Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.eines tirolischen Dichters wußte sich durch die Censur bis in den Tiroler Boten zu schleichen. Ein Jahr, nachdem die Zillerthaler Tirol verlassen hatten, wurden die Jesuiten hereingerufen. Diese waren bald nach der Stiftung ihrer Gesellschaft in Tirol aufgenommen worden und hatten sich dort bis zu ihrer Aufhebung erhalten. Ihre damalige Aufführung war nicht schlechter und nicht besser als anderswo. Man hat nachgewiesen, daß sie durch ihre knechtende Erziehungsweise und ihre Probabilitätsmoral viel Schaden und Unsegen herbeigeführt, daß sie die Landesfreiheiten untergraben, Gleißnerei und äußerliche Kirchlichkeit gefördert, die Laster des Hofes gehätschelt, den Vorurtheilen des Adels geschmeichelt, Hexenprocesse und Aberglauben begünstigt und das Volk zur gedankenlosen Spießbürgerei herabgebracht haben. Nachdem die Gesellschaft aufgehoben war, dachten die Tiroler wohl nicht mehr daran, daß sie bei ihnen wieder lebendig werden sollte, und man kann der Wahrheit gemäß behaupten, daß sie sich auch nicht darnach sehnten. Vor mehr als einem Jahrzehnt erschienen indessen die Vorläufer der Gesellschaft Jesu, die Liguorianer oder Redemptoristen im Lande. Aber auch nach diesem Zuwachse fanden sich noch einzelne Männer, denen die zahlreiche Priesterschaft nicht ausgiebig, ihre Richtung nicht gottselig genug erschien, die nur in der Gesellschaft Jesu den letzten Schlußstein kirchlicher Zustände sahen. Der Freiherr von Giovanelli, der gewaltigste unter diesen Eiferern, benützte nun beim Landtage des Jahres 1838 eine Sitzung, wo es sich um Unterstützung der die Theresianische Ritterakademie verlassenden, mittellosen Jünglinge handelte, um eine Vorstellung zu beantragen, in welcher der Kaiser gebeten werden sollte, jene Schule, deren Leitung die Prämonstratenser von Wilten so eben aufgegeben hatten, so wie auch das Gymnasium zu Innsbruck der Gesellschaft Jesu zu überlassen. Der Antragsteller stützte sich dabei auf die Erfolge ihrer Lehranstalten in Galizien und im uechtländischen Freiburg, so wie auf die Verdienste, welche sie sich in frühern Zeiten um den tirolischen Katholicismus erworben - es dürfe sich daher keiner, der ein guter Katholik seyn wolle, der Aufnahme dieses eines tirolischen Dichters wußte sich durch die Censur bis in den Tiroler Boten zu schleichen. Ein Jahr, nachdem die Zillerthaler Tirol verlassen hatten, wurden die Jesuiten hereingerufen. Diese waren bald nach der Stiftung ihrer Gesellschaft in Tirol aufgenommen worden und hatten sich dort bis zu ihrer Aufhebung erhalten. Ihre damalige Aufführung war nicht schlechter und nicht besser als anderswo. Man hat nachgewiesen, daß sie durch ihre knechtende Erziehungsweise und ihre Probabilitätsmoral viel Schaden und Unsegen herbeigeführt, daß sie die Landesfreiheiten untergraben, Gleißnerei und äußerliche Kirchlichkeit gefördert, die Laster des Hofes gehätschelt, den Vorurtheilen des Adels geschmeichelt, Hexenprocesse und Aberglauben begünstigt und das Volk zur gedankenlosen Spießbürgerei herabgebracht haben. Nachdem die Gesellschaft aufgehoben war, dachten die Tiroler wohl nicht mehr daran, daß sie bei ihnen wieder lebendig werden sollte, und man kann der Wahrheit gemäß behaupten, daß sie sich auch nicht darnach sehnten. Vor mehr als einem Jahrzehnt erschienen indessen die Vorläufer der Gesellschaft Jesu, die Liguorianer oder Redemptoristen im Lande. Aber auch nach diesem Zuwachse fanden sich noch einzelne Männer, denen die zahlreiche Priesterschaft nicht ausgiebig, ihre Richtung nicht gottselig genug erschien, die nur in der Gesellschaft Jesu den letzten Schlußstein kirchlicher Zustände sahen. Der Freiherr von Giovanelli, der gewaltigste unter diesen Eiferern, benützte nun beim Landtage des Jahres 1838 eine Sitzung, wo es sich um Unterstützung der die Theresianische Ritterakademie verlassenden, mittellosen Jünglinge handelte, um eine Vorstellung zu beantragen, in welcher der Kaiser gebeten werden sollte, jene Schule, deren Leitung die Prämonstratenser von Wilten so eben aufgegeben hatten, so wie auch das Gymnasium zu Innsbruck der Gesellschaft Jesu zu überlassen. Der Antragsteller stützte sich dabei auf die Erfolge ihrer Lehranstalten in Galizien und im uechtländischen Freiburg, so wie auf die Verdienste, welche sie sich in frühern Zeiten um den tirolischen Katholicismus erworben – es dürfe sich daher keiner, der ein guter Katholik seyn wolle, der Aufnahme dieses <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0640" n="636"/> eines tirolischen Dichters wußte sich durch die Censur bis in den Tiroler Boten zu schleichen.</p> <p>Ein Jahr, nachdem die Zillerthaler Tirol verlassen hatten, wurden die Jesuiten hereingerufen. Diese waren bald nach der Stiftung ihrer Gesellschaft in Tirol aufgenommen worden und hatten sich dort bis zu ihrer Aufhebung erhalten. Ihre damalige Aufführung war nicht schlechter und nicht besser als anderswo. Man hat nachgewiesen, daß sie durch ihre knechtende Erziehungsweise und ihre Probabilitätsmoral viel Schaden und Unsegen herbeigeführt, daß sie die Landesfreiheiten untergraben, Gleißnerei und äußerliche Kirchlichkeit gefördert, die Laster des Hofes gehätschelt, den Vorurtheilen des Adels geschmeichelt, Hexenprocesse und Aberglauben begünstigt und das Volk zur gedankenlosen Spießbürgerei herabgebracht haben. Nachdem die Gesellschaft aufgehoben war, dachten die Tiroler wohl nicht mehr daran, daß sie bei ihnen wieder lebendig werden sollte, und man kann der Wahrheit gemäß behaupten, daß sie sich auch nicht darnach sehnten. Vor mehr als einem Jahrzehnt erschienen indessen die Vorläufer der Gesellschaft Jesu, die Liguorianer oder Redemptoristen im Lande. Aber auch nach diesem Zuwachse fanden sich noch einzelne Männer, denen die zahlreiche Priesterschaft nicht ausgiebig, ihre Richtung nicht gottselig genug erschien, die nur in der Gesellschaft Jesu den letzten Schlußstein kirchlicher Zustände sahen. Der Freiherr von Giovanelli, der gewaltigste unter diesen Eiferern, benützte nun beim Landtage des Jahres 1838 eine Sitzung, wo es sich um Unterstützung der die Theresianische Ritterakademie verlassenden, mittellosen Jünglinge handelte, um eine Vorstellung zu beantragen, in welcher der Kaiser gebeten werden sollte, jene Schule, deren Leitung die Prämonstratenser von Wilten so eben aufgegeben hatten, so wie auch das Gymnasium zu Innsbruck der Gesellschaft Jesu zu überlassen. Der Antragsteller stützte sich dabei auf die Erfolge ihrer Lehranstalten in Galizien und im uechtländischen Freiburg, so wie auf die Verdienste, welche sie sich in frühern Zeiten um den tirolischen Katholicismus erworben – es dürfe sich daher keiner, der ein guter Katholik seyn wolle, der Aufnahme dieses </p> </div> </body> </text> </TEI> [636/0640]
eines tirolischen Dichters wußte sich durch die Censur bis in den Tiroler Boten zu schleichen.
Ein Jahr, nachdem die Zillerthaler Tirol verlassen hatten, wurden die Jesuiten hereingerufen. Diese waren bald nach der Stiftung ihrer Gesellschaft in Tirol aufgenommen worden und hatten sich dort bis zu ihrer Aufhebung erhalten. Ihre damalige Aufführung war nicht schlechter und nicht besser als anderswo. Man hat nachgewiesen, daß sie durch ihre knechtende Erziehungsweise und ihre Probabilitätsmoral viel Schaden und Unsegen herbeigeführt, daß sie die Landesfreiheiten untergraben, Gleißnerei und äußerliche Kirchlichkeit gefördert, die Laster des Hofes gehätschelt, den Vorurtheilen des Adels geschmeichelt, Hexenprocesse und Aberglauben begünstigt und das Volk zur gedankenlosen Spießbürgerei herabgebracht haben. Nachdem die Gesellschaft aufgehoben war, dachten die Tiroler wohl nicht mehr daran, daß sie bei ihnen wieder lebendig werden sollte, und man kann der Wahrheit gemäß behaupten, daß sie sich auch nicht darnach sehnten. Vor mehr als einem Jahrzehnt erschienen indessen die Vorläufer der Gesellschaft Jesu, die Liguorianer oder Redemptoristen im Lande. Aber auch nach diesem Zuwachse fanden sich noch einzelne Männer, denen die zahlreiche Priesterschaft nicht ausgiebig, ihre Richtung nicht gottselig genug erschien, die nur in der Gesellschaft Jesu den letzten Schlußstein kirchlicher Zustände sahen. Der Freiherr von Giovanelli, der gewaltigste unter diesen Eiferern, benützte nun beim Landtage des Jahres 1838 eine Sitzung, wo es sich um Unterstützung der die Theresianische Ritterakademie verlassenden, mittellosen Jünglinge handelte, um eine Vorstellung zu beantragen, in welcher der Kaiser gebeten werden sollte, jene Schule, deren Leitung die Prämonstratenser von Wilten so eben aufgegeben hatten, so wie auch das Gymnasium zu Innsbruck der Gesellschaft Jesu zu überlassen. Der Antragsteller stützte sich dabei auf die Erfolge ihrer Lehranstalten in Galizien und im uechtländischen Freiburg, so wie auf die Verdienste, welche sie sich in frühern Zeiten um den tirolischen Katholicismus erworben – es dürfe sich daher keiner, der ein guter Katholik seyn wolle, der Aufnahme dieses
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |