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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sie auf das Lied vom schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen, den eine schneeweiße Markgräfin liebt, ein Lied, das zwar mit dem Augenmaß der Schicklichkeit betrachtet, auch nicht ganz tadelfrei, aber sonst sehr lobenswerth ist. Es erfreut sich einer weiten Verbreitung in Tirol, denn die Bauern um Meran kennen es eben so wohl, als die Bergknappen am Heinzenberg. In des Knaben Wunderhorn ist dasselbe auch aufgenommen,*) doch erscheint dort ein Zimmergesell statt des schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen und außerdem fehlt es auch nicht an Verschiedenheiten im Texte.

Nach diesem wurden noch einige andere Gesänge vorgetragen, zumeist erotischen Inhalts, mitunter auch ziemlich schlüpfrig, was aber kaum geahnt zu werden schien, denn die Mädchen sangen sie so unbefangen heraus, wie eine tugendhafte Gnome, während mir nichts überblieb, als den Hut tiefer ins Gesicht zu drücken, wie das Maidele in Dux. Nachdem es der Lieder genug waren, fingen die Dirnen mit einander zu tanzen an, wozu der Bergknappe begleitende Schnaderhüpfel sang, und nach diesem ging ich mit leerem Tabaksbeutel, den die Jungen ausgeraucht, wieder nach Zell zurück.

Im Auslande ist man gewohnt, den Zillerthaler, den allbekannten Handschuhhändler, für den Typus des Tirolers zu nehmen, und da derselbe, wie die Rainer dargethan, liederkundig und gesanglustig ist, so gilt wohl auch ganz Tirol als ein Land wo alle Bergwände von Singen und Jodeln wiederhallen. Gleichwohl sind die meisten Thäler der Grafschaft so liederlos und gesangarm, als irgend eine Gegend in Deutschland. Gewiß war es einmal anders; zur Zeit aber findet das kecke Schnaderhüpfel nur noch im Zillerthal, im Unterinn- und Pusterthal sein ehrliches Fortkommen. Vielleicht ist ihm auch da keine Zukunft gegönnt und dann mag es nur etwa im bayerischen Gebirge, bei den Jachenauern, bei den Lenggrießern und den Schlierseeern noch fortleben. Diese kleinen Völkerschaften in den bayerischen Vorbergen haben ohnedem um die Pflege und Fortbildung des Alpengesanges

*) 2. Theil S. 236.

sie auf das Lied vom schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen, den eine schneeweiße Markgräfin liebt, ein Lied, das zwar mit dem Augenmaß der Schicklichkeit betrachtet, auch nicht ganz tadelfrei, aber sonst sehr lobenswerth ist. Es erfreut sich einer weiten Verbreitung in Tirol, denn die Bauern um Meran kennen es eben so wohl, als die Bergknappen am Heinzenberg. In des Knaben Wunderhorn ist dasselbe auch aufgenommen,*) doch erscheint dort ein Zimmergesell statt des schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen und außerdem fehlt es auch nicht an Verschiedenheiten im Texte.

Nach diesem wurden noch einige andere Gesänge vorgetragen, zumeist erotischen Inhalts, mitunter auch ziemlich schlüpfrig, was aber kaum geahnt zu werden schien, denn die Mädchen sangen sie so unbefangen heraus, wie eine tugendhafte Gnome, während mir nichts überblieb, als den Hut tiefer ins Gesicht zu drücken, wie das Maidele in Dux. Nachdem es der Lieder genug waren, fingen die Dirnen mit einander zu tanzen an, wozu der Bergknappe begleitende Schnaderhüpfel sang, und nach diesem ging ich mit leerem Tabaksbeutel, den die Jungen ausgeraucht, wieder nach Zell zurück.

Im Auslande ist man gewohnt, den Zillerthaler, den allbekannten Handschuhhändler, für den Typus des Tirolers zu nehmen, und da derselbe, wie die Rainer dargethan, liederkundig und gesanglustig ist, so gilt wohl auch ganz Tirol als ein Land wo alle Bergwände von Singen und Jodeln wiederhallen. Gleichwohl sind die meisten Thäler der Grafschaft so liederlos und gesangarm, als irgend eine Gegend in Deutschland. Gewiß war es einmal anders; zur Zeit aber findet das kecke Schnaderhüpfel nur noch im Zillerthal, im Unterinn- und Pusterthal sein ehrliches Fortkommen. Vielleicht ist ihm auch da keine Zukunft gegönnt und dann mag es nur etwa im bayerischen Gebirge, bei den Jachenauern, bei den Lenggrießern und den Schlierseeern noch fortleben. Diese kleinen Völkerschaften in den bayerischen Vorbergen haben ohnedem um die Pflege und Fortbildung des Alpengesanges

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[560/0564] sie auf das Lied vom schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen, den eine schneeweiße Markgräfin liebt, ein Lied, das zwar mit dem Augenmaß der Schicklichkeit betrachtet, auch nicht ganz tadelfrei, aber sonst sehr lobenswerth ist. Es erfreut sich einer weiten Verbreitung in Tirol, denn die Bauern um Meran kennen es eben so wohl, als die Bergknappen am Heinzenberg. In des Knaben Wunderhorn ist dasselbe auch aufgenommen, *) doch erscheint dort ein Zimmergesell statt des schwarzbraunen Engelschmiedsgesellen und außerdem fehlt es auch nicht an Verschiedenheiten im Texte. Nach diesem wurden noch einige andere Gesänge vorgetragen, zumeist erotischen Inhalts, mitunter auch ziemlich schlüpfrig, was aber kaum geahnt zu werden schien, denn die Mädchen sangen sie so unbefangen heraus, wie eine tugendhafte Gnome, während mir nichts überblieb, als den Hut tiefer ins Gesicht zu drücken, wie das Maidele in Dux. Nachdem es der Lieder genug waren, fingen die Dirnen mit einander zu tanzen an, wozu der Bergknappe begleitende Schnaderhüpfel sang, und nach diesem ging ich mit leerem Tabaksbeutel, den die Jungen ausgeraucht, wieder nach Zell zurück. Im Auslande ist man gewohnt, den Zillerthaler, den allbekannten Handschuhhändler, für den Typus des Tirolers zu nehmen, und da derselbe, wie die Rainer dargethan, liederkundig und gesanglustig ist, so gilt wohl auch ganz Tirol als ein Land wo alle Bergwände von Singen und Jodeln wiederhallen. Gleichwohl sind die meisten Thäler der Grafschaft so liederlos und gesangarm, als irgend eine Gegend in Deutschland. Gewiß war es einmal anders; zur Zeit aber findet das kecke Schnaderhüpfel nur noch im Zillerthal, im Unterinn- und Pusterthal sein ehrliches Fortkommen. Vielleicht ist ihm auch da keine Zukunft gegönnt und dann mag es nur etwa im bayerischen Gebirge, bei den Jachenauern, bei den Lenggrießern und den Schlierseeern noch fortleben. Diese kleinen Völkerschaften in den bayerischen Vorbergen haben ohnedem um die Pflege und Fortbildung des Alpengesanges *) 2. Theil S. 236.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/564>, abgerufen am 23.11.2024.