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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zur selben Zeit auch einen sehr schwäbischen Maler von Constanz für einen Mecklenburger nahmen. Als ich nun meinen neuen Freund nicht ohne Mühe überzeugt hatte, daß ich die angemuthete Landsmannschaft ablehnen müsse, ließ er mir keinen Frieden bis ich ihm sagte, wo ich wirklich geboren, und dieß ist zu Aicha in Oberbayern. Darauf zeigte er, daß er in diesem Städtchen sich ausgedehnte Bekanntschaften erworben und mit Beamten und Bürgersleuten als wandernder Händler viel Verkehr gehabt habe - mich aber hieß er von jetzt an ganz freiwillig den Herrn Assessor von Aicha, womit mir Unwürdigem aber auch wieder zu viele Ehre widerfahren. Nunmehr hob es indessen erst recht an mit den Erzählungen von der Schlacht bei Hanau und der Belagerung von Hüningen und andern Schlachten in Frankreich und von seinem Leben als bayerischer Chevauleger zur schönen Kriegszeit. Und dann begann er fast in rührender Weise seine Dankbarkeit zu äußern gegen den General Hugenpoet, seinen Obersten und gegen den General Von der Mark, seinen ehemaligen Rittmeister, den er lieber habe als alles auf der Erde mit Ausnahme seines neben ihm sitzenden Weibes, der ihm des Jahres einmal und dem er des Jahres zweimal schreibe, weil der Mindere doch immer mehr zu thun habe, als der Höhere und der aus ihm, einem lesensunkundigen, rohen Burschen einen so tüchtigen Mann gemacht. Ja, mein lieber Herr Assessor! sagte der Nußbaumseppl, die Behandlung macht alles, gar alles! und mit seiner Behandlung hat mich mein lieber Herr Rittmeister zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dann brachte er ein munteres Hoch aus auf seine ehemaligen Vorgesetzten und auf die bayerische Armee in der Kriegszeit. Ich muß gestehen, daß mir bei so viel Aehnlichkeit im Wesen auch die Kremnitzer Ducaten einfielen, die weiland der Hoftiroler für seine süßen Sprüche zu erhalten gewohnt war, aber ich hatte mich dieses Verdachtes nur zu schämen, denn der Nußbaumseppl will sich nichts verdienen mit seinen Reden. Auch erfuhr ich gleich hernach, daß er ein wohlstehender, seiner Ehrlichkeit wegen geachteter Mann sey, dem die Nachbarn nichts zur Last legen, als daß er etwas

zur selben Zeit auch einen sehr schwäbischen Maler von Constanz für einen Mecklenburger nahmen. Als ich nun meinen neuen Freund nicht ohne Mühe überzeugt hatte, daß ich die angemuthete Landsmannschaft ablehnen müsse, ließ er mir keinen Frieden bis ich ihm sagte, wo ich wirklich geboren, und dieß ist zu Aicha in Oberbayern. Darauf zeigte er, daß er in diesem Städtchen sich ausgedehnte Bekanntschaften erworben und mit Beamten und Bürgersleuten als wandernder Händler viel Verkehr gehabt habe – mich aber hieß er von jetzt an ganz freiwillig den Herrn Assessor von Aicha, womit mir Unwürdigem aber auch wieder zu viele Ehre widerfahren. Nunmehr hob es indessen erst recht an mit den Erzählungen von der Schlacht bei Hanau und der Belagerung von Hüningen und andern Schlachten in Frankreich und von seinem Leben als bayerischer Chevauleger zur schönen Kriegszeit. Und dann begann er fast in rührender Weise seine Dankbarkeit zu äußern gegen den General Hugenpoet, seinen Obersten und gegen den General Von der Mark, seinen ehemaligen Rittmeister, den er lieber habe als alles auf der Erde mit Ausnahme seines neben ihm sitzenden Weibes, der ihm des Jahres einmal und dem er des Jahres zweimal schreibe, weil der Mindere doch immer mehr zu thun habe, als der Höhere und der aus ihm, einem lesensunkundigen, rohen Burschen einen so tüchtigen Mann gemacht. Ja, mein lieber Herr Assessor! sagte der Nußbaumseppl, die Behandlung macht alles, gar alles! und mit seiner Behandlung hat mich mein lieber Herr Rittmeister zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dann brachte er ein munteres Hoch aus auf seine ehemaligen Vorgesetzten und auf die bayerische Armee in der Kriegszeit. Ich muß gestehen, daß mir bei so viel Aehnlichkeit im Wesen auch die Kremnitzer Ducaten einfielen, die weiland der Hoftiroler für seine süßen Sprüche zu erhalten gewohnt war, aber ich hatte mich dieses Verdachtes nur zu schämen, denn der Nußbaumseppl will sich nichts verdienen mit seinen Reden. Auch erfuhr ich gleich hernach, daß er ein wohlstehender, seiner Ehrlichkeit wegen geachteter Mann sey, dem die Nachbarn nichts zur Last legen, als daß er etwas

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zur selben Zeit auch einen sehr schwäbischen Maler von Constanz für einen Mecklenburger nahmen. Als ich nun meinen neuen Freund nicht ohne Mühe überzeugt hatte, daß ich die angemuthete Landsmannschaft ablehnen müsse, ließ er mir keinen Frieden bis ich ihm sagte, wo ich wirklich geboren, und dieß ist zu Aicha in Oberbayern. Darauf zeigte er, daß er in diesem Städtchen sich ausgedehnte Bekanntschaften erworben und mit Beamten und Bürgersleuten als wandernder Händler viel Verkehr gehabt habe &#x2013; mich aber hieß er von jetzt an ganz freiwillig den Herrn Assessor von Aicha, womit mir Unwürdigem aber auch wieder zu viele Ehre widerfahren. Nunmehr hob es indessen erst recht an mit den Erzählungen von der Schlacht bei Hanau und der Belagerung von Hüningen und andern Schlachten in Frankreich und von seinem Leben als bayerischer Chevauleger zur schönen Kriegszeit. Und dann begann er fast in rührender Weise seine Dankbarkeit zu äußern gegen den General Hugenpoet, seinen Obersten und gegen den General Von der Mark, seinen ehemaligen Rittmeister, den er lieber habe als alles auf der Erde mit Ausnahme seines neben ihm sitzenden Weibes, der ihm des Jahres einmal und dem er des Jahres zweimal schreibe, weil der Mindere doch immer mehr zu thun habe, als der Höhere und der aus ihm, einem lesensunkundigen, rohen Burschen einen so tüchtigen Mann gemacht. Ja, mein lieber Herr Assessor! sagte der Nußbaumseppl, die Behandlung macht alles, gar alles! und mit seiner Behandlung hat mich mein lieber Herr Rittmeister zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dann brachte er ein munteres Hoch aus auf seine ehemaligen Vorgesetzten und auf die bayerische Armee in der Kriegszeit. Ich muß gestehen, daß mir bei so viel Aehnlichkeit im Wesen auch die Kremnitzer Ducaten einfielen, die weiland der Hoftiroler für seine süßen Sprüche zu erhalten gewohnt war, aber ich hatte mich dieses Verdachtes nur zu schämen, denn der Nußbaumseppl will sich nichts verdienen mit seinen Reden. Auch erfuhr ich gleich hernach, daß er ein wohlstehender, seiner Ehrlichkeit wegen geachteter Mann sey, dem die Nachbarn nichts zur Last legen, als daß er etwas
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[555/0559] zur selben Zeit auch einen sehr schwäbischen Maler von Constanz für einen Mecklenburger nahmen. Als ich nun meinen neuen Freund nicht ohne Mühe überzeugt hatte, daß ich die angemuthete Landsmannschaft ablehnen müsse, ließ er mir keinen Frieden bis ich ihm sagte, wo ich wirklich geboren, und dieß ist zu Aicha in Oberbayern. Darauf zeigte er, daß er in diesem Städtchen sich ausgedehnte Bekanntschaften erworben und mit Beamten und Bürgersleuten als wandernder Händler viel Verkehr gehabt habe – mich aber hieß er von jetzt an ganz freiwillig den Herrn Assessor von Aicha, womit mir Unwürdigem aber auch wieder zu viele Ehre widerfahren. Nunmehr hob es indessen erst recht an mit den Erzählungen von der Schlacht bei Hanau und der Belagerung von Hüningen und andern Schlachten in Frankreich und von seinem Leben als bayerischer Chevauleger zur schönen Kriegszeit. Und dann begann er fast in rührender Weise seine Dankbarkeit zu äußern gegen den General Hugenpoet, seinen Obersten und gegen den General Von der Mark, seinen ehemaligen Rittmeister, den er lieber habe als alles auf der Erde mit Ausnahme seines neben ihm sitzenden Weibes, der ihm des Jahres einmal und dem er des Jahres zweimal schreibe, weil der Mindere doch immer mehr zu thun habe, als der Höhere und der aus ihm, einem lesensunkundigen, rohen Burschen einen so tüchtigen Mann gemacht. Ja, mein lieber Herr Assessor! sagte der Nußbaumseppl, die Behandlung macht alles, gar alles! und mit seiner Behandlung hat mich mein lieber Herr Rittmeister zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Dann brachte er ein munteres Hoch aus auf seine ehemaligen Vorgesetzten und auf die bayerische Armee in der Kriegszeit. Ich muß gestehen, daß mir bei so viel Aehnlichkeit im Wesen auch die Kremnitzer Ducaten einfielen, die weiland der Hoftiroler für seine süßen Sprüche zu erhalten gewohnt war, aber ich hatte mich dieses Verdachtes nur zu schämen, denn der Nußbaumseppl will sich nichts verdienen mit seinen Reden. Auch erfuhr ich gleich hernach, daß er ein wohlstehender, seiner Ehrlichkeit wegen geachteter Mann sey, dem die Nachbarn nichts zur Last legen, als daß er etwas

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/559>, abgerufen am 23.11.2024.