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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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voller Galla und standen in zwei Reihen, mit ihren Fahnen und ihren Spielleuten zumeist Partschinsern, welchen der Herr v. Goldegg die schönen Instrumente angeschafft und so durch seine Opfer eine wohlgeübte Dorfbande hergestellt hat. Etliche "Herrische" waren auch darunter, die man an den weißen Knien erkannte, denn die Bauern haben braune. Neben allen diesen machten aber drei Männer einen absonderlichen Eindruck, drei alte verwitterte Kriegsmusikanten, zwei Schwegler und ein Trommler. Der eine der Schwegler, so ungefähr der wichtigste von den dreien, hatte die Zeit, wo er eine gute Hose besessen, schon lange hinter sich und mußte daher willkommen seyn, obgleich er eine sehr abgeschabene trug. Der Trommler, der Mayer von Verdigen, spielte auf einer französischen Trommel, die er selbst erbeutet. Wenn er anhob mit seinen zitternden Händen die Schlegel zu rühren, dann ließ er das Haupt fast bis auf das Trommelfell sinken, so daß nur der ungeheure schwarze Hut zu sehen war, unter dem er sich lauschend versteckt hielt, gleichsam abgezogen von der Mitwelt und nur begierig, die alten, seltsamen Töne in nächster Nähe einzuschlürfen. Der Dritte schmächtige stand hinter den beiden und blies verschämt, nur stellenweise sichtbar, auf seiner Schwegel. Es war ein sehr wehmüthiges Schauspiel, wenn die rauschende Blechmusik aufgehört hatte, und der hüpfende Kriegsmarsch von Anno Neune begann. Dann wendete sich der schäbige Vorschwegler aufmunternd der Trommel zu, den Fuß mit schwerem Schuhe zum Tactschlage hoch erhebend und der Andre versank träumerisch in den summenden Wirbel und der Dritte blies in schüchternem Verstecke geschäftig seine Weise. Die leichtfertige Jugend lachte zwar wie sich die drei Musikanten so abmühten und doch nichts Rechtes zu Wege brachten, aber den Alten mag es durch den Kopf gegangen seyn wie ein vergessener Traum von Kriegsgeschrei und Blut und Brand.

Die Oficiere der Schützencompagnien sind größtentheils noch lauter bewährte Männer aus den Kriegszeiten. Sie werden durch eine andre Farbe des Hutes oder durch einen Federbusch kenntlich. Manchmal sieht man sie mit ausländischen

voller Galla und standen in zwei Reihen, mit ihren Fahnen und ihren Spielleuten zumeist Partschinsern, welchen der Herr v. Goldegg die schönen Instrumente angeschafft und so durch seine Opfer eine wohlgeübte Dorfbande hergestellt hat. Etliche „Herrische“ waren auch darunter, die man an den weißen Knien erkannte, denn die Bauern haben braune. Neben allen diesen machten aber drei Männer einen absonderlichen Eindruck, drei alte verwitterte Kriegsmusikanten, zwei Schwegler und ein Trommler. Der eine der Schwegler, so ungefähr der wichtigste von den dreien, hatte die Zeit, wo er eine gute Hose besessen, schon lange hinter sich und mußte daher willkommen seyn, obgleich er eine sehr abgeschabene trug. Der Trommler, der Mayer von Verdigen, spielte auf einer französischen Trommel, die er selbst erbeutet. Wenn er anhob mit seinen zitternden Händen die Schlegel zu rühren, dann ließ er das Haupt fast bis auf das Trommelfell sinken, so daß nur der ungeheure schwarze Hut zu sehen war, unter dem er sich lauschend versteckt hielt, gleichsam abgezogen von der Mitwelt und nur begierig, die alten, seltsamen Töne in nächster Nähe einzuschlürfen. Der Dritte schmächtige stand hinter den beiden und blies verschämt, nur stellenweise sichtbar, auf seiner Schwegel. Es war ein sehr wehmüthiges Schauspiel, wenn die rauschende Blechmusik aufgehört hatte, und der hüpfende Kriegsmarsch von Anno Neune begann. Dann wendete sich der schäbige Vorschwegler aufmunternd der Trommel zu, den Fuß mit schwerem Schuhe zum Tactschlage hoch erhebend und der Andre versank träumerisch in den summenden Wirbel und der Dritte blies in schüchternem Verstecke geschäftig seine Weise. Die leichtfertige Jugend lachte zwar wie sich die drei Musikanten so abmühten und doch nichts Rechtes zu Wege brachten, aber den Alten mag es durch den Kopf gegangen seyn wie ein vergessener Traum von Kriegsgeschrei und Blut und Brand.

Die Oficiere der Schützencompagnien sind größtentheils noch lauter bewährte Männer aus den Kriegszeiten. Sie werden durch eine andre Farbe des Hutes oder durch einen Federbusch kenntlich. Manchmal sieht man sie mit ausländischen

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[545/0549] voller Galla und standen in zwei Reihen, mit ihren Fahnen und ihren Spielleuten zumeist Partschinsern, welchen der Herr v. Goldegg die schönen Instrumente angeschafft und so durch seine Opfer eine wohlgeübte Dorfbande hergestellt hat. Etliche „Herrische“ waren auch darunter, die man an den weißen Knien erkannte, denn die Bauern haben braune. Neben allen diesen machten aber drei Männer einen absonderlichen Eindruck, drei alte verwitterte Kriegsmusikanten, zwei Schwegler und ein Trommler. Der eine der Schwegler, so ungefähr der wichtigste von den dreien, hatte die Zeit, wo er eine gute Hose besessen, schon lange hinter sich und mußte daher willkommen seyn, obgleich er eine sehr abgeschabene trug. Der Trommler, der Mayer von Verdigen, spielte auf einer französischen Trommel, die er selbst erbeutet. Wenn er anhob mit seinen zitternden Händen die Schlegel zu rühren, dann ließ er das Haupt fast bis auf das Trommelfell sinken, so daß nur der ungeheure schwarze Hut zu sehen war, unter dem er sich lauschend versteckt hielt, gleichsam abgezogen von der Mitwelt und nur begierig, die alten, seltsamen Töne in nächster Nähe einzuschlürfen. Der Dritte schmächtige stand hinter den beiden und blies verschämt, nur stellenweise sichtbar, auf seiner Schwegel. Es war ein sehr wehmüthiges Schauspiel, wenn die rauschende Blechmusik aufgehört hatte, und der hüpfende Kriegsmarsch von Anno Neune begann. Dann wendete sich der schäbige Vorschwegler aufmunternd der Trommel zu, den Fuß mit schwerem Schuhe zum Tactschlage hoch erhebend und der Andre versank träumerisch in den summenden Wirbel und der Dritte blies in schüchternem Verstecke geschäftig seine Weise. Die leichtfertige Jugend lachte zwar wie sich die drei Musikanten so abmühten und doch nichts Rechtes zu Wege brachten, aber den Alten mag es durch den Kopf gegangen seyn wie ein vergessener Traum von Kriegsgeschrei und Blut und Brand. Die Oficiere der Schützencompagnien sind größtentheils noch lauter bewährte Männer aus den Kriegszeiten. Sie werden durch eine andre Farbe des Hutes oder durch einen Federbusch kenntlich. Manchmal sieht man sie mit ausländischen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/549>, abgerufen am 23.11.2024.