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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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stehen nahe beisammen und einer schaut grimmig auf den andern - es ist als ob sie so zusammengestellt seyen, damit sie sich ewig in ihrer Schauerlichkeit messen sollten. Das sind die Aussichten, die jene Berghöhe über Zwischenwasser in der Nähe bietet, eine farbenreiche Mischung, aber ihrem Zusammenscheine nach fast etwas ins Wilde schlagend, da die freundlichen Auen und Felder gegen die Schrecken der Dolomitgebilde nicht aufkommen können. Eben deßwegen ist's eine erfreuliche Zuthat, daß der Blick auch an dem Gaderbach hinausgeleitet wird und über den rothen Thurm von Ohnach ins Hügelland des Pusterthales fällt. Und über den Hügeln des Pusterthales steigen die Berge des Pusterthales empor und über diesen tauchen in schneeweißem, eisigem Mantel die Ferner auf, die hinten im Zillerthale liegen, der Nefeser und der Zemer und andere weiße Spitzen, die gegen die Krimmlertauern ziehen. Die sanften breiten Formen dieser Schneeberge wirken beruhigend auf den Beschauer, den das Jähe, Unheimliche der Enneberger Hörner aufgeregt hat. Wenn er da mehrere Tage in Gröden oder Abtei gesessen ist, so verbindet sich damit vielleicht auch eine leise Freude wieder ins Gebirgsland zu kommen, das ihm heimathlicher ist, aus den rauhen Thälern, in welche die ladinischen Dolomiten unruhig hineinragen, in die zahmern, die die schneeigen Gipfel deutscher Berge umgürten.

Bedauerlich war es uns, daß wir nicht Zeit hatten nach Enneberg oder St. Maria hinüber zu steigen, um nach dem Tanzstadel, dem "Pajung" zu fragen, der zur Zeit, als Haller schrieb, noch vorhanden war. Es war ein uralter Gebrauch weit und breit in den rhätischen Alpen, daß sich jede Gemeinde ihr Tanzhaus erbaute, welches zugleich als Gedingstätte diente. So haben wir's im Bregenzerwald gesehen, wo der Landammann auch im Tanzhause nieder saß, um Gericht zu halten, so ist es von vielen andern Gemeinden überliefert, und so ist's auch da gewesen, wo jetzt keine Ueberlieferung mehr im Munde der Alten ist. Wo der Landmann sich sein Recht holte, da wollte er sich seine Freude holen und die Halle, wo sich die fröhliche Jugend und die rüstige

stehen nahe beisammen und einer schaut grimmig auf den andern – es ist als ob sie so zusammengestellt seyen, damit sie sich ewig in ihrer Schauerlichkeit messen sollten. Das sind die Aussichten, die jene Berghöhe über Zwischenwasser in der Nähe bietet, eine farbenreiche Mischung, aber ihrem Zusammenscheine nach fast etwas ins Wilde schlagend, da die freundlichen Auen und Felder gegen die Schrecken der Dolomitgebilde nicht aufkommen können. Eben deßwegen ist’s eine erfreuliche Zuthat, daß der Blick auch an dem Gaderbach hinausgeleitet wird und über den rothen Thurm von Ohnach ins Hügelland des Pusterthales fällt. Und über den Hügeln des Pusterthales steigen die Berge des Pusterthales empor und über diesen tauchen in schneeweißem, eisigem Mantel die Ferner auf, die hinten im Zillerthale liegen, der Nefeser und der Zemer und andere weiße Spitzen, die gegen die Krimmlertauern ziehen. Die sanften breiten Formen dieser Schneeberge wirken beruhigend auf den Beschauer, den das Jähe, Unheimliche der Enneberger Hörner aufgeregt hat. Wenn er da mehrere Tage in Gröden oder Abtei gesessen ist, so verbindet sich damit vielleicht auch eine leise Freude wieder ins Gebirgsland zu kommen, das ihm heimathlicher ist, aus den rauhen Thälern, in welche die ladinischen Dolomiten unruhig hineinragen, in die zahmern, die die schneeigen Gipfel deutscher Berge umgürten.

Bedauerlich war es uns, daß wir nicht Zeit hatten nach Enneberg oder St. Maria hinüber zu steigen, um nach dem Tanzstadel, dem „Pajung" zu fragen, der zur Zeit, als Haller schrieb, noch vorhanden war. Es war ein uralter Gebrauch weit und breit in den rhätischen Alpen, daß sich jede Gemeinde ihr Tanzhaus erbaute, welches zugleich als Gedingstätte diente. So haben wir’s im Bregenzerwald gesehen, wo der Landammann auch im Tanzhause nieder saß, um Gericht zu halten, so ist es von vielen andern Gemeinden überliefert, und so ist’s auch da gewesen, wo jetzt keine Ueberlieferung mehr im Munde der Alten ist. Wo der Landmann sich sein Recht holte, da wollte er sich seine Freude holen und die Halle, wo sich die fröhliche Jugend und die rüstige

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[467/0471] stehen nahe beisammen und einer schaut grimmig auf den andern – es ist als ob sie so zusammengestellt seyen, damit sie sich ewig in ihrer Schauerlichkeit messen sollten. Das sind die Aussichten, die jene Berghöhe über Zwischenwasser in der Nähe bietet, eine farbenreiche Mischung, aber ihrem Zusammenscheine nach fast etwas ins Wilde schlagend, da die freundlichen Auen und Felder gegen die Schrecken der Dolomitgebilde nicht aufkommen können. Eben deßwegen ist’s eine erfreuliche Zuthat, daß der Blick auch an dem Gaderbach hinausgeleitet wird und über den rothen Thurm von Ohnach ins Hügelland des Pusterthales fällt. Und über den Hügeln des Pusterthales steigen die Berge des Pusterthales empor und über diesen tauchen in schneeweißem, eisigem Mantel die Ferner auf, die hinten im Zillerthale liegen, der Nefeser und der Zemer und andere weiße Spitzen, die gegen die Krimmlertauern ziehen. Die sanften breiten Formen dieser Schneeberge wirken beruhigend auf den Beschauer, den das Jähe, Unheimliche der Enneberger Hörner aufgeregt hat. Wenn er da mehrere Tage in Gröden oder Abtei gesessen ist, so verbindet sich damit vielleicht auch eine leise Freude wieder ins Gebirgsland zu kommen, das ihm heimathlicher ist, aus den rauhen Thälern, in welche die ladinischen Dolomiten unruhig hineinragen, in die zahmern, die die schneeigen Gipfel deutscher Berge umgürten. Bedauerlich war es uns, daß wir nicht Zeit hatten nach Enneberg oder St. Maria hinüber zu steigen, um nach dem Tanzstadel, dem „Pajung" zu fragen, der zur Zeit, als Haller schrieb, noch vorhanden war. Es war ein uralter Gebrauch weit und breit in den rhätischen Alpen, daß sich jede Gemeinde ihr Tanzhaus erbaute, welches zugleich als Gedingstätte diente. So haben wir’s im Bregenzerwald gesehen, wo der Landammann auch im Tanzhause nieder saß, um Gericht zu halten, so ist es von vielen andern Gemeinden überliefert, und so ist’s auch da gewesen, wo jetzt keine Ueberlieferung mehr im Munde der Alten ist. Wo der Landmann sich sein Recht holte, da wollte er sich seine Freude holen und die Halle, wo sich die fröhliche Jugend und die rüstige

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/471>, abgerufen am 23.11.2024.