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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Weise habe, Gedanken und Worte aber sind nicht mehr ganz alpenrein, zeigen vielmehr deutliche Spuren von Lectüre. Damit übrigens der Leser selber urtheilen könne, wie die Schullehrer zu Finkenberg dichten, so mögen hier etliche Strophen folgen:

Und am Morgen, wenn der Alpenvogel schreit,
Steh' ich auf und treib' die Kühheerd' auf die Weid',
Und die Heerdenglocken schallen fort und fort,
Und die Sonne glänzt am kühlen Ferner dort.
Lustig ists auf dem Hochalmträt *)
Wenn die Kühe so brüllen und die Sonn' aufgeht.
Und wenn einmal der Herbst und Sanct Mlcheli kimmt,
Wo der Melcher von der Alm den Abschied nimmt,
Steck' ich meinen Rautenstrauß auf meinen Hut,
Fahr' durchs Thal voran, daß 's Kling, Klang thut.
Leb' nun den Winter wohl, Hochalmenträt!
Ich geh' jetzt ge schau'n, wie's den Heimerlen geht.
Wenn ich komme dann in meiner Heimath an,
Begegnen mir die feinen, lieben Heimer schon.
Gott grüß euch all', ihr guten, lieben Heimer mein!
Auf der Almen oben, da war's fein.
Wie geht das Leben euch, seyd ihr wohl g'sund?
Ich hab' wohl herunter denkt schier alle Stund.

Nachdem ich das Lied aufgeschrieben hatte, nahm ich bei Maidele Abschied, wobei ich freundlich eingeladen wurde, das nächste Jahr wieder zu kommen. Auf Wiedersehen sagte sie, hat es aber nicht gehalten. Unter dessen war Resele beschäftigt gewesen, mir einen Rautenstrauß auf den Hut zu heften, und der Wirth belehrte mich, das sey das edelste und vornehmste Gewächs, welches nur mit der größten Lebensgefahr von den unersteiglichsten Schrofen könne herunter geholt und seiner besondern Eigenschaften willen müsse aufs höchste geschätzt werden. Allbereits nickte der Rautenstrauß, der sammt der Wurzel angenäht war, hoffnungsgrün vom Strohhut und nun sagte ich mein B'hüt Gott den besten Wirthsleuten schier, die ich in Tirol getroffen, und nahm Abschied von Jörgel, Seppel, Resele, so wie auch von der Mutter

*) Trät ist der freie Platz vor der Sennhütte.

Weise habe, Gedanken und Worte aber sind nicht mehr ganz alpenrein, zeigen vielmehr deutliche Spuren von Lectüre. Damit übrigens der Leser selber urtheilen könne, wie die Schullehrer zu Finkenberg dichten, so mögen hier etliche Strophen folgen:

Und am Morgen, wenn der Alpenvogel schreit,
Steh’ ich auf und treib’ die Kühheerd’ auf die Weid’,
Und die Heerdenglocken schallen fort und fort,
Und die Sonne glänzt am kühlen Ferner dort.
     Lustig ists auf dem Hochalmträt *)
     Wenn die Kühe so brüllen und die Sonn’ aufgeht.
Und wenn einmal der Herbst und Sanct Mlcheli kimmt,
Wo der Melcher von der Alm den Abschied nimmt,
Steck’ ich meinen Rautenstrauß auf meinen Hut,
Fahr’ durchs Thal voran, daß ’s Kling, Klang thut.
     Leb’ nun den Winter wohl, Hochalmenträt!
     Ich geh’ jetzt ge schau’n, wie’s den Heimerlen geht.
Wenn ich komme dann in meiner Heimath an,
Begegnen mir die feinen, lieben Heimer schon.
Gott grüß euch all’, ihr guten, lieben Heimer mein!
Auf der Almen oben, da war’s fein.
     Wie geht das Leben euch, seyd ihr wohl g’sund?
     Ich hab’ wohl herunter denkt schier alle Stund.

Nachdem ich das Lied aufgeschrieben hatte, nahm ich bei Maidele Abschied, wobei ich freundlich eingeladen wurde, das nächste Jahr wieder zu kommen. Auf Wiedersehen sagte sie, hat es aber nicht gehalten. Unter dessen war Resele beschäftigt gewesen, mir einen Rautenstrauß auf den Hut zu heften, und der Wirth belehrte mich, das sey das edelste und vornehmste Gewächs, welches nur mit der größten Lebensgefahr von den unersteiglichsten Schrofen könne herunter geholt und seiner besondern Eigenschaften willen müsse aufs höchste geschätzt werden. Allbereits nickte der Rautenstrauß, der sammt der Wurzel angenäht war, hoffnungsgrün vom Strohhut und nun sagte ich mein B’hüt Gott den besten Wirthsleuten schier, die ich in Tirol getroffen, und nahm Abschied von Jörgel, Seppel, Resele, so wie auch von der Mutter

*) Trät ist der freie Platz vor der Sennhütte.
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[532/0536] Weise habe, Gedanken und Worte aber sind nicht mehr ganz alpenrein, zeigen vielmehr deutliche Spuren von Lectüre. Damit übrigens der Leser selber urtheilen könne, wie die Schullehrer zu Finkenberg dichten, so mögen hier etliche Strophen folgen: Und am Morgen, wenn der Alpenvogel schreit, Steh’ ich auf und treib’ die Kühheerd’ auf die Weid’, Und die Heerdenglocken schallen fort und fort, Und die Sonne glänzt am kühlen Ferner dort.      Lustig ists auf dem Hochalmträt *)      Wenn die Kühe so brüllen und die Sonn’ aufgeht. Und wenn einmal der Herbst und Sanct Mlcheli kimmt, Wo der Melcher von der Alm den Abschied nimmt, Steck’ ich meinen Rautenstrauß auf meinen Hut, Fahr’ durchs Thal voran, daß ’s Kling, Klang thut.      Leb’ nun den Winter wohl, Hochalmenträt!      Ich geh’ jetzt ge schau’n, wie’s den Heimerlen geht. Wenn ich komme dann in meiner Heimath an, Begegnen mir die feinen, lieben Heimer schon. Gott grüß euch all’, ihr guten, lieben Heimer mein! Auf der Almen oben, da war’s fein.      Wie geht das Leben euch, seyd ihr wohl g’sund?      Ich hab’ wohl herunter denkt schier alle Stund. Nachdem ich das Lied aufgeschrieben hatte, nahm ich bei Maidele Abschied, wobei ich freundlich eingeladen wurde, das nächste Jahr wieder zu kommen. Auf Wiedersehen sagte sie, hat es aber nicht gehalten. Unter dessen war Resele beschäftigt gewesen, mir einen Rautenstrauß auf den Hut zu heften, und der Wirth belehrte mich, das sey das edelste und vornehmste Gewächs, welches nur mit der größten Lebensgefahr von den unersteiglichsten Schrofen könne herunter geholt und seiner besondern Eigenschaften willen müsse aufs höchste geschätzt werden. Allbereits nickte der Rautenstrauß, der sammt der Wurzel angenäht war, hoffnungsgrün vom Strohhut und nun sagte ich mein B’hüt Gott den besten Wirthsleuten schier, die ich in Tirol getroffen, und nahm Abschied von Jörgel, Seppel, Resele, so wie auch von der Mutter *) Trät ist der freie Platz vor der Sennhütte.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/536>, abgerufen am 23.11.2024.