Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.ein Benedictiner von Marienberg, Professor Albert Jäger, der Geschichtschreiber des Jahres 1703, einer der geachtetsten Männer des Landes, in einem Vortrage, den er vor dem Vereine des Ferdinandeums hielt, die Wirksamkeit des Ordens in Tirol vor seiner Aufhebung historisch beleuchtete und daraus Ergebnisse zog, die auch für seine Zukunft nur düstere Vermuthungen gestatteten. Der Eindruck dieser Begebenheit wirkte im Lande lange nach. Nach all diesem hatten die Jesuiten nicht die freundlichste Aufnahme gefunden, suchten aber gleichwohl mit Geduld und Ausdauer ihre Fäden immer weiter zu spinnen. Die Urtheile über die Thätigkeit des Ordens sind begreiflicherweise sehr verschieden, doch scheinen auch jene, welche seine Wiedereinführung gewünscht, nicht gänzlich zufrieden gestellt. Die Gegner aber wollen in seiner Lehrweise nur die alte jesuitische Methode, wie sie vor hundert Jahren gewesen, wieder finden, behauptend: wenn die Gesellschaft auch vielleicht manches aus ihren damaligen geistigen Erübrigungen vergessen, so habe sie doch nichts Neues gelernt. Wenn sie von dem k. k. vorgeschriebenen Studienplan abweiche, so sey dieß nur, um einen noch schlechtern an die Stelle zu setzen. Man wirft ihren Lehrern vor, daß sie durch angestrengte Uebung des Gedächtnisses jedes tiefere Eingehen in den Kern der Dinge hintanzuhalten suchen, daß sie die Classiker der Sprache nach nur dürftig, dem Sinne nach gar nicht verstehen, daß sie die deutsche Sprache zu Gunsten des Lateinischen vernachlässigen, ja ihren Gebrauch den Schülern nur an Vacanztagen gestatten; in Geschichte, Geographie und dergleichen Studien aber selbst viel zu wenig unterrichtet seyen, um andre unterrichten zu können. Man will dafür kaum als Entschuldigung gelten lassen, daß die meisten der Professoren fremde, im Slavenlande erzogene Männer sind und daher die geistigen Bedürfnisse Tirols weniger zu würdigen wissen, oder daß manche von ihnen noch in zartem Mannesalter und so kümmerlicher Vorbildung sind, daß sie die für ihre Lehrkanzeln vorgeschriebenen Prüfungen allerdings nicht zu bestehen vermocht. Ferner sagt man ihnen nach, daß sie das sittliche Gefühl der Lehrlinge untergraben, ein Benedictiner von Marienberg, Professor Albert Jäger, der Geschichtschreiber des Jahres 1703, einer der geachtetsten Männer des Landes, in einem Vortrage, den er vor dem Vereine des Ferdinandeums hielt, die Wirksamkeit des Ordens in Tirol vor seiner Aufhebung historisch beleuchtete und daraus Ergebnisse zog, die auch für seine Zukunft nur düstere Vermuthungen gestatteten. Der Eindruck dieser Begebenheit wirkte im Lande lange nach. Nach all diesem hatten die Jesuiten nicht die freundlichste Aufnahme gefunden, suchten aber gleichwohl mit Geduld und Ausdauer ihre Fäden immer weiter zu spinnen. Die Urtheile über die Thätigkeit des Ordens sind begreiflicherweise sehr verschieden, doch scheinen auch jene, welche seine Wiedereinführung gewünscht, nicht gänzlich zufrieden gestellt. Die Gegner aber wollen in seiner Lehrweise nur die alte jesuitische Methode, wie sie vor hundert Jahren gewesen, wieder finden, behauptend: wenn die Gesellschaft auch vielleicht manches aus ihren damaligen geistigen Erübrigungen vergessen, so habe sie doch nichts Neues gelernt. Wenn sie von dem k. k. vorgeschriebenen Studienplan abweiche, so sey dieß nur, um einen noch schlechtern an die Stelle zu setzen. Man wirft ihren Lehrern vor, daß sie durch angestrengte Uebung des Gedächtnisses jedes tiefere Eingehen in den Kern der Dinge hintanzuhalten suchen, daß sie die Classiker der Sprache nach nur dürftig, dem Sinne nach gar nicht verstehen, daß sie die deutsche Sprache zu Gunsten des Lateinischen vernachlässigen, ja ihren Gebrauch den Schülern nur an Vacanztagen gestatten; in Geschichte, Geographie und dergleichen Studien aber selbst viel zu wenig unterrichtet seyen, um andre unterrichten zu können. Man will dafür kaum als Entschuldigung gelten lassen, daß die meisten der Professoren fremde, im Slavenlande erzogene Männer sind und daher die geistigen Bedürfnisse Tirols weniger zu würdigen wissen, oder daß manche von ihnen noch in zartem Mannesalter und so kümmerlicher Vorbildung sind, daß sie die für ihre Lehrkanzeln vorgeschriebenen Prüfungen allerdings nicht zu bestehen vermocht. 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Die Gegner aber wollen in seiner Lehrweise nur die alte jesuitische Methode, wie sie vor hundert Jahren gewesen, wieder finden, behauptend: wenn die Gesellschaft auch vielleicht manches aus ihren damaligen geistigen Erübrigungen vergessen, so habe sie doch nichts Neues gelernt. Wenn sie von dem k. k. vorgeschriebenen Studienplan abweiche, so sey dieß nur, um einen noch schlechtern an die Stelle zu setzen. Man wirft ihren Lehrern vor, daß sie durch angestrengte Uebung des Gedächtnisses jedes tiefere Eingehen in den Kern der Dinge hintanzuhalten suchen, daß sie die Classiker der Sprache nach nur dürftig, dem Sinne nach gar nicht verstehen, daß sie die deutsche Sprache zu Gunsten des Lateinischen vernachlässigen, ja ihren Gebrauch den Schülern nur an Vacanztagen gestatten; in Geschichte, Geographie und dergleichen Studien aber selbst viel zu wenig unterrichtet seyen, um andre unterrichten zu können. Man will dafür kaum als Entschuldigung gelten lassen, daß die meisten der Professoren fremde, im Slavenlande erzogene Männer sind und daher die geistigen Bedürfnisse Tirols weniger zu würdigen wissen, oder daß manche von ihnen noch in zartem Mannesalter und so kümmerlicher Vorbildung sind, daß sie die für ihre Lehrkanzeln vorgeschriebenen Prüfungen allerdings nicht zu bestehen vermocht. Ferner sagt man ihnen nach, daß sie das sittliche Gefühl der Lehrlinge untergraben, </p> </div> </body> </text> </TEI> [639/0643]
ein Benedictiner von Marienberg, Professor Albert Jäger, der Geschichtschreiber des Jahres 1703, einer der geachtetsten Männer des Landes, in einem Vortrage, den er vor dem Vereine des Ferdinandeums hielt, die Wirksamkeit des Ordens in Tirol vor seiner Aufhebung historisch beleuchtete und daraus Ergebnisse zog, die auch für seine Zukunft nur düstere Vermuthungen gestatteten. Der Eindruck dieser Begebenheit wirkte im Lande lange nach.
Nach all diesem hatten die Jesuiten nicht die freundlichste Aufnahme gefunden, suchten aber gleichwohl mit Geduld und Ausdauer ihre Fäden immer weiter zu spinnen. Die Urtheile über die Thätigkeit des Ordens sind begreiflicherweise sehr verschieden, doch scheinen auch jene, welche seine Wiedereinführung gewünscht, nicht gänzlich zufrieden gestellt. Die Gegner aber wollen in seiner Lehrweise nur die alte jesuitische Methode, wie sie vor hundert Jahren gewesen, wieder finden, behauptend: wenn die Gesellschaft auch vielleicht manches aus ihren damaligen geistigen Erübrigungen vergessen, so habe sie doch nichts Neues gelernt. Wenn sie von dem k. k. vorgeschriebenen Studienplan abweiche, so sey dieß nur, um einen noch schlechtern an die Stelle zu setzen. Man wirft ihren Lehrern vor, daß sie durch angestrengte Uebung des Gedächtnisses jedes tiefere Eingehen in den Kern der Dinge hintanzuhalten suchen, daß sie die Classiker der Sprache nach nur dürftig, dem Sinne nach gar nicht verstehen, daß sie die deutsche Sprache zu Gunsten des Lateinischen vernachlässigen, ja ihren Gebrauch den Schülern nur an Vacanztagen gestatten; in Geschichte, Geographie und dergleichen Studien aber selbst viel zu wenig unterrichtet seyen, um andre unterrichten zu können. Man will dafür kaum als Entschuldigung gelten lassen, daß die meisten der Professoren fremde, im Slavenlande erzogene Männer sind und daher die geistigen Bedürfnisse Tirols weniger zu würdigen wissen, oder daß manche von ihnen noch in zartem Mannesalter und so kümmerlicher Vorbildung sind, daß sie die für ihre Lehrkanzeln vorgeschriebenen Prüfungen allerdings nicht zu bestehen vermocht. Ferner sagt man ihnen nach, daß sie das sittliche Gefühl der Lehrlinge untergraben,
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