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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Lieber wäre es der Künstlerin freilich gewesen, wenn wir einen von den beiden Kaisern gekauft hätten, die sie als ihr Meisterstück vorzeigt, entweder den Kaiser Ferdinand oder den Kaiser Napoleon. Diese gehörten zu jener feinern Gattung von Schnitzereien, die mit 5-10 Gulden bezahlt werden. Es sind ungefärbte Figuren, etwa einen halben Schuh hoch, in denen die Zeichnung zwar hie und da etwas mangelhaft ist, die Ausführung jedoch in den kleinen Einzelheiten ungemein viel Fleiß und Geschick verräth. Gleichwohl hatten wir billige Zweifel, ob die Schnitzlerin der Imperatoren ihre Mühe belohnt erhalten werde; denn der eigentliche Habitus war weder beim einen noch beim andern getroffen. Napoleon hatte zu viel von Ferdinand und Ferdinand zu viel von Napoleon, ja eigentlich unterschieden sie sich nur durch die Uniform, und auch da hat der Frau für den großen Corsen nicht der Mann mit dem grauen Ueberrock und dem kleinen Hütchen vor Augen geschwebt, sondern etwa der Consul Bonaparte, wie er in der Schlacht bei Marengo befehligte. Das that uns alles sehr Leid, denn die Schnitzlerin glaubte in ihren Kaisern das Höchste geleistet zu haben und hoffte, sie recht theuer an den Mann zu bringen.

Von da gingen wir in ein anderes Schnitzlerhaus, wo drei alte Leute, zwei Männer und ein Weib arbeitend beisammen saßen. Das Weib, das vierundachtzig Jahre zählte, schnitzte noch rüstig und machte sehenswerthe Hunde; die beiden andern verfertigten stereotype Hähne. Alle drei hatten vom langen Schnitzlerleben tiefe Narben an den Händen, denn bei aller Gewandtheit fährt doch mancher Stich ins Fleisch, und einer von den Greisen hatte sich in frühern Jahren sogar einen Finger weggeschnitzt. Hier wie in andern Häusern, in die wir vorübergehend Blicke warfen, waren ganze Haufen solcher Spielsachen aufgeschüttet, und wie man im Obstlande zur Herbstzeit alle Räume voll Körbe siebt, in denen die rothbackigen Aepfel und die grünen Birnen und andre süße Früchte aufgestapelt worden, so standen auch hier überall die Körbe herum mit vierfüßigen Thieren, mit Vögeln, Menschen,

Lieber wäre es der Künstlerin freilich gewesen, wenn wir einen von den beiden Kaisern gekauft hätten, die sie als ihr Meisterstück vorzeigt, entweder den Kaiser Ferdinand oder den Kaiser Napoleon. Diese gehörten zu jener feinern Gattung von Schnitzereien, die mit 5–10 Gulden bezahlt werden. Es sind ungefärbte Figuren, etwa einen halben Schuh hoch, in denen die Zeichnung zwar hie und da etwas mangelhaft ist, die Ausführung jedoch in den kleinen Einzelheiten ungemein viel Fleiß und Geschick verräth. Gleichwohl hatten wir billige Zweifel, ob die Schnitzlerin der Imperatoren ihre Mühe belohnt erhalten werde; denn der eigentliche Habitus war weder beim einen noch beim andern getroffen. Napoleon hatte zu viel von Ferdinand und Ferdinand zu viel von Napoleon, ja eigentlich unterschieden sie sich nur durch die Uniform, und auch da hat der Frau für den großen Corsen nicht der Mann mit dem grauen Ueberrock und dem kleinen Hütchen vor Augen geschwebt, sondern etwa der Consul Bonaparte, wie er in der Schlacht bei Marengo befehligte. Das that uns alles sehr Leid, denn die Schnitzlerin glaubte in ihren Kaisern das Höchste geleistet zu haben und hoffte, sie recht theuer an den Mann zu bringen.

Von da gingen wir in ein anderes Schnitzlerhaus, wo drei alte Leute, zwei Männer und ein Weib arbeitend beisammen saßen. Das Weib, das vierundachtzig Jahre zählte, schnitzte noch rüstig und machte sehenswerthe Hunde; die beiden andern verfertigten stereotype Hähne. Alle drei hatten vom langen Schnitzlerleben tiefe Narben an den Händen, denn bei aller Gewandtheit fährt doch mancher Stich ins Fleisch, und einer von den Greisen hatte sich in frühern Jahren sogar einen Finger weggeschnitzt. Hier wie in andern Häusern, in die wir vorübergehend Blicke warfen, waren ganze Haufen solcher Spielsachen aufgeschüttet, und wie man im Obstlande zur Herbstzeit alle Räume voll Körbe siebt, in denen die rothbackigen Aepfel und die grünen Birnen und andre süße Früchte aufgestapelt worden, so standen auch hier überall die Körbe herum mit vierfüßigen Thieren, mit Vögeln, Menschen,

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[430/0434] Lieber wäre es der Künstlerin freilich gewesen, wenn wir einen von den beiden Kaisern gekauft hätten, die sie als ihr Meisterstück vorzeigt, entweder den Kaiser Ferdinand oder den Kaiser Napoleon. Diese gehörten zu jener feinern Gattung von Schnitzereien, die mit 5–10 Gulden bezahlt werden. Es sind ungefärbte Figuren, etwa einen halben Schuh hoch, in denen die Zeichnung zwar hie und da etwas mangelhaft ist, die Ausführung jedoch in den kleinen Einzelheiten ungemein viel Fleiß und Geschick verräth. Gleichwohl hatten wir billige Zweifel, ob die Schnitzlerin der Imperatoren ihre Mühe belohnt erhalten werde; denn der eigentliche Habitus war weder beim einen noch beim andern getroffen. Napoleon hatte zu viel von Ferdinand und Ferdinand zu viel von Napoleon, ja eigentlich unterschieden sie sich nur durch die Uniform, und auch da hat der Frau für den großen Corsen nicht der Mann mit dem grauen Ueberrock und dem kleinen Hütchen vor Augen geschwebt, sondern etwa der Consul Bonaparte, wie er in der Schlacht bei Marengo befehligte. Das that uns alles sehr Leid, denn die Schnitzlerin glaubte in ihren Kaisern das Höchste geleistet zu haben und hoffte, sie recht theuer an den Mann zu bringen. Von da gingen wir in ein anderes Schnitzlerhaus, wo drei alte Leute, zwei Männer und ein Weib arbeitend beisammen saßen. Das Weib, das vierundachtzig Jahre zählte, schnitzte noch rüstig und machte sehenswerthe Hunde; die beiden andern verfertigten stereotype Hähne. Alle drei hatten vom langen Schnitzlerleben tiefe Narben an den Händen, denn bei aller Gewandtheit fährt doch mancher Stich ins Fleisch, und einer von den Greisen hatte sich in frühern Jahren sogar einen Finger weggeschnitzt. Hier wie in andern Häusern, in die wir vorübergehend Blicke warfen, waren ganze Haufen solcher Spielsachen aufgeschüttet, und wie man im Obstlande zur Herbstzeit alle Räume voll Körbe siebt, in denen die rothbackigen Aepfel und die grünen Birnen und andre süße Früchte aufgestapelt worden, so standen auch hier überall die Körbe herum mit vierfüßigen Thieren, mit Vögeln, Menschen,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/434>, abgerufen am 23.11.2024.