opinione für den honoratiorem hält, einzu- nehmen, ist allen Menschen so gemein und eine der- gleichen Passion, die sich nicht nur bey Hof- und Weltleuten, sondern auch bey denen mercken lässet, welche wegen ihrer Profession, oder auch wegen Nothdurfft, der Welt und ihrer Eitelkeit renun- ciret; es fehlet aber keinem an Bescheinigungen seines Rechts, durch welches er suchet andern vor- gezogen zu werden, und wenn man vielmahl an sich selbst nichts findet, welches zulänglich seyn könte, sich über einen andern zu schwingen, so hält man sich an sein Amt und Stelle, welche man be- kleidet, oder man will seinem künfftigem Succes- sori, welchen man vielmahl so wenig als die An- tipodes kennet, und welcher vielleicht nicht so Ehren-begierig als sein Antecessor, nichts ver- geben: ob man sich gleich sonsten kein Gewissen machet, seinem Nachfolger alles für dem Maule wegzunehmen, an welchem ihme mehr gelegen seyn könte, als an dem eitelen Vorzuge.
§. 2.
Von dieser alle Menschen plagenden Prae- rogativa muß man in der Morale, hier aber nur von denen Personen handeln, welche notorisch einen Vorzug für andern Menschen haben, und also auch berechtiget, selbigen zu suchen und zu mainteniren.
§. 3.
Dieser Personen sind nun nicht mehr als zwey:
1. Die
Hoff-Ceremoniel.
opinione fuͤr den honoratiorem haͤlt, einzu- nehmen, iſt allen Menſchen ſo gemein und eine der- gleichen Paſſion, die ſich nicht nur bey Hof- und Weltleuten, ſondern auch bey denẽ mercken laͤſſet, welche wegen ihrer Profeſſion, oder auch wegen Nothdurfft, der Welt und ihrer Eitelkeit renun- ciret; es fehlet aber keinem an Beſcheinigungen ſeines Rechts, durch welches er ſuchet andern vor- gezogen zu werden, und wenn man vielmahl an ſich ſelbſt nichts findet, welches zulaͤnglich ſeyn koͤnte, ſich uͤber einen andern zu ſchwingen, ſo haͤlt man ſich an ſein Amt und Stelle, welche man be- kleidet, oder man will ſeinem kuͤnfftigem Succeſ- ſori, welchen man vielmahl ſo wenig als die An- tipodes kennet, und welcher vielleicht nicht ſo Ehren-begierig als ſein Anteceſſor, nichts ver- geben: ob man ſich gleich ſonſten kein Gewiſſen machet, ſeinem Nachfolger alles fuͤr dem Maule wegzunehmen, an welchem ihme mehr gelegen ſeyn koͤnte, als an dem eitelen Vorzuge.
§. 2.
Von dieſer alle Menſchen plagenden Præ- rogativa muß man in der Morale, hier aber nur von denen Perſonen handeln, welche notoriſch einen Vorzug fuͤr andern Menſchen haben, und alſo auch berechtiget, ſelbigen zu ſuchen und zu mainteniren.
§. 3.
Dieſer Perſonen ſind nun nicht mehr als zwey:
1. Die
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Hoff-Ceremoniel.
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gleichen Paſſion, die ſich nicht nur bey Hof- und
Weltleuten, ſondern auch bey denẽ mercken laͤſſet,
welche wegen ihrer Profeſſion, oder auch wegen
Nothdurfft, der Welt und ihrer Eitelkeit renun-
ciret; es fehlet aber keinem an Beſcheinigungen
ſeines Rechts, durch welches er ſuchet andern vor-
gezogen zu werden, und wenn man vielmahl an
ſich ſelbſt nichts findet, welches zulaͤnglich ſeyn
koͤnte, ſich uͤber einen andern zu ſchwingen, ſo haͤlt
man ſich an ſein Amt und Stelle, welche man be-
kleidet, oder man will ſeinem kuͤnfftigem Succeſ-
ſori, welchen man vielmahl ſo wenig als die An-
tipodes kennet, und welcher vielleicht nicht ſo
Ehren-begierig als ſein Anteceſſor, nichts ver-
geben: ob man ſich gleich ſonſten kein Gewiſſen
machet, ſeinem Nachfolger alles fuͤr dem Maule
wegzunehmen, an welchem ihme mehr gelegen
ſeyn koͤnte, als an dem eitelen Vorzuge.
§. 2. Von dieſer alle Menſchen plagenden Præ-
rogativa muß man in der Morale, hier aber
nur von denen Perſonen handeln, welche notoriſch
einen Vorzug fuͤr andern Menſchen haben, und
alſo auch berechtiget, ſelbigen zu ſuchen und zu
mainteniren.
§. 3. Dieſer Perſonen ſind nun nicht mehr als
zwey:
1. Die
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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