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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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letzten Tagen regierten die "Landherren" allein und schenken sich, freilich nur auf kurze Zeit, viel schönes Besitzthum. Sie fanden für zweckmäßig, die Habsburger, unten an der Donau wohnhaft, zu Landesfürsten zu erküren, dieweil sie diesen weniger als den nahen Herzogen zu Bayern die Macht zutrauten, ihnen über den Kopf zu wachsen. Aber schon Rudolf zeigte deutlich, wo er sie hingestellt wissen wolle, und seine Nachfolger ließen nicht von seinem Gedanken. Da rafften sie sich zuletzt alle auf, die Landherren mit ihren Dienstmannen, erinnerten sich, wie der Graf von Tirol einst ihres Gleichen gewesen und meinten, sie wären am besten des Reiches. Daher der letzte Kampf der Ritterbünde gegen Herzog Friedl, ausgehend in die große Katastrophe der Rottenburger, der Starkenberger, der Wolkensteiner. Die Bauern hatten sich fürsichtig genug dem Fürsten zur Hülfe geboten und unter den Schlägen des Landvolkes und des demokratischen Fürsten und Agitators brach die Bedeutung des Adels zugleich mit seinen Burgen. Die Oligarchie ging unter in der Monarchie. Mit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts und im fünfzehnten erloschen viele alte Namen, und viele Schlösser wurden zu Ruinen. Mit Max I beginnt eine Einwanderung neuer Geschlechter, denen schon früher einzelne Vorläufer unter dem Brandenburger und den Habsburgern den Weg gezeigt. Es erwuchs der Landsknecht- und Schreiberadel; geritterte Söldnerführer und Gelehrte ließen sich im schönen Etschlande nieder, und neben ihnen erhaschten die Gewerksleute an den neugefundenen Gruben, die Geldmacher, alsbald Titel und Wappen. Der Reformation waren die Herren keineswegs abgeneigt; als diese aber in den Bauernkriegen auch ihnen feindselig entgegenzutreten schien, wendeten sie sich wieder liebevoller dem alten Glauben zu. Sie wußten dazumal die Abschaffung des berühmten, den Bauern günstigen Landlibells von 1525 zu veranlassen und wurden von nun an eifrige Hofdiener, bemüht nach Aemtern und Diensten aller Art. Um diese Zeit beginnt die Luxusperiode des Tiroler Adels, die etwa bis zum Tode des letzten Landesfürsten, bis zum Jahre 1665 dauerte. Dieß ist die Zeit der "Ansitze" und der "Prädicate," jener

letzten Tagen regierten die „Landherren“ allein und schenken sich, freilich nur auf kurze Zeit, viel schönes Besitzthum. Sie fanden für zweckmäßig, die Habsburger, unten an der Donau wohnhaft, zu Landesfürsten zu erküren, dieweil sie diesen weniger als den nahen Herzogen zu Bayern die Macht zutrauten, ihnen über den Kopf zu wachsen. Aber schon Rudolf zeigte deutlich, wo er sie hingestellt wissen wolle, und seine Nachfolger ließen nicht von seinem Gedanken. Da rafften sie sich zuletzt alle auf, die Landherren mit ihren Dienstmannen, erinnerten sich, wie der Graf von Tirol einst ihres Gleichen gewesen und meinten, sie wären am besten des Reiches. Daher der letzte Kampf der Ritterbünde gegen Herzog Friedl, ausgehend in die große Katastrophe der Rottenburger, der Starkenberger, der Wolkensteiner. Die Bauern hatten sich fürsichtig genug dem Fürsten zur Hülfe geboten und unter den Schlägen des Landvolkes und des demokratischen Fürsten und Agitators brach die Bedeutung des Adels zugleich mit seinen Burgen. Die Oligarchie ging unter in der Monarchie. Mit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts und im fünfzehnten erloschen viele alte Namen, und viele Schlösser wurden zu Ruinen. Mit Max I beginnt eine Einwanderung neuer Geschlechter, denen schon früher einzelne Vorläufer unter dem Brandenburger und den Habsburgern den Weg gezeigt. Es erwuchs der Landsknecht- und Schreiberadel; geritterte Söldnerführer und Gelehrte ließen sich im schönen Etschlande nieder, und neben ihnen erhaschten die Gewerksleute an den neugefundenen Gruben, die Geldmacher, alsbald Titel und Wappen. Der Reformation waren die Herren keineswegs abgeneigt; als diese aber in den Bauernkriegen auch ihnen feindselig entgegenzutreten schien, wendeten sie sich wieder liebevoller dem alten Glauben zu. Sie wußten dazumal die Abschaffung des berühmten, den Bauern günstigen Landlibells von 1525 zu veranlassen und wurden von nun an eifrige Hofdiener, bemüht nach Aemtern und Diensten aller Art. Um diese Zeit beginnt die Luxusperiode des Tiroler Adels, die etwa bis zum Tode des letzten Landesfürsten, bis zum Jahre 1665 dauerte. Dieß ist die Zeit der „Ansitze“ und der „Prädicate,“ jener

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[660/0664] letzten Tagen regierten die „Landherren“ allein und schenken sich, freilich nur auf kurze Zeit, viel schönes Besitzthum. Sie fanden für zweckmäßig, die Habsburger, unten an der Donau wohnhaft, zu Landesfürsten zu erküren, dieweil sie diesen weniger als den nahen Herzogen zu Bayern die Macht zutrauten, ihnen über den Kopf zu wachsen. Aber schon Rudolf zeigte deutlich, wo er sie hingestellt wissen wolle, und seine Nachfolger ließen nicht von seinem Gedanken. Da rafften sie sich zuletzt alle auf, die Landherren mit ihren Dienstmannen, erinnerten sich, wie der Graf von Tirol einst ihres Gleichen gewesen und meinten, sie wären am besten des Reiches. Daher der letzte Kampf der Ritterbünde gegen Herzog Friedl, ausgehend in die große Katastrophe der Rottenburger, der Starkenberger, der Wolkensteiner. Die Bauern hatten sich fürsichtig genug dem Fürsten zur Hülfe geboten und unter den Schlägen des Landvolkes und des demokratischen Fürsten und Agitators brach die Bedeutung des Adels zugleich mit seinen Burgen. Die Oligarchie ging unter in der Monarchie. Mit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts und im fünfzehnten erloschen viele alte Namen, und viele Schlösser wurden zu Ruinen. Mit Max I beginnt eine Einwanderung neuer Geschlechter, denen schon früher einzelne Vorläufer unter dem Brandenburger und den Habsburgern den Weg gezeigt. Es erwuchs der Landsknecht- und Schreiberadel; geritterte Söldnerführer und Gelehrte ließen sich im schönen Etschlande nieder, und neben ihnen erhaschten die Gewerksleute an den neugefundenen Gruben, die Geldmacher, alsbald Titel und Wappen. Der Reformation waren die Herren keineswegs abgeneigt; als diese aber in den Bauernkriegen auch ihnen feindselig entgegenzutreten schien, wendeten sie sich wieder liebevoller dem alten Glauben zu. Sie wußten dazumal die Abschaffung des berühmten, den Bauern günstigen Landlibells von 1525 zu veranlassen und wurden von nun an eifrige Hofdiener, bemüht nach Aemtern und Diensten aller Art. Um diese Zeit beginnt die Luxusperiode des Tiroler Adels, die etwa bis zum Tode des letzten Landesfürsten, bis zum Jahre 1665 dauerte. Dieß ist die Zeit der „Ansitze“ und der „Prädicate,“ jener

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/664>, abgerufen am 23.11.2024.