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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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wenn er die Erzählung führt von den Bauernschlachten auf dem Sterzingermoos und auf dem Berge Isel, von den Tagen, deren Herrlichkeit damals durch die ganze Welt gefeiert wurde, so weit sie sich nach der Freiheit sehnte. Kommt ihr nach Tirol, so werdet ihr Mühe haben sie zu erfragen. Gebt ihnen aber ja keinen auszeichnenden Namen - sprecht nicht etwa von den Helden des glorreichen Jahres, sondern fragt einfach und schlicht nach "den alten Rebellern, nach den Brigandenchefs, nach den Bauernkönigen von Anno Neune," - denn dieß sind die Titel, die ihnen im Lauf der Jahre angewachsen. Aber auch so sind sie schwer aus ihrer Dunkelheit herauszuholen, und wenn sie ihre Erzählungen beginnen, so ist ihr Erstes zu erklären, daß sie gezwungen waren - daß keiner gefragt worden sey, ob er gehen wolle oder nicht. Es sind wenige, sehr wenige, die sich die Begeisterung, mit der sie damals in Kampf und Tod gingen, vor der Trübung späterer Zeiten rein zu halten gewußt, wenige auch, die nicht die Ehre der Selbstbestimmung, des eigenen Willens gerne hingeben um die jetzt wirksamere Entschuldigung damaliger Bethörtheit. Von allen den Häuptlingen, die zu jener Zeit in der Hofburg als Gebieter ein und ausgingen, hat kaum einer mehr frohe Tage gesehen. Speckbacher ist mißvergnügt gestorben, andre gingen, zweideutigen Nachreden zu entweichen, in die nächsten Länder Oesterreichs, andre, die vor dem Kriege schon den schweren Zeiten zu erliegen drohten, konnten sich auch nachher nicht mehr aufraffen und verloren sich in der Kümmerniß. Drum mag es wohl ein wahres Wort seyn, daß dem tugendhaften Hauptmann der Passeyrer das schönste Loos beschieden war, daß er nichts besseres thun konnte, als auf den Wällen von Mantua zu sterben. Freiherr von Hormayr bemerkt, er würde in Wien unendlich gelangweilt haben, und es wäre in der That möglich, daß man ihn am kaiserlichen Hoflager nicht recht amüsant gefunden hätte. Aber auch sein schöner Tod hat die Augen der Landsleute nicht blenden können, und sie nennen ihn jetzt etwa fromm und ehrlich, aber beschränkt und einfältig, leichtgläubig, oft schlecht gegängelt von schlimmen Vertrauten, vollkommen im Einverständniß mit dem Freiherrn,

wenn er die Erzählung führt von den Bauernschlachten auf dem Sterzingermoos und auf dem Berge Isel, von den Tagen, deren Herrlichkeit damals durch die ganze Welt gefeiert wurde, so weit sie sich nach der Freiheit sehnte. Kommt ihr nach Tirol, so werdet ihr Mühe haben sie zu erfragen. Gebt ihnen aber ja keinen auszeichnenden Namen – sprecht nicht etwa von den Helden des glorreichen Jahres, sondern fragt einfach und schlicht nach „den alten Rebellern, nach den Brigandenchefs, nach den Bauernkönigen von Anno Neune,“ – denn dieß sind die Titel, die ihnen im Lauf der Jahre angewachsen. Aber auch so sind sie schwer aus ihrer Dunkelheit herauszuholen, und wenn sie ihre Erzählungen beginnen, so ist ihr Erstes zu erklären, daß sie gezwungen waren – daß keiner gefragt worden sey, ob er gehen wolle oder nicht. Es sind wenige, sehr wenige, die sich die Begeisterung, mit der sie damals in Kampf und Tod gingen, vor der Trübung späterer Zeiten rein zu halten gewußt, wenige auch, die nicht die Ehre der Selbstbestimmung, des eigenen Willens gerne hingeben um die jetzt wirksamere Entschuldigung damaliger Bethörtheit. Von allen den Häuptlingen, die zu jener Zeit in der Hofburg als Gebieter ein und ausgingen, hat kaum einer mehr frohe Tage gesehen. Speckbacher ist mißvergnügt gestorben, andre gingen, zweideutigen Nachreden zu entweichen, in die nächsten Länder Oesterreichs, andre, die vor dem Kriege schon den schweren Zeiten zu erliegen drohten, konnten sich auch nachher nicht mehr aufraffen und verloren sich in der Kümmerniß. Drum mag es wohl ein wahres Wort seyn, daß dem tugendhaften Hauptmann der Passeyrer das schönste Loos beschieden war, daß er nichts besseres thun konnte, als auf den Wällen von Mantua zu sterben. Freiherr von Hormayr bemerkt, er würde in Wien unendlich gelangweilt haben, und es wäre in der That möglich, daß man ihn am kaiserlichen Hoflager nicht recht amüsant gefunden hätte. Aber auch sein schöner Tod hat die Augen der Landsleute nicht blenden können, und sie nennen ihn jetzt etwa fromm und ehrlich, aber beschränkt und einfältig, leichtgläubig, oft schlecht gegängelt von schlimmen Vertrauten, vollkommen im Einverständniß mit dem Freiherrn,

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[628/0632] wenn er die Erzählung führt von den Bauernschlachten auf dem Sterzingermoos und auf dem Berge Isel, von den Tagen, deren Herrlichkeit damals durch die ganze Welt gefeiert wurde, so weit sie sich nach der Freiheit sehnte. Kommt ihr nach Tirol, so werdet ihr Mühe haben sie zu erfragen. Gebt ihnen aber ja keinen auszeichnenden Namen – sprecht nicht etwa von den Helden des glorreichen Jahres, sondern fragt einfach und schlicht nach „den alten Rebellern, nach den Brigandenchefs, nach den Bauernkönigen von Anno Neune,“ – denn dieß sind die Titel, die ihnen im Lauf der Jahre angewachsen. Aber auch so sind sie schwer aus ihrer Dunkelheit herauszuholen, und wenn sie ihre Erzählungen beginnen, so ist ihr Erstes zu erklären, daß sie gezwungen waren – daß keiner gefragt worden sey, ob er gehen wolle oder nicht. Es sind wenige, sehr wenige, die sich die Begeisterung, mit der sie damals in Kampf und Tod gingen, vor der Trübung späterer Zeiten rein zu halten gewußt, wenige auch, die nicht die Ehre der Selbstbestimmung, des eigenen Willens gerne hingeben um die jetzt wirksamere Entschuldigung damaliger Bethörtheit. Von allen den Häuptlingen, die zu jener Zeit in der Hofburg als Gebieter ein und ausgingen, hat kaum einer mehr frohe Tage gesehen. Speckbacher ist mißvergnügt gestorben, andre gingen, zweideutigen Nachreden zu entweichen, in die nächsten Länder Oesterreichs, andre, die vor dem Kriege schon den schweren Zeiten zu erliegen drohten, konnten sich auch nachher nicht mehr aufraffen und verloren sich in der Kümmerniß. Drum mag es wohl ein wahres Wort seyn, daß dem tugendhaften Hauptmann der Passeyrer das schönste Loos beschieden war, daß er nichts besseres thun konnte, als auf den Wällen von Mantua zu sterben. Freiherr von Hormayr bemerkt, er würde in Wien unendlich gelangweilt haben, und es wäre in der That möglich, daß man ihn am kaiserlichen Hoflager nicht recht amüsant gefunden hätte. Aber auch sein schöner Tod hat die Augen der Landsleute nicht blenden können, und sie nennen ihn jetzt etwa fromm und ehrlich, aber beschränkt und einfältig, leichtgläubig, oft schlecht gegängelt von schlimmen Vertrauten, vollkommen im Einverständniß mit dem Freiherrn,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/632>, abgerufen am 23.11.2024.