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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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welche die nur ihnen bestimmten Schnurren für seine alltägliche Laune halten.

Andern Tages auf dem Wege nach Fügen, das fast am Ende des Thales liegt, bekam ich das Gelände von Anfang bis zum Ausgang zu sehen und fand daß es sehr freundlich und mild ist, wohlbebaut und fruchtbar. Mäßig erscheinende Höhen - denn die hohen Jöcher liegen außer dem Gesichte - bis oben hinauf mit Wald bewachsen, der an vielen Stellen gelichtet ist, um Weiden und Ansiedlungen Platz zu machen, unten eine breite grüne Thalflur mit schönen Dörfern, aus denen spitze Thürme ragen, mitten durch der Zillerbach mit reichem Uferschmuck schöner Erlenauen; aber keine Wasserfälle, keine Lahnen, keine Schrofen, keine Schlösser und keine Burgruinen; nur im fernen Hintergrunde als einzige, aber sehr ernste Großartigkeit ein ragendes Gletschergebirge. So ist jeder Punkt für sich sehr schön; der ganze Zug aber von Mayrhofen bis Fügen oder Schlitters sich selbst zu ähnlich, um dem Durchwandernden nicht hin und wieder etwas einförmig vorzukommen.

Fügen ist ein großes, unregelmäßig durcheinandergestelltes Dorf von achthundert Einwohnern, mit einem stattlichen Schlosse, das ehemals den Grafen von Fügen gehörte. Als zweiter Ort im Zillerthale hat es immerhin seine landschaftliche Bedeutung, ist auch der Sitz eines Landgerichtes, doch ärgert es die Fügener, daß man den Spruch: Es gibt nur ein Fügen und ein Wien in der Welt - schon öfter gedruckt hat, und sie behaupten, ihre Eitelkeit sey nie so weit gestiegen, diese Nebeneinanderstellung im Ernste gut zu heißen. Es mag wohl damit dieselbe Bewandtniß haben, wie mit dem andern Gedächtnißverse:

Stuhlfelden ist sich selber gleich,
Mittersill gar ein Königreich -

welchen die Pinzgauer verfertiget haben, aber nur um selbst darüber zu lachen. Berühmt ist die große Aussicht auf dem Kellerjoche, das sich über Fügen erhebt und gewöhnlich von diesem Dorfe aus bestiegen wird.

welche die nur ihnen bestimmten Schnurren für seine alltägliche Laune halten.

Andern Tages auf dem Wege nach Fügen, das fast am Ende des Thales liegt, bekam ich das Gelände von Anfang bis zum Ausgang zu sehen und fand daß es sehr freundlich und mild ist, wohlbebaut und fruchtbar. Mäßig erscheinende Höhen – denn die hohen Jöcher liegen außer dem Gesichte – bis oben hinauf mit Wald bewachsen, der an vielen Stellen gelichtet ist, um Weiden und Ansiedlungen Platz zu machen, unten eine breite grüne Thalflur mit schönen Dörfern, aus denen spitze Thürme ragen, mitten durch der Zillerbach mit reichem Uferschmuck schöner Erlenauen; aber keine Wasserfälle, keine Lahnen, keine Schrofen, keine Schlösser und keine Burgruinen; nur im fernen Hintergrunde als einzige, aber sehr ernste Großartigkeit ein ragendes Gletschergebirge. So ist jeder Punkt für sich sehr schön; der ganze Zug aber von Mayrhofen bis Fügen oder Schlitters sich selbst zu ähnlich, um dem Durchwandernden nicht hin und wieder etwas einförmig vorzukommen.

Fügen ist ein großes, unregelmäßig durcheinandergestelltes Dorf von achthundert Einwohnern, mit einem stattlichen Schlosse, das ehemals den Grafen von Fügen gehörte. Als zweiter Ort im Zillerthale hat es immerhin seine landschaftliche Bedeutung, ist auch der Sitz eines Landgerichtes, doch ärgert es die Fügener, daß man den Spruch: Es gibt nur ein Fügen und ein Wien in der Welt – schon öfter gedruckt hat, und sie behaupten, ihre Eitelkeit sey nie so weit gestiegen, diese Nebeneinanderstellung im Ernste gut zu heißen. Es mag wohl damit dieselbe Bewandtniß haben, wie mit dem andern Gedächtnißverse:

Stuhlfelden ist sich selber gleich,
Mittersill gar ein Königreich –

welchen die Pinzgauer verfertiget haben, aber nur um selbst darüber zu lachen. Berühmt ist die große Aussicht auf dem Kellerjoche, das sich über Fügen erhebt und gewöhnlich von diesem Dorfe aus bestiegen wird.

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[538/0542] welche die nur ihnen bestimmten Schnurren für seine alltägliche Laune halten. Andern Tages auf dem Wege nach Fügen, das fast am Ende des Thales liegt, bekam ich das Gelände von Anfang bis zum Ausgang zu sehen und fand daß es sehr freundlich und mild ist, wohlbebaut und fruchtbar. Mäßig erscheinende Höhen – denn die hohen Jöcher liegen außer dem Gesichte – bis oben hinauf mit Wald bewachsen, der an vielen Stellen gelichtet ist, um Weiden und Ansiedlungen Platz zu machen, unten eine breite grüne Thalflur mit schönen Dörfern, aus denen spitze Thürme ragen, mitten durch der Zillerbach mit reichem Uferschmuck schöner Erlenauen; aber keine Wasserfälle, keine Lahnen, keine Schrofen, keine Schlösser und keine Burgruinen; nur im fernen Hintergrunde als einzige, aber sehr ernste Großartigkeit ein ragendes Gletschergebirge. So ist jeder Punkt für sich sehr schön; der ganze Zug aber von Mayrhofen bis Fügen oder Schlitters sich selbst zu ähnlich, um dem Durchwandernden nicht hin und wieder etwas einförmig vorzukommen. Fügen ist ein großes, unregelmäßig durcheinandergestelltes Dorf von achthundert Einwohnern, mit einem stattlichen Schlosse, das ehemals den Grafen von Fügen gehörte. Als zweiter Ort im Zillerthale hat es immerhin seine landschaftliche Bedeutung, ist auch der Sitz eines Landgerichtes, doch ärgert es die Fügener, daß man den Spruch: Es gibt nur ein Fügen und ein Wien in der Welt – schon öfter gedruckt hat, und sie behaupten, ihre Eitelkeit sey nie so weit gestiegen, diese Nebeneinanderstellung im Ernste gut zu heißen. Es mag wohl damit dieselbe Bewandtniß haben, wie mit dem andern Gedächtnißverse: Stuhlfelden ist sich selber gleich, Mittersill gar ein Königreich – welchen die Pinzgauer verfertiget haben, aber nur um selbst darüber zu lachen. Berühmt ist die große Aussicht auf dem Kellerjoche, das sich über Fügen erhebt und gewöhnlich von diesem Dorfe aus bestiegen wird.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/542>, abgerufen am 23.11.2024.