ich muß euch nun
allein lassen. In dem Wartezimmer habt ihr heute in
Humboldt's Reisen gelesen, ich habe das Buch in die¬

aus den Blättern derſelben ſchloß ich auf ſehr edle
Gattungen.

Wir gingen hier an großen Linden vorüber, und
in ihrer Nähe erblickte ich ein Bienenhaus.

Von dem Gewächshauſe ſah ich auf dem Rück¬
wege wohl die Längenſeite, konnte aber nichts Näheres
erkennen, weil mein Begleiter den Weg zu ihm nicht
einſchlug. Ich wollte ihn auch nicht eigens darum
erſuchen: ich vermuthete, daß er mich zu ſeiner Fa¬
milie führen würde.

Da wir an dem Hauſe angekommen waren, geleitete
er mich bei dem gemeinſchaftlichen Eingange desſelben
hinein, führte mich über eine gewöhnliche Sandſtein¬
treppe in das erſte Stockwerk, und ging dort mit mir
einen Gang entlang, in dem viele Thüren waren.
Eine derſelben öffnete er mit einem Schlüſſel, den er
ſchon in ſeiner Taſche in Bereitſchaft hatte, und ſagte:
„Das iſt euer Zimmer, ſolange ihr in dieſem Hauſe
bleibt. Ihr könnt jezt in dasſelbe eintreten, oder es
verlaſſen, wie es euch gefällt. Nur müſſet ihr um
acht Uhr wieder da ſein, zu welcher Stunde ihr zum
Abendeſſen werdet geholt werden. Ich muß euch nun
allein laſſen. In dem Wartezimmer habt ihr heute in
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[110/0124] aus den Blättern derſelben ſchloß ich auf ſehr edle Gattungen. Wir gingen hier an großen Linden vorüber, und in ihrer Nähe erblickte ich ein Bienenhaus. Von dem Gewächshauſe ſah ich auf dem Rück¬ wege wohl die Längenſeite, konnte aber nichts Näheres erkennen, weil mein Begleiter den Weg zu ihm nicht einſchlug. Ich wollte ihn auch nicht eigens darum erſuchen: ich vermuthete, daß er mich zu ſeiner Fa¬ milie führen würde. Da wir an dem Hauſe angekommen waren, geleitete er mich bei dem gemeinſchaftlichen Eingange desſelben hinein, führte mich über eine gewöhnliche Sandſtein¬ treppe in das erſte Stockwerk, und ging dort mit mir einen Gang entlang, in dem viele Thüren waren. Eine derſelben öffnete er mit einem Schlüſſel, den er ſchon in ſeiner Taſche in Bereitſchaft hatte, und ſagte: „Das iſt euer Zimmer, ſolange ihr in dieſem Hauſe bleibt. Ihr könnt jezt in dasſelbe eintreten, oder es verlaſſen, wie es euch gefällt. Nur müſſet ihr um acht Uhr wieder da ſein, zu welcher Stunde ihr zum Abendeſſen werdet geholt werden. Ich muß euch nun allein laſſen. In dem Wartezimmer habt ihr heute in Humboldt's Reiſen geleſen, ich habe das Buch in die¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/124>, abgerufen am 25.11.2024.