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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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durch Tirol suchen möchten, gänzlich zu verhüten. Die neue Franzensveste bei Brixen ist besonders ein stattlicher Bau.

Die Tiroler, die nun einmal wenig von dem Fortisicationswesen verstehen, sind diesen neuen Erscheinungen, die so voll Kanonen mitten im Lande sitzen, nicht besonders geneigt. Es scheint sie das Geld zu reuen, das dafür ausgegeben worden, und sie meinen für die vielen Millionen, welche die Franzensveste aufgezehrt, hätte man nützlichere Dinge zu Stande bringen können, wie allenfalls die Regulirung der Etsch und dergleichen. Auch erinnern sie sich, daß das reguläre Militär in Tirol nie viel Glück gehabt, und sie vermuthen, vorkommenden Falls möchten sich da wieder mißliebige Begebenheiten einstellen. Man mag ihnen entgegenhalten, daß die Unternehmung nicht aus Landesmitteln durchgeführt worden sey und Tirol gar nichts dazu gegeben habe - gleichwohl kann man nicht an der Brixnerveste vorbeikommen ohne leise Seufzer zu hören über das schwere Geld, das dieser Bau gekostet.*)

Es ist bisher noch nicht gelungen, die Geschichte der tirolischen Stände bis auf ihre ersten Keime zurückzuführen. Ein oft angerufener Bundesbrief, den im Jahre 1323 am Sonntag nach Margarethen die Herren, Ritter und Knechte, Städte, Märkte, Gerichte und Thäler der Grafschaft zu Tirol und der Landschaft an der Etsch und in dem Innthale und der drei Bisthümer zu Trient, zu Chur und Brixen miteinander aufgerichtet haben sollen, wird deßwegen nicht für beweisend

*) Hier wäre auch des Gerichtswesens zu denken, doch wollen wir der Kürze wegen auf Staffler verweisen und auf den öfter erwähnten Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol, welcher eine ausführliche Statistik der frühern äußerst verwirrten und scheckigen Jurisdictionsverhältnisse gibt. Der landesfürstlichen Gerichte waren es siebenundfünfzig, der Patrimonialgerichte doppelt so viele, nämlich sechsunddreißig Pfandschaft-, siebenundvierzig Lehen- und einunddreißig Eigenthumsgerichte. Die bayerische Regierung suspendirte die Patrimonialgerichte und vereinfachte den Organismus. Oesterreich stellte jene wieder her, da sie aber allmählich sämmtlich heimgegeben wurden, so steht man jetzt so ziemlich wieder auf bayerischem Fuße.

durch Tirol suchen möchten, gänzlich zu verhüten. Die neue Franzensveste bei Brixen ist besonders ein stattlicher Bau.

Die Tiroler, die nun einmal wenig von dem Fortisicationswesen verstehen, sind diesen neuen Erscheinungen, die so voll Kanonen mitten im Lande sitzen, nicht besonders geneigt. Es scheint sie das Geld zu reuen, das dafür ausgegeben worden, und sie meinen für die vielen Millionen, welche die Franzensveste aufgezehrt, hätte man nützlichere Dinge zu Stande bringen können, wie allenfalls die Regulirung der Etsch und dergleichen. Auch erinnern sie sich, daß das reguläre Militär in Tirol nie viel Glück gehabt, und sie vermuthen, vorkommenden Falls möchten sich da wieder mißliebige Begebenheiten einstellen. Man mag ihnen entgegenhalten, daß die Unternehmung nicht aus Landesmitteln durchgeführt worden sey und Tirol gar nichts dazu gegeben habe – gleichwohl kann man nicht an der Brixnerveste vorbeikommen ohne leise Seufzer zu hören über das schwere Geld, das dieser Bau gekostet.*)

Es ist bisher noch nicht gelungen, die Geschichte der tirolischen Stände bis auf ihre ersten Keime zurückzuführen. Ein oft angerufener Bundesbrief, den im Jahre 1323 am Sonntag nach Margarethen die Herren, Ritter und Knechte, Städte, Märkte, Gerichte und Thäler der Grafschaft zu Tirol und der Landschaft an der Etsch und in dem Innthale und der drei Bisthümer zu Trient, zu Chur und Brixen miteinander aufgerichtet haben sollen, wird deßwegen nicht für beweisend

*) Hier wäre auch des Gerichtswesens zu denken, doch wollen wir der Kürze wegen auf Staffler verweisen und auf den öfter erwähnten Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol, welcher eine ausführliche Statistik der frühern äußerst verwirrten und scheckigen Jurisdictionsverhältnisse gibt. Der landesfürstlichen Gerichte waren es siebenundfünfzig, der Patrimonialgerichte doppelt so viele, nämlich sechsunddreißig Pfandschaft-, siebenundvierzig Lehen- und einunddreißig Eigenthumsgerichte. Die bayerische Regierung suspendirte die Patrimonialgerichte und vereinfachte den Organismus. Oesterreich stellte jene wieder her, da sie aber allmählich sämmtlich heimgegeben wurden, so steht man jetzt so ziemlich wieder auf bayerischem Fuße.
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[613/0617] durch Tirol suchen möchten, gänzlich zu verhüten. Die neue Franzensveste bei Brixen ist besonders ein stattlicher Bau. Die Tiroler, die nun einmal wenig von dem Fortisicationswesen verstehen, sind diesen neuen Erscheinungen, die so voll Kanonen mitten im Lande sitzen, nicht besonders geneigt. Es scheint sie das Geld zu reuen, das dafür ausgegeben worden, und sie meinen für die vielen Millionen, welche die Franzensveste aufgezehrt, hätte man nützlichere Dinge zu Stande bringen können, wie allenfalls die Regulirung der Etsch und dergleichen. Auch erinnern sie sich, daß das reguläre Militär in Tirol nie viel Glück gehabt, und sie vermuthen, vorkommenden Falls möchten sich da wieder mißliebige Begebenheiten einstellen. Man mag ihnen entgegenhalten, daß die Unternehmung nicht aus Landesmitteln durchgeführt worden sey und Tirol gar nichts dazu gegeben habe – gleichwohl kann man nicht an der Brixnerveste vorbeikommen ohne leise Seufzer zu hören über das schwere Geld, das dieser Bau gekostet. *) Es ist bisher noch nicht gelungen, die Geschichte der tirolischen Stände bis auf ihre ersten Keime zurückzuführen. Ein oft angerufener Bundesbrief, den im Jahre 1323 am Sonntag nach Margarethen die Herren, Ritter und Knechte, Städte, Märkte, Gerichte und Thäler der Grafschaft zu Tirol und der Landschaft an der Etsch und in dem Innthale und der drei Bisthümer zu Trient, zu Chur und Brixen miteinander aufgerichtet haben sollen, wird deßwegen nicht für beweisend *) Hier wäre auch des Gerichtswesens zu denken, doch wollen wir der Kürze wegen auf Staffler verweisen und auf den öfter erwähnten Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol, welcher eine ausführliche Statistik der frühern äußerst verwirrten und scheckigen Jurisdictionsverhältnisse gibt. Der landesfürstlichen Gerichte waren es siebenundfünfzig, der Patrimonialgerichte doppelt so viele, nämlich sechsunddreißig Pfandschaft-, siebenundvierzig Lehen- und einunddreißig Eigenthumsgerichte. Die bayerische Regierung suspendirte die Patrimonialgerichte und vereinfachte den Organismus. Oesterreich stellte jene wieder her, da sie aber allmählich sämmtlich heimgegeben wurden, so steht man jetzt so ziemlich wieder auf bayerischem Fuße.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/617>, abgerufen am 23.07.2024.