Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Dinge hatte gehen lassen, wendete ich mich wieder ab, schloß die Fenster, entkleidete mich, ging zu dem nächst besten Bette und legte mich nieder. Als ich das weiche Pelzwerk der Bunda über meine ermüdeten Glieder zog und als ich schon fast die Augen zuthat, dachte ich noch: So bin ich nun begierig, was ich in dieser Wohnung Freundliches oder Häßliches erleben werde. Dann entschlummerte ich, und Alles war todt, was schon in meinem Leben gewesen ist, und was ich sehnlichst wünschte, daß noch in dasselbe eintreten möchte. 2. Steppenhaus. Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht, aber daß es nicht fest und gut war das wußte ich. Es mußte die allzu große Müdigkeit daran Schuld sein. Die ganze Nacht ging ich auf dem Vesuve herum und sah den Major bald in einem Pilgeranzuge in Pompeji sitzen, bald im Fracke zwischen den Schlacken stehen und Steine suchen. In meinen Morgentraum tönte Pferdegewieher und Hundegebell, dann schlief ich einige Zeit fest, und als ich erwachte, war heller Tag in dem Zimmer, und ich sah hinaus in den Saal, in dem die Waffen und Kleider von der Sonne beschienen hingen. Dinge hatte gehen lassen, wendete ich mich wieder ab, schloß die Fenster, entkleidete mich, ging zu dem nächst besten Bette und legte mich nieder. Als ich das weiche Pelzwerk der Bunda über meine ermüdeten Glieder zog und als ich schon fast die Augen zuthat, dachte ich noch: So bin ich nun begierig, was ich in dieser Wohnung Freundliches oder Häßliches erleben werde. Dann entschlummerte ich, und Alles war todt, was schon in meinem Leben gewesen ist, und was ich sehnlichst wünschte, daß noch in dasselbe eintreten möchte. 2. Steppenhaus. Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht, aber daß es nicht fest und gut war das wußte ich. Es mußte die allzu große Müdigkeit daran Schuld sein. Die ganze Nacht ging ich auf dem Vesuve herum und sah den Major bald in einem Pilgeranzuge in Pompeji sitzen, bald im Fracke zwischen den Schlacken stehen und Steine suchen. In meinen Morgentraum tönte Pferdegewieher und Hundegebell, dann schlief ich einige Zeit fest, und als ich erwachte, war heller Tag in dem Zimmer, und ich sah hinaus in den Saal, in dem die Waffen und Kleider von der Sonne beschienen hingen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0029"/> Dinge hatte gehen lassen, wendete ich mich wieder ab, schloß die Fenster, entkleidete mich, ging zu dem nächst besten Bette und legte mich nieder.</p><lb/> <p>Als ich das weiche Pelzwerk der Bunda über meine ermüdeten Glieder zog und als ich schon fast die Augen zuthat, dachte ich noch: So bin ich nun begierig, was ich in dieser Wohnung Freundliches oder Häßliches erleben werde.</p><lb/> <p>Dann entschlummerte ich, und Alles war todt, was schon in meinem Leben gewesen ist, und was ich sehnlichst wünschte, daß noch in dasselbe eintreten möchte.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head> 2. Steppenhaus.</head> <p>Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht, aber daß es nicht fest und gut war das wußte ich. Es mußte die allzu große Müdigkeit daran Schuld sein. Die ganze Nacht ging ich auf dem Vesuve herum und sah den Major bald in einem Pilgeranzuge in Pompeji sitzen, bald im Fracke zwischen den Schlacken stehen und Steine suchen. In meinen Morgentraum tönte Pferdegewieher und Hundegebell, dann schlief ich einige Zeit fest, und als ich erwachte, war heller Tag in dem Zimmer, und ich sah hinaus in den Saal, in dem die Waffen und Kleider von der Sonne beschienen hingen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Dinge hatte gehen lassen, wendete ich mich wieder ab, schloß die Fenster, entkleidete mich, ging zu dem nächst besten Bette und legte mich nieder.
Als ich das weiche Pelzwerk der Bunda über meine ermüdeten Glieder zog und als ich schon fast die Augen zuthat, dachte ich noch: So bin ich nun begierig, was ich in dieser Wohnung Freundliches oder Häßliches erleben werde.
Dann entschlummerte ich, und Alles war todt, was schon in meinem Leben gewesen ist, und was ich sehnlichst wünschte, daß noch in dasselbe eintreten möchte.
2. Steppenhaus. Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht, aber daß es nicht fest und gut war das wußte ich. Es mußte die allzu große Müdigkeit daran Schuld sein. Die ganze Nacht ging ich auf dem Vesuve herum und sah den Major bald in einem Pilgeranzuge in Pompeji sitzen, bald im Fracke zwischen den Schlacken stehen und Steine suchen. In meinen Morgentraum tönte Pferdegewieher und Hundegebell, dann schlief ich einige Zeit fest, und als ich erwachte, war heller Tag in dem Zimmer, und ich sah hinaus in den Saal, in dem die Waffen und Kleider von der Sonne beschienen hingen.
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Zitationshilfe: | Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_brigitta_1910/29>, abgerufen am 16.02.2025. |