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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Knecht und Dirne seine Liegerstätte an und Einbrennsuppe, Plentenknödel und Türkenribel ißt er Tag für Tag abwechselnd bei den Bauern. Etwas unbequem wird die Stellung, wenn sich etwa ein halbherrischer Junge, allenfalls ein armer Bürgerssohn aus der Stadt in diese Ländlichkeit verirrt hat. Man hört dann manche stille Klage, wie schwer sich mit der Rohheit und den Vorurtheilen der Bauern abzufinden sey, wie der Schulmeister immer die Herren beim Landgericht zu vertheidigen habe, wenn sie etwas verordnen, was den Aelpler ärgert; und über menschliche Kräfte sey es gegangen, den guten Kaiser Franz zu rechtfertigen, wenn einmal die Bauern zu politisiren anhoben.

Jörgel, der Schulmeister, versprach damals auf das Octoberfest nach München zu kommen, hielt es aber nicht. Als ich im zweiten Jahre darauf wieder in Dux war und mit einem Reisegefährten in seiner bescheidenen Wohnung zusprach, erfuhr ich zwar wenig Triftiges zu seiner Entschuldigung, - ich habe stark gezweifelt, sagte er, ob ich wohl den Weg thäte finden - aber dafür erzählte er, daß er jetzt ein Krämer geworden sey. Ja, dem Schuldienst hat er nicht mehr recht vorstehen können, weil er die Orgel nicht zu spielen weiß und so haben die Duxer einen andern erwählt, der auch auf dem Chor ein Meister ist. Jörgel ist jetzt, obgleich er fünfhundert Gulden für die Krämerei ausgegeben, ziemlich wohl auf, verwendet viele Zeit auf die Wissenschaften und wünscht nur auch einen Tabaktrafik zu bekommen. Dieß ist aber trotz der heißesten Wünsche in Innsbruck nicht durchzusetzen gewesen, weil, wie die Herrn sagten, kein Bedürfniß dazu vorhanden, massen in Lannersbach schon ein anderer mit dem Tabakverschleiß betrauter Handelsmann ist. Die Leser wissen ohnedem, daß in Oesterreich der Tabak ein Monopol der Regierung ist, die den Kleinverschleiß an bestimmte Krämer abgibt, welche, glaub' ich, vom Gulden Erlös einen Groschen Profit haben. Jörgel schlug den Zuwachs an Einkünften, der ihm jährlich dadurch zu Guten kommen würde, auf dreißig, vierzig oder fünfzig Gulden an und dieß ist in Dux allerdings eine Summe, die seine heiße Sehnsucht entschuldigt.

Knecht und Dirne seine Liegerstätte an und Einbrennsuppe, Plentenknödel und Türkenribel ißt er Tag für Tag abwechselnd bei den Bauern. Etwas unbequem wird die Stellung, wenn sich etwa ein halbherrischer Junge, allenfalls ein armer Bürgerssohn aus der Stadt in diese Ländlichkeit verirrt hat. Man hört dann manche stille Klage, wie schwer sich mit der Rohheit und den Vorurtheilen der Bauern abzufinden sey, wie der Schulmeister immer die Herren beim Landgericht zu vertheidigen habe, wenn sie etwas verordnen, was den Aelpler ärgert; und über menschliche Kräfte sey es gegangen, den guten Kaiser Franz zu rechtfertigen, wenn einmal die Bauern zu politisiren anhoben.

Jörgel, der Schulmeister, versprach damals auf das Octoberfest nach München zu kommen, hielt es aber nicht. Als ich im zweiten Jahre darauf wieder in Dux war und mit einem Reisegefährten in seiner bescheidenen Wohnung zusprach, erfuhr ich zwar wenig Triftiges zu seiner Entschuldigung, – ich habe stark gezweifelt, sagte er, ob ich wohl den Weg thäte finden – aber dafür erzählte er, daß er jetzt ein Krämer geworden sey. Ja, dem Schuldienst hat er nicht mehr recht vorstehen können, weil er die Orgel nicht zu spielen weiß und so haben die Duxer einen andern erwählt, der auch auf dem Chor ein Meister ist. Jörgel ist jetzt, obgleich er fünfhundert Gulden für die Krämerei ausgegeben, ziemlich wohl auf, verwendet viele Zeit auf die Wissenschaften und wünscht nur auch einen Tabaktrafik zu bekommen. Dieß ist aber trotz der heißesten Wünsche in Innsbruck nicht durchzusetzen gewesen, weil, wie die Herrn sagten, kein Bedürfniß dazu vorhanden, massen in Lannersbach schon ein anderer mit dem Tabakverschleiß betrauter Handelsmann ist. Die Leser wissen ohnedem, daß in Oesterreich der Tabak ein Monopol der Regierung ist, die den Kleinverschleiß an bestimmte Krämer abgibt, welche, glaub’ ich, vom Gulden Erlös einen Groschen Profit haben. Jörgel schlug den Zuwachs an Einkünften, der ihm jährlich dadurch zu Guten kommen würde, auf dreißig, vierzig oder fünfzig Gulden an und dieß ist in Dux allerdings eine Summe, die seine heiße Sehnsucht entschuldigt.

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Knecht und Dirne seine Liegerstätte an und Einbrennsuppe, Plentenknödel und Türkenribel ißt er Tag für Tag abwechselnd bei den Bauern. Etwas unbequem wird die Stellung, wenn sich etwa ein halbherrischer Junge, allenfalls ein armer Bürgerssohn aus der Stadt in diese Ländlichkeit verirrt hat. Man hört dann manche stille Klage, wie schwer sich mit der Rohheit und den Vorurtheilen der Bauern abzufinden sey, wie der Schulmeister immer die Herren beim Landgericht zu vertheidigen habe, wenn sie etwas verordnen, was den Aelpler ärgert; und über menschliche Kräfte sey es gegangen, den guten Kaiser Franz zu rechtfertigen, wenn einmal die Bauern zu politisiren anhoben.</p>
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[517/0521] Knecht und Dirne seine Liegerstätte an und Einbrennsuppe, Plentenknödel und Türkenribel ißt er Tag für Tag abwechselnd bei den Bauern. Etwas unbequem wird die Stellung, wenn sich etwa ein halbherrischer Junge, allenfalls ein armer Bürgerssohn aus der Stadt in diese Ländlichkeit verirrt hat. Man hört dann manche stille Klage, wie schwer sich mit der Rohheit und den Vorurtheilen der Bauern abzufinden sey, wie der Schulmeister immer die Herren beim Landgericht zu vertheidigen habe, wenn sie etwas verordnen, was den Aelpler ärgert; und über menschliche Kräfte sey es gegangen, den guten Kaiser Franz zu rechtfertigen, wenn einmal die Bauern zu politisiren anhoben. Jörgel, der Schulmeister, versprach damals auf das Octoberfest nach München zu kommen, hielt es aber nicht. Als ich im zweiten Jahre darauf wieder in Dux war und mit einem Reisegefährten in seiner bescheidenen Wohnung zusprach, erfuhr ich zwar wenig Triftiges zu seiner Entschuldigung, – ich habe stark gezweifelt, sagte er, ob ich wohl den Weg thäte finden – aber dafür erzählte er, daß er jetzt ein Krämer geworden sey. Ja, dem Schuldienst hat er nicht mehr recht vorstehen können, weil er die Orgel nicht zu spielen weiß und so haben die Duxer einen andern erwählt, der auch auf dem Chor ein Meister ist. Jörgel ist jetzt, obgleich er fünfhundert Gulden für die Krämerei ausgegeben, ziemlich wohl auf, verwendet viele Zeit auf die Wissenschaften und wünscht nur auch einen Tabaktrafik zu bekommen. Dieß ist aber trotz der heißesten Wünsche in Innsbruck nicht durchzusetzen gewesen, weil, wie die Herrn sagten, kein Bedürfniß dazu vorhanden, massen in Lannersbach schon ein anderer mit dem Tabakverschleiß betrauter Handelsmann ist. Die Leser wissen ohnedem, daß in Oesterreich der Tabak ein Monopol der Regierung ist, die den Kleinverschleiß an bestimmte Krämer abgibt, welche, glaub’ ich, vom Gulden Erlös einen Groschen Profit haben. Jörgel schlug den Zuwachs an Einkünften, der ihm jährlich dadurch zu Guten kommen würde, auf dreißig, vierzig oder fünfzig Gulden an und dieß ist in Dux allerdings eine Summe, die seine heiße Sehnsucht entschuldigt.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/521>, abgerufen am 25.08.2024.