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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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aufstarrend, hellgrün und hellblau glänzend auf einem Felsstock, den sie ehedem wohl bedeckt hat, so daß dann der Ferner wie ein ausgebreiteter Fächer in der sandigen Runde lag. Oben verliert er sich in ein schrundiges Schneefeld, die gefrorne Wand, über welche sich bisher noch niemand emporgewagt. Die Scene ist ringsum abgeschlossen; rückwärts ziehen sich niedere Hügel auf, hinter denen sich höhere Berge erheben. Links weit oben glitzern etliche Wasserfälle, welche von höhern Schneefeldern herunterstürzen.

Als ich wieder zu den Kasern kam und mit dem Mädchen weiter ging, zeigte sich's bald, daß der Ferner so zu sagen hinten in einem hohen Stockwerk liege, aus dessen vordern Stellen man das Thal erschauen kann, das aber noch tief unten liegt. Und so schauten wir denn hinunter in die idyllische Alpenlandschaft, in die grünen Auen von Hinterdux, in denen Hütte an Hütte, braun und niedlich, wie Grillenhäuschen, sich an einander fortreihten, umgeben von gelben Gerstenfeldern, durchzüngelt vom silbernen Bache, eingesäumt mit Anger und Feld von einem bergauf und ab laufenden Zaune, der das sattere Grün der Heimwiesen von dem blasseren der Alpenweiden abschnitt. Zu beiden Seiten thürmte sich mächtiges Gebirge auf, unendliche, steile, breite Halden, hie und da mit Sennhütten besetzt, welche die Warten sind für den einheimischen und auswärtigen Heerdenreichthum. Ist's nicht fein? fragte das Duxer Mädchen in hellem Vergnügen über meine Bewunderung.

Rechts von da geht es zum Duxer Wasserfall hinunter, der wohl einen Gang verdient, aber besser vom Thale aus besucht wird, als von da hinab über die jähe schlüpfrige Keßler-Rinne, an der sich einer beim ersten Fehltritt zu Tode scheipen kann. Unter heitern Reden erreichten wir die Flur des Dörfchens, wo das Mädchen zurück blieb, wahrscheinlich damit nicht, wie einst Nausicaa befürchtete, die Zungen im Dorfe für ihren Einzug mit dem fremden Wandersmann irgend einen unvernünftigen Grund aussuchen möchten. Dafür fanden sich bald ein Knabe und ein Mädchen, zwei sehr schöne Kinder von acht oder neun Jahren, die plaudernd

aufstarrend, hellgrün und hellblau glänzend auf einem Felsstock, den sie ehedem wohl bedeckt hat, so daß dann der Ferner wie ein ausgebreiteter Fächer in der sandigen Runde lag. Oben verliert er sich in ein schrundiges Schneefeld, die gefrorne Wand, über welche sich bisher noch niemand emporgewagt. Die Scene ist ringsum abgeschlossen; rückwärts ziehen sich niedere Hügel auf, hinter denen sich höhere Berge erheben. Links weit oben glitzern etliche Wasserfälle, welche von höhern Schneefeldern herunterstürzen.

Als ich wieder zu den Kasern kam und mit dem Mädchen weiter ging, zeigte sich’s bald, daß der Ferner so zu sagen hinten in einem hohen Stockwerk liege, aus dessen vordern Stellen man das Thal erschauen kann, das aber noch tief unten liegt. Und so schauten wir denn hinunter in die idyllische Alpenlandschaft, in die grünen Auen von Hinterdux, in denen Hütte an Hütte, braun und niedlich, wie Grillenhäuschen, sich an einander fortreihten, umgeben von gelben Gerstenfeldern, durchzüngelt vom silbernen Bache, eingesäumt mit Anger und Feld von einem bergauf und ab laufenden Zaune, der das sattere Grün der Heimwiesen von dem blasseren der Alpenweiden abschnitt. Zu beiden Seiten thürmte sich mächtiges Gebirge auf, unendliche, steile, breite Halden, hie und da mit Sennhütten besetzt, welche die Warten sind für den einheimischen und auswärtigen Heerdenreichthum. Ist’s nicht fein? fragte das Duxer Mädchen in hellem Vergnügen über meine Bewunderung.

Rechts von da geht es zum Duxer Wasserfall hinunter, der wohl einen Gang verdient, aber besser vom Thale aus besucht wird, als von da hinab über die jähe schlüpfrige Keßler-Rinne, an der sich einer beim ersten Fehltritt zu Tode scheipen kann. Unter heitern Reden erreichten wir die Flur des Dörfchens, wo das Mädchen zurück blieb, wahrscheinlich damit nicht, wie einst Nausicaa befürchtete, die Zungen im Dorfe für ihren Einzug mit dem fremden Wandersmann irgend einen unvernünftigen Grund aussuchen möchten. Dafür fanden sich bald ein Knabe und ein Mädchen, zwei sehr schöne Kinder von acht oder neun Jahren, die plaudernd

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[508/0512] aufstarrend, hellgrün und hellblau glänzend auf einem Felsstock, den sie ehedem wohl bedeckt hat, so daß dann der Ferner wie ein ausgebreiteter Fächer in der sandigen Runde lag. Oben verliert er sich in ein schrundiges Schneefeld, die gefrorne Wand, über welche sich bisher noch niemand emporgewagt. Die Scene ist ringsum abgeschlossen; rückwärts ziehen sich niedere Hügel auf, hinter denen sich höhere Berge erheben. Links weit oben glitzern etliche Wasserfälle, welche von höhern Schneefeldern herunterstürzen. Als ich wieder zu den Kasern kam und mit dem Mädchen weiter ging, zeigte sich’s bald, daß der Ferner so zu sagen hinten in einem hohen Stockwerk liege, aus dessen vordern Stellen man das Thal erschauen kann, das aber noch tief unten liegt. Und so schauten wir denn hinunter in die idyllische Alpenlandschaft, in die grünen Auen von Hinterdux, in denen Hütte an Hütte, braun und niedlich, wie Grillenhäuschen, sich an einander fortreihten, umgeben von gelben Gerstenfeldern, durchzüngelt vom silbernen Bache, eingesäumt mit Anger und Feld von einem bergauf und ab laufenden Zaune, der das sattere Grün der Heimwiesen von dem blasseren der Alpenweiden abschnitt. Zu beiden Seiten thürmte sich mächtiges Gebirge auf, unendliche, steile, breite Halden, hie und da mit Sennhütten besetzt, welche die Warten sind für den einheimischen und auswärtigen Heerdenreichthum. Ist’s nicht fein? fragte das Duxer Mädchen in hellem Vergnügen über meine Bewunderung. Rechts von da geht es zum Duxer Wasserfall hinunter, der wohl einen Gang verdient, aber besser vom Thale aus besucht wird, als von da hinab über die jähe schlüpfrige Keßler-Rinne, an der sich einer beim ersten Fehltritt zu Tode scheipen kann. Unter heitern Reden erreichten wir die Flur des Dörfchens, wo das Mädchen zurück blieb, wahrscheinlich damit nicht, wie einst Nausicaa befürchtete, die Zungen im Dorfe für ihren Einzug mit dem fremden Wandersmann irgend einen unvernünftigen Grund aussuchen möchten. Dafür fanden sich bald ein Knabe und ein Mädchen, zwei sehr schöne Kinder von acht oder neun Jahren, die plaudernd

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/512>, abgerufen am 23.11.2024.