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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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St. Nothburg zu Eben, auf den Hainzenberg im Zillerthale oder auf die hohe Salve im Brixenthale. Beide Streiter erscheinen unfehlbar und wenn sie sich gegenseitig geprüft haben, schließen sie meistens bei eine Kanne Branntwein ein lebenslängliches Schutz- und Trutzbündniß. - Eine mildere Art, seine Kraft zu versuchen, ist das Hackeln, was darin besteht, daß sich zwei Mannsbilder mittelst der gekrümmten Mittelfinger der rechten Hand fassen und aus der gegenseitigen Stellung zu ziehen suchen. Es ist keine kleine Ehre für den besten Hackler der Gegend erachtet zu werden und manchmal trägt's auch etwas ein, denn es wird nicht selten um Kühe und Kälber und um beträchtliches Geld gewettet. - So lange übrigens im Gebirge gerauft wurde, und da, wo sich der Gebrauch erhalten hat, noch zur Zeit, galt und gilt die Hutzierde als das Symbol der Ansprüche, welche der Träger auf Muth, Tapferkeit und Leibesstärke macht. Ist einer zur Hand, der den Schmuck außer Verhältniß zur Mannheit des Helden findet, so fordert er ihn zum Kampfe. Unterliegt der Geforderte, so nimmt ihm der Sieger "Feder und Gamsbart" und pflanzt sie, als Helmdecke, auf den eigenen Filz. Daher die erste Strophe, die der bayerische Hiesel singt:

I bin der bayrisch' Hiesel
Und kein Jager hat kein Schneid,
Daß er mir Feder und Gamsbart
Vom Hütel abitheit.

"Die wachsende Schärfe der Polizeigesetze in den letztern Zeiten, sagt Strolz, und insbesondre die Verordnung, daß notorisch bekannte Raufer zum Militärdienst abgegeben werden sollen, hatte immerhin die Folge, daß Raufereien in unsern Tagen nicht mehr so häufig vorfallen, als ehedem, während in den achtziger Jahren die Robler noch häufig selbst in der Hauptstadt erschienen, um dort vor den Herrischen ihre Mannskraft zu zeigen - Auch auf die Kunst zu lieben (es spricht noch immer J. Strolz) versteht sich der Unterinnthaler und überhaupt der Tiroler so gut, als jeder andere Bewohner der Erde; nur unterliegt der erstere gewöhnlich mehr als seine übrigen Landsleute dem Fehler, dem priesterlichen Segen

St. Nothburg zu Eben, auf den Hainzenberg im Zillerthale oder auf die hohe Salve im Brixenthale. Beide Streiter erscheinen unfehlbar und wenn sie sich gegenseitig geprüft haben, schließen sie meistens bei eine Kanne Branntwein ein lebenslängliches Schutz- und Trutzbündniß. – Eine mildere Art, seine Kraft zu versuchen, ist das Hackeln, was darin besteht, daß sich zwei Mannsbilder mittelst der gekrümmten Mittelfinger der rechten Hand fassen und aus der gegenseitigen Stellung zu ziehen suchen. Es ist keine kleine Ehre für den besten Hackler der Gegend erachtet zu werden und manchmal trägt’s auch etwas ein, denn es wird nicht selten um Kühe und Kälber und um beträchtliches Geld gewettet. – So lange übrigens im Gebirge gerauft wurde, und da, wo sich der Gebrauch erhalten hat, noch zur Zeit, galt und gilt die Hutzierde als das Symbol der Ansprüche, welche der Träger auf Muth, Tapferkeit und Leibesstärke macht. Ist einer zur Hand, der den Schmuck außer Verhältniß zur Mannheit des Helden findet, so fordert er ihn zum Kampfe. Unterliegt der Geforderte, so nimmt ihm der Sieger „Feder und Gamsbart“ und pflanzt sie, als Helmdecke, auf den eigenen Filz. Daher die erste Strophe, die der bayerische Hiesel singt:

I bin der bayrisch’ Hiesel
Und kein Jager hat kein Schneid,
Daß er mir Feder und Gamsbart
Vom Hütel abitheit.

„Die wachsende Schärfe der Polizeigesetze in den letztern Zeiten, sagt Strolz, und insbesondre die Verordnung, daß notorisch bekannte Raufer zum Militärdienst abgegeben werden sollen, hatte immerhin die Folge, daß Raufereien in unsern Tagen nicht mehr so häufig vorfallen, als ehedem, während in den achtziger Jahren die Robler noch häufig selbst in der Hauptstadt erschienen, um dort vor den Herrischen ihre Mannskraft zu zeigen – Auch auf die Kunst zu lieben (es spricht noch immer J. Strolz) versteht sich der Unterinnthaler und überhaupt der Tiroler so gut, als jeder andere Bewohner der Erde; nur unterliegt der erstere gewöhnlich mehr als seine übrigen Landsleute dem Fehler, dem priesterlichen Segen

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[567/0571] St. Nothburg zu Eben, auf den Hainzenberg im Zillerthale oder auf die hohe Salve im Brixenthale. Beide Streiter erscheinen unfehlbar und wenn sie sich gegenseitig geprüft haben, schließen sie meistens bei eine Kanne Branntwein ein lebenslängliches Schutz- und Trutzbündniß. – Eine mildere Art, seine Kraft zu versuchen, ist das Hackeln, was darin besteht, daß sich zwei Mannsbilder mittelst der gekrümmten Mittelfinger der rechten Hand fassen und aus der gegenseitigen Stellung zu ziehen suchen. Es ist keine kleine Ehre für den besten Hackler der Gegend erachtet zu werden und manchmal trägt’s auch etwas ein, denn es wird nicht selten um Kühe und Kälber und um beträchtliches Geld gewettet. – So lange übrigens im Gebirge gerauft wurde, und da, wo sich der Gebrauch erhalten hat, noch zur Zeit, galt und gilt die Hutzierde als das Symbol der Ansprüche, welche der Träger auf Muth, Tapferkeit und Leibesstärke macht. Ist einer zur Hand, der den Schmuck außer Verhältniß zur Mannheit des Helden findet, so fordert er ihn zum Kampfe. Unterliegt der Geforderte, so nimmt ihm der Sieger „Feder und Gamsbart“ und pflanzt sie, als Helmdecke, auf den eigenen Filz. Daher die erste Strophe, die der bayerische Hiesel singt: I bin der bayrisch’ Hiesel Und kein Jager hat kein Schneid, Daß er mir Feder und Gamsbart Vom Hütel abitheit. „Die wachsende Schärfe der Polizeigesetze in den letztern Zeiten, sagt Strolz, und insbesondre die Verordnung, daß notorisch bekannte Raufer zum Militärdienst abgegeben werden sollen, hatte immerhin die Folge, daß Raufereien in unsern Tagen nicht mehr so häufig vorfallen, als ehedem, während in den achtziger Jahren die Robler noch häufig selbst in der Hauptstadt erschienen, um dort vor den Herrischen ihre Mannskraft zu zeigen – Auch auf die Kunst zu lieben (es spricht noch immer J. Strolz) versteht sich der Unterinnthaler und überhaupt der Tiroler so gut, als jeder andere Bewohner der Erde; nur unterliegt der erstere gewöhnlich mehr als seine übrigen Landsleute dem Fehler, dem priesterlichen Segen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/571>, abgerufen am 23.11.2024.