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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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machen das Fegfeuer heißer als es sey; denn die Hitze der Sonne ist nur ein Schein und das irdische Feuer bloßes Eis gegen die Flammen des Fegfeuers. Es geht in jener Welt mit den Strafen erschrecklich und unbeschreiblich zu. Es fallen die Seelen der Christen so schnell und häufig in das Feuer, als das Wasser durch ein Brunnenrohr. "So viel vom Jodocusle, welches ich selbst abgehört. Es lernt, faßt und redet hart. Es scheint mir eines Betruges, besonders in einer solchen Sache unfähig."

Nach diesen Denkwürdigkeiten lassen wir noch etliche Sagen folgen, zuerst eine Nachricht von dem Walsermännle, einem wahrscheinlich nur den Walsern eigenthümlichen Nationaldämon. Dasselbe meldete sich gegen Ausgang des Jahres 1772 in Straußberg der Pfarre Riezlern bei der Wittfrau Katharina Elsaßerin. Es nahm ihr die Milch im Stalle, das Mus auf dem Tische und verhinderte die Hausgenossen im Arbeiten. Sichtbar war es nur einem einzigen Sohne, mit dem es öfter scherzte, andern Leuten machte es sich vernehmlich durch Murmeln, Pfeifen, Klatschen. Christoph Bader, lange Zeit unerschrockener preußischer Soldat, hörte es auf der Straße zischen und ein anderer merkte es mit solcher Schwere auf dem Wagen liegen, daß er ihn kaum mehr von der Stelle bringen konnte. 1773 in der Fasten meldete es sich bei Victorinus Müller auf Bödmen mit Zuschlagung der Läden, langte auch durch das Fenster hinein und klopfte der Tochter des Hauses auf die Achsel, so daß es alle Anwesenden hören, doch nicht sehen konnten. Insbesondere war es einem armen Kinde aufsässig, welches in dem Hause erzogen wurde. Es schlug dasselbe, zerzauste ihm die Haare und begleitete es auf allen seinen Wegen, sprach auch ärgerliche Reden aus ihm. Nach zwei Jahren verschwand das Ungemach.

Von den Bergmännlein scheint seiner Zeit auch im Walserthale viel Rede gewesen zu seyn. Nach der Chronik kamen sie zur Fastnacht, wo niemand lustiger war als sie, mit ihren ansehnlichen Weibern vom Heuberg herunter ins öffentliche Tanzhaus, tummelten sich bis Sonnenuntergang muthig herum und zogen Abends mit Trommel und Pfeifen wieder auf

machen das Fegfeuer heißer als es sey; denn die Hitze der Sonne ist nur ein Schein und das irdische Feuer bloßes Eis gegen die Flammen des Fegfeuers. Es geht in jener Welt mit den Strafen erschrecklich und unbeschreiblich zu. Es fallen die Seelen der Christen so schnell und häufig in das Feuer, als das Wasser durch ein Brunnenrohr. „So viel vom Jodocusle, welches ich selbst abgehört. Es lernt, faßt und redet hart. Es scheint mir eines Betruges, besonders in einer solchen Sache unfähig."

Nach diesen Denkwürdigkeiten lassen wir noch etliche Sagen folgen, zuerst eine Nachricht von dem Walsermännle, einem wahrscheinlich nur den Walsern eigenthümlichen Nationaldämon. Dasselbe meldete sich gegen Ausgang des Jahres 1772 in Straußberg der Pfarre Riezlern bei der Wittfrau Katharina Elsaßerin. Es nahm ihr die Milch im Stalle, das Mus auf dem Tische und verhinderte die Hausgenossen im Arbeiten. Sichtbar war es nur einem einzigen Sohne, mit dem es öfter scherzte, andern Leuten machte es sich vernehmlich durch Murmeln, Pfeifen, Klatschen. Christoph Bader, lange Zeit unerschrockener preußischer Soldat, hörte es auf der Straße zischen und ein anderer merkte es mit solcher Schwere auf dem Wagen liegen, daß er ihn kaum mehr von der Stelle bringen konnte. 1773 in der Fasten meldete es sich bei Victorinus Müller auf Bödmen mit Zuschlagung der Läden, langte auch durch das Fenster hinein und klopfte der Tochter des Hauses auf die Achsel, so daß es alle Anwesenden hören, doch nicht sehen konnten. Insbesondere war es einem armen Kinde aufsässig, welches in dem Hause erzogen wurde. Es schlug dasselbe, zerzauste ihm die Haare und begleitete es auf allen seinen Wegen, sprach auch ärgerliche Reden aus ihm. Nach zwei Jahren verschwand das Ungemach.

Von den Bergmännlein scheint seiner Zeit auch im Walserthale viel Rede gewesen zu seyn. Nach der Chronik kamen sie zur Fastnacht, wo niemand lustiger war als sie, mit ihren ansehnlichen Weibern vom Heuberg herunter ins öffentliche Tanzhaus, tummelten sich bis Sonnenuntergang muthig herum und zogen Abends mit Trommel und Pfeifen wieder auf

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[81/0086] machen das Fegfeuer heißer als es sey; denn die Hitze der Sonne ist nur ein Schein und das irdische Feuer bloßes Eis gegen die Flammen des Fegfeuers. Es geht in jener Welt mit den Strafen erschrecklich und unbeschreiblich zu. Es fallen die Seelen der Christen so schnell und häufig in das Feuer, als das Wasser durch ein Brunnenrohr. „So viel vom Jodocusle, welches ich selbst abgehört. Es lernt, faßt und redet hart. Es scheint mir eines Betruges, besonders in einer solchen Sache unfähig." Nach diesen Denkwürdigkeiten lassen wir noch etliche Sagen folgen, zuerst eine Nachricht von dem Walsermännle, einem wahrscheinlich nur den Walsern eigenthümlichen Nationaldämon. Dasselbe meldete sich gegen Ausgang des Jahres 1772 in Straußberg der Pfarre Riezlern bei der Wittfrau Katharina Elsaßerin. Es nahm ihr die Milch im Stalle, das Mus auf dem Tische und verhinderte die Hausgenossen im Arbeiten. Sichtbar war es nur einem einzigen Sohne, mit dem es öfter scherzte, andern Leuten machte es sich vernehmlich durch Murmeln, Pfeifen, Klatschen. Christoph Bader, lange Zeit unerschrockener preußischer Soldat, hörte es auf der Straße zischen und ein anderer merkte es mit solcher Schwere auf dem Wagen liegen, daß er ihn kaum mehr von der Stelle bringen konnte. 1773 in der Fasten meldete es sich bei Victorinus Müller auf Bödmen mit Zuschlagung der Läden, langte auch durch das Fenster hinein und klopfte der Tochter des Hauses auf die Achsel, so daß es alle Anwesenden hören, doch nicht sehen konnten. Insbesondere war es einem armen Kinde aufsässig, welches in dem Hause erzogen wurde. Es schlug dasselbe, zerzauste ihm die Haare und begleitete es auf allen seinen Wegen, sprach auch ärgerliche Reden aus ihm. Nach zwei Jahren verschwand das Ungemach. Von den Bergmännlein scheint seiner Zeit auch im Walserthale viel Rede gewesen zu seyn. Nach der Chronik kamen sie zur Fastnacht, wo niemand lustiger war als sie, mit ihren ansehnlichen Weibern vom Heuberg herunter ins öffentliche Tanzhaus, tummelten sich bis Sonnenuntergang muthig herum und zogen Abends mit Trommel und Pfeifen wieder auf

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/86>, abgerufen am 23.11.2024.