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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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von Vels und Seis, die dem Ritten in gleicher Erhabenheit gegenüber liegt.

So erfreuten wir uns also eine Zeitlang der frischen Kühle in der weiten Stube des Wirthshauses zu Atzwang und gingen dann über die Brücke und stiegen mühselig und keuchend und schweißtriefend den steinigen Bergweg hinan, zuerst noch zwischen Weinbergen, dann durch Getraidefelder und an Höfen vorüber, die zerstreut auf den schiefen Fluren lagen. Hie und da suchten wir nach Wasser, um den brennenden Durst zu löschen, aber ehe nicht die volle Höhe erreicht war, fanden sich nur laue, wenig erfrischende Brunnen. Es ist überhaupt ein Uebel in der Gegend von Bozen, daß das Wasser fast überall lau und schlecht ist. In der Stadt benützt man die Fluthen der Talfer zum Trunke; auf dem Ritten und zumal in den Dörfern an der Straße zwischen Bozen und Meran steht's damit noch schlimmer. - Endlich standen wir auf der Höhe von Vels, den weißgrauen Schlern über uns, rechts und links Höfe und Dörfer, Wiesen und Felder, auch Wald und Dickicht, und wenn wir uns rückwärts wendeten, so sahen wir, nur durch die tiefe Schlucht des Thalweges getrennt, den weißen Villenhaufen von Klobenstein und das schöne Hochland des Rittens.

An den Ausläufern des Schlernkofels zogen wir hin und kamen in den Hauensteinerwald, aus dem die Burg dieses Namens in zerrissenen Mauern aufragt. Sie war ehedem, als die alten Hauensteiner abgegangen, der Sitz Oswalds von Wolkenstein des jetzt oft genannten ritterlichen Dichters, und hier starb er auch im Jahre 1445, des irdischen Lebens müde. Zu Neustift bei den Chorherren ward er begraben. Sein schöner Denkstein steht im Kreuzgange des Domes zu Brixen. Herr Oswald führte ein unruhiges Leben und hatte zumal viele Feindschaft mit Herzog Friederich, dem Freund der Bauern. Er war bei allen Adelsbünden gegen den Landesherrn und wäre ihm nicht unlieb gewesen, wenn Tirol wieder ans Reich gekommen wäre. Wenn's ihm daheim zu heiß wurde, ging er auf Reisen und Kriegszüge "gen preußen, littwan, tartarey, türkey, über mer gen frankreich, lampart, yspanien,"

von Vels und Seis, die dem Ritten in gleicher Erhabenheit gegenüber liegt.

So erfreuten wir uns also eine Zeitlang der frischen Kühle in der weiten Stube des Wirthshauses zu Atzwang und gingen dann über die Brücke und stiegen mühselig und keuchend und schweißtriefend den steinigen Bergweg hinan, zuerst noch zwischen Weinbergen, dann durch Getraidefelder und an Höfen vorüber, die zerstreut auf den schiefen Fluren lagen. Hie und da suchten wir nach Wasser, um den brennenden Durst zu löschen, aber ehe nicht die volle Höhe erreicht war, fanden sich nur laue, wenig erfrischende Brunnen. Es ist überhaupt ein Uebel in der Gegend von Bozen, daß das Wasser fast überall lau und schlecht ist. In der Stadt benützt man die Fluthen der Talfer zum Trunke; auf dem Ritten und zumal in den Dörfern an der Straße zwischen Bozen und Meran steht’s damit noch schlimmer. – Endlich standen wir auf der Höhe von Vels, den weißgrauen Schlern über uns, rechts und links Höfe und Dörfer, Wiesen und Felder, auch Wald und Dickicht, und wenn wir uns rückwärts wendeten, so sahen wir, nur durch die tiefe Schlucht des Thalweges getrennt, den weißen Villenhaufen von Klobenstein und das schöne Hochland des Rittens.

An den Ausläufern des Schlernkofels zogen wir hin und kamen in den Hauensteinerwald, aus dem die Burg dieses Namens in zerrissenen Mauern aufragt. Sie war ehedem, als die alten Hauensteiner abgegangen, der Sitz Oswalds von Wolkenstein des jetzt oft genannten ritterlichen Dichters, und hier starb er auch im Jahre 1445, des irdischen Lebens müde. Zu Neustift bei den Chorherren ward er begraben. Sein schöner Denkstein steht im Kreuzgange des Domes zu Brixen. Herr Oswald führte ein unruhiges Leben und hatte zumal viele Feindschaft mit Herzog Friederich, dem Freund der Bauern. Er war bei allen Adelsbünden gegen den Landesherrn und wäre ihm nicht unlieb gewesen, wenn Tirol wieder ans Reich gekommen wäre. Wenn’s ihm daheim zu heiß wurde, ging er auf Reisen und Kriegszüge „gen preußen, littwan, tartarey, türkey, über mer gen frankreich, lampart, yspanien,“

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von Vels und Seis, die dem Ritten in gleicher Erhabenheit gegenüber liegt.</p>
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[410/0414] von Vels und Seis, die dem Ritten in gleicher Erhabenheit gegenüber liegt. So erfreuten wir uns also eine Zeitlang der frischen Kühle in der weiten Stube des Wirthshauses zu Atzwang und gingen dann über die Brücke und stiegen mühselig und keuchend und schweißtriefend den steinigen Bergweg hinan, zuerst noch zwischen Weinbergen, dann durch Getraidefelder und an Höfen vorüber, die zerstreut auf den schiefen Fluren lagen. Hie und da suchten wir nach Wasser, um den brennenden Durst zu löschen, aber ehe nicht die volle Höhe erreicht war, fanden sich nur laue, wenig erfrischende Brunnen. Es ist überhaupt ein Uebel in der Gegend von Bozen, daß das Wasser fast überall lau und schlecht ist. In der Stadt benützt man die Fluthen der Talfer zum Trunke; auf dem Ritten und zumal in den Dörfern an der Straße zwischen Bozen und Meran steht’s damit noch schlimmer. – Endlich standen wir auf der Höhe von Vels, den weißgrauen Schlern über uns, rechts und links Höfe und Dörfer, Wiesen und Felder, auch Wald und Dickicht, und wenn wir uns rückwärts wendeten, so sahen wir, nur durch die tiefe Schlucht des Thalweges getrennt, den weißen Villenhaufen von Klobenstein und das schöne Hochland des Rittens. An den Ausläufern des Schlernkofels zogen wir hin und kamen in den Hauensteinerwald, aus dem die Burg dieses Namens in zerrissenen Mauern aufragt. Sie war ehedem, als die alten Hauensteiner abgegangen, der Sitz Oswalds von Wolkenstein des jetzt oft genannten ritterlichen Dichters, und hier starb er auch im Jahre 1445, des irdischen Lebens müde. Zu Neustift bei den Chorherren ward er begraben. Sein schöner Denkstein steht im Kreuzgange des Domes zu Brixen. Herr Oswald führte ein unruhiges Leben und hatte zumal viele Feindschaft mit Herzog Friederich, dem Freund der Bauern. Er war bei allen Adelsbünden gegen den Landesherrn und wäre ihm nicht unlieb gewesen, wenn Tirol wieder ans Reich gekommen wäre. Wenn’s ihm daheim zu heiß wurde, ging er auf Reisen und Kriegszüge „gen preußen, littwan, tartarey, türkey, über mer gen frankreich, lampart, yspanien,“

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/414>, abgerufen am 23.11.2024.