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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Die Einwohner der Au müssen sich im Walde noch immer die Mährenländer heißen lassen. Dieser Name stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert, wo sich hier heimlich die neue Lehre der Wiedertäufer ausbreitete, deren Anhänger, als sie offen hervortraten, gezwungen wurden das Land zu verlassen. So sind im Jahre 1585 zweiunddreißig Personen nach Mähren ausgewandert und noch jetzt sollen sich im Kuhländchen Geschlechtsnamen finden, wie in der Au im Bregenzerwalde. Der Verdacht der Ketzerei, der auf den Auern ruhte, verlor sich erst wieder zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Bis dahin merkten die Pfarrer bei den Gestorbenen im Sterbebuch sorgfältig an, ob mortuus bonus catholicus oder de fide anabaptistarum suspectus.

Was das Dörfchen in seiner damaligen Zweifelsucht an der Mutterkirche gesündigt, das hat es aber durch seine geschickten Baumeister in andrer Art wieder redlich gut zu machen gesucht. Die große Wallfahrtskirche zu Einsiedeln, das prächtige Cistercienserstift zu Salmansweiler, das berühmte Gotteshaus zu Weingarten, die Stiftskirche zu St. Gallen - all das ist von Meistern aufgeführt worden, die in der Au das Licht der Welt erblickt hatten.

Ein kleines Volksfest feiern die Auer am Peter und Paulstage, am 29 Junius. Um diese Zeit handelt es sich nämlich darum, den Sennen auf den Alpen zur Aushülfe etliche Knaben beizugeben, die man Pfisterer heißt. Da nun der Stellen immer weniger sind als der Bewerber, so wird die Vergebung durch einen Wettlauf entschieden, welcher das Bubenspringet genannt wird. Dieses findet an jenem Tage nach dem Gottesdienst statt. Die ganze Gemeinde steht am Stadium, die Knaben rennen und die siegenden Pfisterer steigen fröhlich auf die Alm.

Und nun nehmen wir Abschied vom Bregenzerwalde, dem schönen Wiesenthal mit den ansehnlichen Männern und den holdseligen Frauen. Wenn wir etwas weitläufiger geworden, als es sich für dieß Gebiet nach Verhältniß seiner Größe und Bevölkerung zu schicken scheint, so hoffen wir deßwegen leicht entschuldigt zu werden. Es wäre vielleicht

Die Einwohner der Au müssen sich im Walde noch immer die Mährenländer heißen lassen. Dieser Name stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert, wo sich hier heimlich die neue Lehre der Wiedertäufer ausbreitete, deren Anhänger, als sie offen hervortraten, gezwungen wurden das Land zu verlassen. So sind im Jahre 1585 zweiunddreißig Personen nach Mähren ausgewandert und noch jetzt sollen sich im Kuhländchen Geschlechtsnamen finden, wie in der Au im Bregenzerwalde. Der Verdacht der Ketzerei, der auf den Auern ruhte, verlor sich erst wieder zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Bis dahin merkten die Pfarrer bei den Gestorbenen im Sterbebuch sorgfältig an, ob mortuus bonus catholicus oder de fide anabaptistarum suspectus.

Was das Dörfchen in seiner damaligen Zweifelsucht an der Mutterkirche gesündigt, das hat es aber durch seine geschickten Baumeister in andrer Art wieder redlich gut zu machen gesucht. Die große Wallfahrtskirche zu Einsiedeln, das prächtige Cistercienserstift zu Salmansweiler, das berühmte Gotteshaus zu Weingarten, die Stiftskirche zu St. Gallen – all das ist von Meistern aufgeführt worden, die in der Au das Licht der Welt erblickt hatten.

Ein kleines Volksfest feiern die Auer am Peter und Paulstage, am 29 Junius. Um diese Zeit handelt es sich nämlich darum, den Sennen auf den Alpen zur Aushülfe etliche Knaben beizugeben, die man Pfisterer heißt. Da nun der Stellen immer weniger sind als der Bewerber, so wird die Vergebung durch einen Wettlauf entschieden, welcher das Bubenspringet genannt wird. Dieses findet an jenem Tage nach dem Gottesdienst statt. Die ganze Gemeinde steht am Stadium, die Knaben rennen und die siegenden Pfisterer steigen fröhlich auf die Alm.

Und nun nehmen wir Abschied vom Bregenzerwalde, dem schönen Wiesenthal mit den ansehnlichen Männern und den holdseligen Frauen. Wenn wir etwas weitläufiger geworden, als es sich für dieß Gebiet nach Verhältniß seiner Größe und Bevölkerung zu schicken scheint, so hoffen wir deßwegen leicht entschuldigt zu werden. Es wäre vielleicht

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[64/0069] Die Einwohner der Au müssen sich im Walde noch immer die Mährenländer heißen lassen. Dieser Name stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert, wo sich hier heimlich die neue Lehre der Wiedertäufer ausbreitete, deren Anhänger, als sie offen hervortraten, gezwungen wurden das Land zu verlassen. So sind im Jahre 1585 zweiunddreißig Personen nach Mähren ausgewandert und noch jetzt sollen sich im Kuhländchen Geschlechtsnamen finden, wie in der Au im Bregenzerwalde. Der Verdacht der Ketzerei, der auf den Auern ruhte, verlor sich erst wieder zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Bis dahin merkten die Pfarrer bei den Gestorbenen im Sterbebuch sorgfältig an, ob mortuus bonus catholicus oder de fide anabaptistarum suspectus. Was das Dörfchen in seiner damaligen Zweifelsucht an der Mutterkirche gesündigt, das hat es aber durch seine geschickten Baumeister in andrer Art wieder redlich gut zu machen gesucht. Die große Wallfahrtskirche zu Einsiedeln, das prächtige Cistercienserstift zu Salmansweiler, das berühmte Gotteshaus zu Weingarten, die Stiftskirche zu St. Gallen – all das ist von Meistern aufgeführt worden, die in der Au das Licht der Welt erblickt hatten. Ein kleines Volksfest feiern die Auer am Peter und Paulstage, am 29 Junius. Um diese Zeit handelt es sich nämlich darum, den Sennen auf den Alpen zur Aushülfe etliche Knaben beizugeben, die man Pfisterer heißt. Da nun der Stellen immer weniger sind als der Bewerber, so wird die Vergebung durch einen Wettlauf entschieden, welcher das Bubenspringet genannt wird. Dieses findet an jenem Tage nach dem Gottesdienst statt. Die ganze Gemeinde steht am Stadium, die Knaben rennen und die siegenden Pfisterer steigen fröhlich auf die Alm. Und nun nehmen wir Abschied vom Bregenzerwalde, dem schönen Wiesenthal mit den ansehnlichen Männern und den holdseligen Frauen. Wenn wir etwas weitläufiger geworden, als es sich für dieß Gebiet nach Verhältniß seiner Größe und Bevölkerung zu schicken scheint, so hoffen wir deßwegen leicht entschuldigt zu werden. Es wäre vielleicht

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/69>, abgerufen am 27.11.2024.