einen Lateinisch redenden Frantzosen, Jtaliä- ner oder Engelländer, verstehen könne; sonderlich aber haben die hier letzt gemeld- ten eine so sehr auf das Griechische einge- richtete Pronunciation, daß man fast aus dem Context und der Connexion, was sie reden und meinen, nur errathen, als deutlich die Worte verstehen kan: so daß die Collo- quia und respective Conferentien ge- meldter Nationen im Latein, sehr obscur und unverständlich bleiben: und bloß und allein wegen so differenter Art zu pro- nunciren, diese Sprache als communis interpres nicht mehr wohl emploiret wer- den kan. Da nun der vorherige Interpres communis oder das Latein, nachgehends wie erst gemeldet, nicht nur so verächtlich, sondern auch so unverständlich gemacht worden; so hat es nicht fehlen können, daß eine andere Sprache an dessen Selle rü- cken, und quasi universalis werden müssen. Weil man aber in keiner Sprache mehr Gunst und Lieblichkeit gefunden, als in der Frantzösischen; so ist es
3. Der Frantzösischen gelungen, daß selbige nunmehro weiter geredet und gebrauchet wird, als der Frantzösische König nicht herr- schet: daran aber nicht dieser Souve-
rain
Z 2
Hoff-Ceremoniel.
einen Lateiniſch redenden Frantzoſen, Jtaliaͤ- ner oder Engellaͤnder, verſtehen koͤnne; ſonderlich aber haben die hier letzt gemeld- ten eine ſo ſehr auf das Griechiſche einge- richtete Pronunciation, daß man faſt aus dem Context und der Connexion, was ſie reden und meinen, nur errathen, als deutlich die Worte verſtehen kan: ſo daß die Collo- quia und reſpective Conferentien ge- meldter Nationen im Latein, ſehr obſcur und unverſtaͤndlich bleiben: und bloß und allein wegen ſo differenter Art zu pro- nunciren, dieſe Sprache als communis interpres nicht mehr wohl emploiret wer- den kan. Da nun der vorherige Interpres communis oder das Latein, nachgehends wie erſt gemeldet, nicht nur ſo veraͤchtlich, ſondern auch ſo unverſtaͤndlich gemacht worden; ſo hat es nicht fehlen koͤnnen, daß eine andere Sprache an deſſen Selle ruͤ- cken, und quaſi univerſalis werden muͤſſen. Weil man aber in keiner Sprache mehr Gunſt und Lieblichkeit gefunden, als in der Frantzoͤſiſchen; ſo iſt es
3. Der Frantzoͤſiſchen gelungen, daß ſelbige nunmehro weiter geredet und gebrauchet wird, als der Frantzoͤſiſche Koͤnig nicht herr- ſchet: daran aber nicht dieſer Souve-
rain
Z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><list><item><pbfacs="#f0383"n="355"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Hoff-</hi><hirendition="#aq">Ceremoniel.</hi></fw><lb/>
einen Lateiniſch redenden Frantzoſen, Jtaliaͤ-<lb/>
ner oder Engellaͤnder, verſtehen koͤnne;<lb/>ſonderlich aber haben die hier letzt gemeld-<lb/>
ten eine ſo ſehr auf das Griechiſche einge-<lb/>
richtete <hirendition="#aq">Pronunciati</hi>on, daß man faſt aus<lb/>
dem <hirendition="#aq">Context</hi> und der <hirendition="#aq">Connexi</hi>on, was ſie<lb/>
reden und meinen, nur errathen, als deutlich<lb/>
die Worte verſtehen kan: ſo daß die <hirendition="#aq">Collo-<lb/>
quia</hi> und <hirendition="#aq">reſpective Conferenti</hi>en ge-<lb/>
meldter Nationen im Latein, ſehr <hirendition="#aq">obſcur</hi><lb/>
und unverſtaͤndlich bleiben: und bloß und<lb/>
allein wegen ſo <hirendition="#aq">different</hi>er Art zu <hirendition="#aq">pro-<lb/>
nunci</hi>ren, dieſe Sprache als <hirendition="#aq">communis<lb/>
interpres</hi> nicht mehr wohl <hirendition="#aq">emploi</hi>ret wer-<lb/>
den kan. Da nun der vorherige <hirendition="#aq">Interpres<lb/>
communis</hi> oder das Latein, nachgehends<lb/>
wie erſt gemeldet, nicht nur ſo veraͤchtlich,<lb/>ſondern auch ſo unverſtaͤndlich gemacht<lb/>
worden; ſo hat es nicht fehlen koͤnnen, daß<lb/>
eine andere Sprache an deſſen Selle ruͤ-<lb/>
cken, und <hirendition="#aq">quaſi univerſalis</hi> werden muͤſſen.<lb/>
Weil man aber in keiner Sprache mehr<lb/>
Gunſt und Lieblichkeit gefunden, als in der<lb/>
Frantzoͤſiſchen; ſo iſt es</item><lb/><item>3. Der Frantzoͤſiſchen gelungen, daß ſelbige<lb/>
nunmehro weiter geredet und gebrauchet<lb/>
wird, als der Frantzoͤſiſche Koͤnig nicht herr-<lb/>ſchet: daran aber nicht dieſer <hirendition="#aq">Souve-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">rain</hi></fw><lb/></item></list></div></div></div></body></text></TEI>
[355/0383]
Hoff-Ceremoniel.
einen Lateiniſch redenden Frantzoſen, Jtaliaͤ-
ner oder Engellaͤnder, verſtehen koͤnne;
ſonderlich aber haben die hier letzt gemeld-
ten eine ſo ſehr auf das Griechiſche einge-
richtete Pronunciation, daß man faſt aus
dem Context und der Connexion, was ſie
reden und meinen, nur errathen, als deutlich
die Worte verſtehen kan: ſo daß die Collo-
quia und reſpective Conferentien ge-
meldter Nationen im Latein, ſehr obſcur
und unverſtaͤndlich bleiben: und bloß und
allein wegen ſo differenter Art zu pro-
nunciren, dieſe Sprache als communis
interpres nicht mehr wohl emploiret wer-
den kan. Da nun der vorherige Interpres
communis oder das Latein, nachgehends
wie erſt gemeldet, nicht nur ſo veraͤchtlich,
ſondern auch ſo unverſtaͤndlich gemacht
worden; ſo hat es nicht fehlen koͤnnen, daß
eine andere Sprache an deſſen Selle ruͤ-
cken, und quaſi univerſalis werden muͤſſen.
Weil man aber in keiner Sprache mehr
Gunſt und Lieblichkeit gefunden, als in der
Frantzoͤſiſchen; ſo iſt es
3. Der Frantzoͤſiſchen gelungen, daß ſelbige
nunmehro weiter geredet und gebrauchet
wird, als der Frantzoͤſiſche Koͤnig nicht herr-
ſchet: daran aber nicht dieſer Souve-
rain
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/383>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.