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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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aber Thurwieser machte sich nichts daraus; gerade jetzt nachdem man so viel von Hitze und Schweiß ausgestanden, that die Kühle wohl. Um 1 Uhr erreichte der verwegene Professor die Spitze, etwas früher als seine Gesellen, da er eine kleine Seitenscharte, in welche diese einlenkten, durch gerades Emporklimmen umgangen hatte. Nun fand sich's, daß sie alle drei 10,121 Fuß über dem Meere standen. Dort sahen sie auch ungeheuer weit herum auf die silbernen Spitzen der Alpenkrone, vor allem auf die Oetzthaler Häupter, unter denen die Wildspitze und unser alter Freund, Similaun, sich als die stolzesten erhoben. Darüber hinaus ging der Blick tief hinein in die Gletscherwelt der Eidgenossenschaft. Gegen Aufgang zeigte sich auch der Duxerferner und die lange winterliche Bergreihe, die das Ahrenthal vom Zillerthale trennt und der Venediger, der stille Pinzgauer Fürst, leuchtete im weiten Eismantel. Kufstein, Rattenberg und Brixlegg im Unterinnthal sah der Professor in der Ferne schimmern und auch sein Kramsach, wo er einst als Knabe so ahnungsvoll den Kogel betrachtete, den er jetzt als berühmter Bergsteiger mit dem messenden Barometer in der Tasche, mit Thermometer und Perspectiv erklommen hatte. Um 2 Uhr 37 Minuten nahm er von der lange schon werthen und jetzt noch theurer gewordenen Spitze Abschied.

Die Abfahrt wurde in anderer Richtung versucht und hatte wieder ihre andern Gefahren wegen der steilen Wände, an denen man sich, Hände und Füße in das Gestein einschlagend, hinunter lassen mußte. Um 7 Uhr kamen die Steiger endlich in der Längenthaler Alpenhütte an. Auf dem Wege von hier findet sich eine vorspringende Berghalde, Oberachsel mit Namen, deren Besuch den Reisenden empfohlen wird, welche den Lisenser Ferner und die argen Wände des ungeheuern Kogels näher betrachten wollen. Kurz vor 9 Uhr Abends erschien der Professor wieder wohlbewillkommt im Stifthause zu Lisens.

Das Lisenser Jöchel, welches nach Stubei hinüberführt, scheint keines von denen zu seyn, die man gerne besteigt. In Innsbruck war nur wenige Kunde darüber einzuziehen, doch

aber Thurwieser machte sich nichts daraus; gerade jetzt nachdem man so viel von Hitze und Schweiß ausgestanden, that die Kühle wohl. Um 1 Uhr erreichte der verwegene Professor die Spitze, etwas früher als seine Gesellen, da er eine kleine Seitenscharte, in welche diese einlenkten, durch gerades Emporklimmen umgangen hatte. Nun fand sich’s, daß sie alle drei 10,121 Fuß über dem Meere standen. Dort sahen sie auch ungeheuer weit herum auf die silbernen Spitzen der Alpenkrone, vor allem auf die Oetzthaler Häupter, unter denen die Wildspitze und unser alter Freund, Similaun, sich als die stolzesten erhoben. Darüber hinaus ging der Blick tief hinein in die Gletscherwelt der Eidgenossenschaft. Gegen Aufgang zeigte sich auch der Duxerferner und die lange winterliche Bergreihe, die das Ahrenthal vom Zillerthale trennt und der Venediger, der stille Pinzgauer Fürst, leuchtete im weiten Eismantel. Kufstein, Rattenberg und Brixlegg im Unterinnthal sah der Professor in der Ferne schimmern und auch sein Kramsach, wo er einst als Knabe so ahnungsvoll den Kogel betrachtete, den er jetzt als berühmter Bergsteiger mit dem messenden Barometer in der Tasche, mit Thermometer und Perspectiv erklommen hatte. Um 2 Uhr 37 Minuten nahm er von der lange schon werthen und jetzt noch theurer gewordenen Spitze Abschied.

Die Abfahrt wurde in anderer Richtung versucht und hatte wieder ihre andern Gefahren wegen der steilen Wände, an denen man sich, Hände und Füße in das Gestein einschlagend, hinunter lassen mußte. Um 7 Uhr kamen die Steiger endlich in der Längenthaler Alpenhütte an. Auf dem Wege von hier findet sich eine vorspringende Berghalde, Oberachsel mit Namen, deren Besuch den Reisenden empfohlen wird, welche den Lisenser Ferner und die argen Wände des ungeheuern Kogels näher betrachten wollen. Kurz vor 9 Uhr Abends erschien der Professor wieder wohlbewillkommt im Stifthause zu Lisens.

Das Lisenser Jöchel, welches nach Stubei hinüberführt, scheint keines von denen zu seyn, die man gerne besteigt. In Innsbruck war nur wenige Kunde darüber einzuziehen, doch

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[484/0488] aber Thurwieser machte sich nichts daraus; gerade jetzt nachdem man so viel von Hitze und Schweiß ausgestanden, that die Kühle wohl. Um 1 Uhr erreichte der verwegene Professor die Spitze, etwas früher als seine Gesellen, da er eine kleine Seitenscharte, in welche diese einlenkten, durch gerades Emporklimmen umgangen hatte. Nun fand sich’s, daß sie alle drei 10,121 Fuß über dem Meere standen. Dort sahen sie auch ungeheuer weit herum auf die silbernen Spitzen der Alpenkrone, vor allem auf die Oetzthaler Häupter, unter denen die Wildspitze und unser alter Freund, Similaun, sich als die stolzesten erhoben. Darüber hinaus ging der Blick tief hinein in die Gletscherwelt der Eidgenossenschaft. Gegen Aufgang zeigte sich auch der Duxerferner und die lange winterliche Bergreihe, die das Ahrenthal vom Zillerthale trennt und der Venediger, der stille Pinzgauer Fürst, leuchtete im weiten Eismantel. Kufstein, Rattenberg und Brixlegg im Unterinnthal sah der Professor in der Ferne schimmern und auch sein Kramsach, wo er einst als Knabe so ahnungsvoll den Kogel betrachtete, den er jetzt als berühmter Bergsteiger mit dem messenden Barometer in der Tasche, mit Thermometer und Perspectiv erklommen hatte. Um 2 Uhr 37 Minuten nahm er von der lange schon werthen und jetzt noch theurer gewordenen Spitze Abschied. Die Abfahrt wurde in anderer Richtung versucht und hatte wieder ihre andern Gefahren wegen der steilen Wände, an denen man sich, Hände und Füße in das Gestein einschlagend, hinunter lassen mußte. Um 7 Uhr kamen die Steiger endlich in der Längenthaler Alpenhütte an. Auf dem Wege von hier findet sich eine vorspringende Berghalde, Oberachsel mit Namen, deren Besuch den Reisenden empfohlen wird, welche den Lisenser Ferner und die argen Wände des ungeheuern Kogels näher betrachten wollen. Kurz vor 9 Uhr Abends erschien der Professor wieder wohlbewillkommt im Stifthause zu Lisens. Das Lisenser Jöchel, welches nach Stubei hinüberführt, scheint keines von denen zu seyn, die man gerne besteigt. In Innsbruck war nur wenige Kunde darüber einzuziehen, doch

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/488>, abgerufen am 23.11.2024.