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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Der Hager in Gschnitz
Und die Villerspitz
Und die Martinswand
Sind die höchsten im Land.

Auf der andern Seite des Joches hinabzugehen ist eine sehr einfache und ungewagte Sache. Es zeigt sich bald ein Bach, der zum Führer wird. Ueber sein Rinnsal fanden sich noch vom letzten Winter her etliche Schneebogen gespannt, blaue gothische Gewölbe, von denen die Tropfen mit hübschem Geläute herunter fielen. Nach einstündigem Gange, immer rasch zu Thale, war ich in Oberisse, einer kleinen Ansiedlung von Sennhütten. Eigentlich hatte ich den Weg verfehlt, da ich nach Alpein gewollt, um den Ferner zu sehen. Um dahin zu gelangen, wäre vom Joche aus rechts zu gehen gewesen; ich war gerade aus gegangen.

Die Sennhütten zu Oberisse sind meist gemauert und gut eingerichtet. Die Wasserkraft wird hier zum Butterrühren benutzt; ein Arm des Baches treibt kleine Räder, an welche das Butterfaß gelegt wird, so daß sich die Butter von selbsten "schlegelt." An andern Orten sieht man auch solche Rädchen mittelst einer Schnur die Wiege schaukeln, die drinnen in der Stube steht. Ein Wirthshaus ist nicht auf der Alm, doch findet sich eine Kaser, wo allenfalls Wein und Brod zu haben. In dieser traf ich vier Gäste, drei erwachsene Sennen und einen Knaben, dazu die Sennerin und ihren jüngern Bruder. Die Männer saßen auf der Bank, die sich um die Feuerstelle herzieht, halb im Rauch verhüllt und schmauchten plaudernd, die Sennerin ging ab und zu und redete wenig. Sie war ein sehr schönes Mädchen, fast zu schön für diese Einsamkeit. Um den Alpeiner Ferner zu erreichen und wieder bei Tage zurückzukommen, war's zu spät, blieb also nichts übrig, als bis zum Morgen zu warten. Ich war etwas besorgt daß das Hirtenmädchen sich die Einlagerung verbitten würde, aber der eine der Gäste sprach mir Muth zu, sagte, das komme öfter vor, und die Sennerin sey überhaupt nicht so "schiech" als sie thue. Dieß begleitete er mit einem ironischen Lächeln, was die Alpenmaid dadurch bestrafte, daß sie ohne ein Wort

Der Hager in Gschnitz
Und die Villerspitz
Und die Martinswand
Sind die höchsten im Land.

Auf der andern Seite des Joches hinabzugehen ist eine sehr einfache und ungewagte Sache. Es zeigt sich bald ein Bach, der zum Führer wird. Ueber sein Rinnsal fanden sich noch vom letzten Winter her etliche Schneebogen gespannt, blaue gothische Gewölbe, von denen die Tropfen mit hübschem Geläute herunter fielen. Nach einstündigem Gange, immer rasch zu Thale, war ich in Oberisse, einer kleinen Ansiedlung von Sennhütten. Eigentlich hatte ich den Weg verfehlt, da ich nach Alpein gewollt, um den Ferner zu sehen. Um dahin zu gelangen, wäre vom Joche aus rechts zu gehen gewesen; ich war gerade aus gegangen.

Die Sennhütten zu Oberisse sind meist gemauert und gut eingerichtet. Die Wasserkraft wird hier zum Butterrühren benutzt; ein Arm des Baches treibt kleine Räder, an welche das Butterfaß gelegt wird, so daß sich die Butter von selbsten „schlegelt.“ An andern Orten sieht man auch solche Rädchen mittelst einer Schnur die Wiege schaukeln, die drinnen in der Stube steht. Ein Wirthshaus ist nicht auf der Alm, doch findet sich eine Kaser, wo allenfalls Wein und Brod zu haben. In dieser traf ich vier Gäste, drei erwachsene Sennen und einen Knaben, dazu die Sennerin und ihren jüngern Bruder. Die Männer saßen auf der Bank, die sich um die Feuerstelle herzieht, halb im Rauch verhüllt und schmauchten plaudernd, die Sennerin ging ab und zu und redete wenig. Sie war ein sehr schönes Mädchen, fast zu schön für diese Einsamkeit. Um den Alpeiner Ferner zu erreichen und wieder bei Tage zurückzukommen, war’s zu spät, blieb also nichts übrig, als bis zum Morgen zu warten. Ich war etwas besorgt daß das Hirtenmädchen sich die Einlagerung verbitten würde, aber der eine der Gäste sprach mir Muth zu, sagte, das komme öfter vor, und die Sennerin sey überhaupt nicht so „schiech“ als sie thue. Dieß begleitete er mit einem ironischen Lächeln, was die Alpenmaid dadurch bestrafte, daß sie ohne ein Wort

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[486/0490] Der Hager in Gschnitz Und die Villerspitz Und die Martinswand Sind die höchsten im Land. Auf der andern Seite des Joches hinabzugehen ist eine sehr einfache und ungewagte Sache. Es zeigt sich bald ein Bach, der zum Führer wird. Ueber sein Rinnsal fanden sich noch vom letzten Winter her etliche Schneebogen gespannt, blaue gothische Gewölbe, von denen die Tropfen mit hübschem Geläute herunter fielen. Nach einstündigem Gange, immer rasch zu Thale, war ich in Oberisse, einer kleinen Ansiedlung von Sennhütten. Eigentlich hatte ich den Weg verfehlt, da ich nach Alpein gewollt, um den Ferner zu sehen. Um dahin zu gelangen, wäre vom Joche aus rechts zu gehen gewesen; ich war gerade aus gegangen. Die Sennhütten zu Oberisse sind meist gemauert und gut eingerichtet. Die Wasserkraft wird hier zum Butterrühren benutzt; ein Arm des Baches treibt kleine Räder, an welche das Butterfaß gelegt wird, so daß sich die Butter von selbsten „schlegelt.“ An andern Orten sieht man auch solche Rädchen mittelst einer Schnur die Wiege schaukeln, die drinnen in der Stube steht. Ein Wirthshaus ist nicht auf der Alm, doch findet sich eine Kaser, wo allenfalls Wein und Brod zu haben. In dieser traf ich vier Gäste, drei erwachsene Sennen und einen Knaben, dazu die Sennerin und ihren jüngern Bruder. Die Männer saßen auf der Bank, die sich um die Feuerstelle herzieht, halb im Rauch verhüllt und schmauchten plaudernd, die Sennerin ging ab und zu und redete wenig. Sie war ein sehr schönes Mädchen, fast zu schön für diese Einsamkeit. Um den Alpeiner Ferner zu erreichen und wieder bei Tage zurückzukommen, war’s zu spät, blieb also nichts übrig, als bis zum Morgen zu warten. Ich war etwas besorgt daß das Hirtenmädchen sich die Einlagerung verbitten würde, aber der eine der Gäste sprach mir Muth zu, sagte, das komme öfter vor, und die Sennerin sey überhaupt nicht so „schiech“ als sie thue. Dieß begleitete er mit einem ironischen Lächeln, was die Alpenmaid dadurch bestrafte, daß sie ohne ein Wort

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/490>, abgerufen am 23.11.2024.