Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Filidor der Dorfferer [i. e. Stieler, Kaspar von]: Die Geharnschte Venus. Hamburg, 1660.

Bild:
<< vorherige Seite

Geharnschter Venus

Jch/ der sie straks an Reden kannte/
sprach leise: Schäzgen/ der nach dir
so sehnlich seuffzet/ der ist hier.

5.
Da hättstu Sprünge sollen sehen/
wie sie so plözlich zu mir kahm/
wie sie mich in die Arme nahm:
Jch ließ es unerkant geschehen/
und küßt' als hätt' ich grosse Lust
an ihr/ die ganz entblößte Brust.
6.
Da war der Schaam nicht zugedenken.
Sie stekkte meine Hand wohin.
Mich wundert/ daß damaal mein Sinn
sich nicht zur Eitelkeit ließ lenken.

Gelegenheit hat den Verstand
offt auff verbotne Lust gewannt.
7.
Doch war diß schlecht mich zuberükken.
Jch weiß nicht/ was am Rokke hing/
daß sie mit grosser Brunst umfing.
Da hört' ich Seuffzer/ fühlt' ich drükken.
Was meine ihr/ wäre da geschehn
hätt' ich auff Tugend nicht gesehn?
Drum

Geharnſchter Venus

Jch/ der ſie ſtraks an Reden kannte/
ſprach leiſe: Schaͤzgen/ der nach dir
ſo ſehnlich ſeuffzet/ der iſt hier.

5.
Da haͤttſtu Spruͤnge ſollen ſehen/
wie ſie ſo ploͤzlich zu mir kahm/
wie ſie mich in die Arme nahm:
Jch ließ es unerkant geſchehen/
und kuͤßt’ als haͤtt’ ich groſſe Luſt
an ihr/ die ganz entbloͤßte Bruſt.
6.
Da war der Schaam nicht zugedenken.
Sie ſtekkte meine Hand wohin.
Mich wundert/ daß damaal mein Sinn
ſich nicht zur Eitelkeit ließ lenken.

Gelegenheit hat den Verſtand
offt auff verbotne Luſt gewannt.
7.
Doch war diß ſchlecht mich zuberuͤkken.
Jch weiß nicht/ was am Rokke hing/
daß ſie mit groſſer Brunſt umfing.
Da hoͤrt’ ich Seuffzer/ fuͤhlt’ ich druͤkken.
Was meine ihr/ waͤre da geſchehn
haͤtt’ ich auff Tugend nicht geſehn?
Drum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <l>
                <pb facs="#f0324" n="270"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Geharn&#x017F;chter Venus</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Jch/ der &#x017F;ie &#x017F;traks an Reden kannte/<lb/>
&#x017F;prach lei&#x017F;e: Scha&#x0364;zgen/ der nach dir<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehnlich &#x017F;euffzet/ der i&#x017F;t hier.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <head>5.</head><lb/>
              <l>Da ha&#x0364;tt&#x017F;tu Spru&#x0364;nge &#x017F;ollen &#x017F;ehen/</l><lb/>
              <l>wie &#x017F;ie &#x017F;o plo&#x0364;zlich zu mir kahm/</l><lb/>
              <l>wie &#x017F;ie mich in die Arme nahm:</l><lb/>
              <l>Jch ließ es unerkant ge&#x017F;chehen/</l><lb/>
              <l>und ku&#x0364;ßt&#x2019; als ha&#x0364;tt&#x2019; ich gro&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t</l><lb/>
              <l>an ihr/ die ganz entblo&#x0364;ßte Bru&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <head>6.</head><lb/>
              <l>Da war der Schaam nicht zugedenken.</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;tekkte meine Hand wohin.</l><lb/>
              <l>Mich wundert/ daß damaal mein Sinn<lb/>
&#x017F;ich nicht zur Eitelkeit ließ lenken.</l><lb/>
              <l>Gelegenheit hat den Ver&#x017F;tand</l><lb/>
              <l>offt auff verbotne Lu&#x017F;t gewannt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <head>7.</head><lb/>
              <l>Doch war diß &#x017F;chlecht mich zuberu&#x0364;kken.</l><lb/>
              <l>Jch weiß nicht/ was am Rokke hing/</l><lb/>
              <l>daß &#x017F;ie mit gro&#x017F;&#x017F;er Brun&#x017F;t umfing.</l><lb/>
              <l>Da ho&#x0364;rt&#x2019; ich Seuffzer/ fu&#x0364;hlt&#x2019; ich dru&#x0364;kken.</l><lb/>
              <l>Was meine ihr/ wa&#x0364;re da ge&#x017F;chehn</l><lb/>
              <l>ha&#x0364;tt&#x2019; ich auff Tugend nicht ge&#x017F;ehn?</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Drum</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0324] Geharnſchter Venus Jch/ der ſie ſtraks an Reden kannte/ ſprach leiſe: Schaͤzgen/ der nach dir ſo ſehnlich ſeuffzet/ der iſt hier. 5. Da haͤttſtu Spruͤnge ſollen ſehen/ wie ſie ſo ploͤzlich zu mir kahm/ wie ſie mich in die Arme nahm: Jch ließ es unerkant geſchehen/ und kuͤßt’ als haͤtt’ ich groſſe Luſt an ihr/ die ganz entbloͤßte Bruſt. 6. Da war der Schaam nicht zugedenken. Sie ſtekkte meine Hand wohin. Mich wundert/ daß damaal mein Sinn ſich nicht zur Eitelkeit ließ lenken. Gelegenheit hat den Verſtand offt auff verbotne Luſt gewannt. 7. Doch war diß ſchlecht mich zuberuͤkken. Jch weiß nicht/ was am Rokke hing/ daß ſie mit groſſer Brunſt umfing. Da hoͤrt’ ich Seuffzer/ fuͤhlt’ ich druͤkken. Was meine ihr/ waͤre da geſchehn haͤtt’ ich auff Tugend nicht geſehn? Drum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stieler_venus_1660
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stieler_venus_1660/324
Zitationshilfe: Filidor der Dorfferer [i. e. Stieler, Kaspar von]: Die Geharnschte Venus. Hamburg, 1660, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieler_venus_1660/324>, abgerufen am 24.11.2024.