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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715.

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Europäisches
§. 7.

Aber unter denen Souverains, derer
sich einer so hoch und würdig düncket als der an-
dere, weil sie alle von GOtt, und keiner von dem
andern dependiren, giebet es alten, langen, und
unaufhörlichen Streit, welcher unter ihnen für
den Grösten gehalten werden solle, gleichwohl
aber mit dem Unterscheid, daß

1. einige absolut Digniores seyn wollen als
andere, und deswegen den Vorzug oder Pas
2. andere nur pares, oder so gut seyn wollen
als einer ihres gleichen, und demnach nur
in pari passu zu gehen praetendiren,
mancher will so gut seyn als der andere,
mancher aber will mehr seyn als der andere.
§. 8.

Ein jeder dieser Gewaltigen auf Erden
führet seine Ursachen an, der Lis ist in diesem
Rang-Proceß in hundert und mehreren Ren-
contres contesti
ret, aber weil sie keinen Superi-
orem
oder Judicem erkennen, so hat noch kein
dergleichen daurender Entscheid gegeben werden
können, der die streitenden Partheyen aus einan-
der gesetzet und in Ordnung gebracht hätte.

§. 9.

Man hat zwar, umb allen Hindernissen
und Melirungen, welche sowohl in Congressen
hoher Potentaten selbst, als auch derer Gesand-
ten zu entstehen pflegen, vor zu beugen, ziemlich ge-
schickte Mittel ersonnen, einem jeden eine Stelle
und Rang zu assigniren, mit welchem er zu frie-
den seyn könte, und durch welche keinem einiges

Prae-
Europaͤiſches
§. 7.

Aber unter denen Souverains, derer
ſich einer ſo hoch und wuͤrdig duͤncket als der an-
dere, weil ſie alle von GOtt, und keiner von dem
andern dependiren, giebet es alten, langen, und
unaufhoͤrlichen Streit, welcher unter ihnen fuͤr
den Groͤſten gehalten werden ſolle, gleichwohl
aber mit dem Unterſcheid, daß

1. einige abſolut Digniores ſeyn wollen als
andere, und deswegen den Vorzug oder Pas
2. andere nur pares, oder ſo gut ſeyn wollen
als einer ihres gleichen, und demnach nur
in pari paſſu zu gehen prætendiren,
mancher will ſo gut ſeyn als der andere,
mancher aber will mehr ſeyn als der andere.
§. 8.

Ein jeder dieſer Gewaltigen auf Erden
fuͤhret ſeine Urſachen an, der Lis iſt in dieſem
Rang-Proceß in hundert und mehreren Ren-
contres conteſti
ret, aber weil ſie keinen Superi-
orem
oder Judicem erkennen, ſo hat noch kein
dergleichen daurender Entſcheid gegeben werden
koͤnnen, der die ſtreitenden Partheyen aus einan-
der geſetzet und in Ordnung gebracht haͤtte.

§. 9.

Man hat zwar, umb allen Hinderniſſen
und Melirungen, welche ſowohl in Congreſſen
hoher Potentaten ſelbſt, als auch derer Geſand-
ten zu entſtehen pflegen, vor zu beugen, ziemlich ge-
ſchickte Mittel erſonnen, einem jeden eine Stelle
und Rang zu asſigniren, mit welchem er zu frie-
den ſeyn koͤnte, und durch welche keinem einiges

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[4/0032] Europaͤiſches §. 7. Aber unter denen Souverains, derer ſich einer ſo hoch und wuͤrdig duͤncket als der an- dere, weil ſie alle von GOtt, und keiner von dem andern dependiren, giebet es alten, langen, und unaufhoͤrlichen Streit, welcher unter ihnen fuͤr den Groͤſten gehalten werden ſolle, gleichwohl aber mit dem Unterſcheid, daß 1. einige abſolut Digniores ſeyn wollen als andere, und deswegen den Vorzug oder Pas 2. andere nur pares, oder ſo gut ſeyn wollen als einer ihres gleichen, und demnach nur in pari paſſu zu gehen prætendiren, mancher will ſo gut ſeyn als der andere, mancher aber will mehr ſeyn als der andere. §. 8. Ein jeder dieſer Gewaltigen auf Erden fuͤhret ſeine Urſachen an, der Lis iſt in dieſem Rang-Proceß in hundert und mehreren Ren- contres conteſtiret, aber weil ſie keinen Superi- orem oder Judicem erkennen, ſo hat noch kein dergleichen daurender Entſcheid gegeben werden koͤnnen, der die ſtreitenden Partheyen aus einan- der geſetzet und in Ordnung gebracht haͤtte. §. 9. Man hat zwar, umb allen Hinderniſſen und Melirungen, welche ſowohl in Congreſſen hoher Potentaten ſelbſt, als auch derer Geſand- ten zu entſtehen pflegen, vor zu beugen, ziemlich ge- ſchickte Mittel erſonnen, einem jeden eine Stelle und Rang zu asſigniren, mit welchem er zu frie- den ſeyn koͤnte, und durch welche keinem einiges Præ-

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Zitationshilfe: Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/32>, abgerufen am 21.11.2024.