Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

bestimmt gewesen, so hat man sich doch nie die Mühe genommen, es völlig auszubauen. Es ist viel leerer Raum da, leer vom Grund bis zum Dache ohne Zwischenböden und Gebälk, daher wohl nie bewohnt, wogegen der brauchbaren Gemächer nur sehr wenige sind. In ihnen hat sich jetzt der Baumann zu recht gesetzt.

St. Vigil, des Trientner Kirchenheiligen abgewürdigter Festtag, wurde mit einer Procession gefeiert, welche Gelegenheit bot, den Leibesschlag der Sarner zu mustern. Der Stamm gehört nach allgemeiner Anerkennung zu den rein deutschen oder mindestens zu den am wenigsten gemischten in Südtirol. Die Sarner sollen ja eine Sage haben, daß sie einst aus Schwabenland kommend über Passeyer und die Möltenerhöhe in ihr Thal gewandert. Daß sie es nicht unbewohnt getroffen, zeigt der rhätische Name Sarnthein, der in den Urkunden Sarentinum lautet. Wie übrigens so viele Sagen jetzt nur mehr in den Büchern leben, so wohl auch jene von der Wanderung der Sarner; wenigstens wollte sich unter einem Duzend bejahrter Männer, die ich darnach gefragt, auch nicht einer erinnern, je etwas derartiges gehört zu haben. Die Deutschheit des Volkes erweist indessen deutlich sein Aeußeres, das dem der Passeyrer zu vergleichen ist. Die Männer sind stark und kräftig gewachsen, ziemlich hoch, in den Gesichtern durchaus von deutschem Ausdrucke. Die hellen Haare tragen sie kurzgeschoren, ziehen aber am Rande herum kleine krause Löckchen, die einen niedlichen Kranz um das Haupt bilden. Die Weiber und Mädchen von Sarnthein, wenigstens jene, die bei der Procession erschienen, sahen gesund aus, aber meines Bedünkens war keine darunter, die der Schönheit wegen eine Ehrenerwähnung verdiente. Die Tracht sowohl der Männer als der Weiber gleicht in der Hauptsache jener am Lande, zunächst der bei Meran, doch fehlt bei jenen der rothe Aufschlag an der Jacke, bei den Weibern mangeln die rothen Strümpfe, statt deren man die innthalischen Beinhöslen findet. Ehemals trugen die Sarner weite rothe Röcke; wir haben aber dieses Zeug nur mehr an ein paar Knaben bemerkt, denen, wie es schien, die letzten

bestimmt gewesen, so hat man sich doch nie die Mühe genommen, es völlig auszubauen. Es ist viel leerer Raum da, leer vom Grund bis zum Dache ohne Zwischenböden und Gebälk, daher wohl nie bewohnt, wogegen der brauchbaren Gemächer nur sehr wenige sind. In ihnen hat sich jetzt der Baumann zu recht gesetzt.

St. Vigil, des Trientner Kirchenheiligen abgewürdigter Festtag, wurde mit einer Procession gefeiert, welche Gelegenheit bot, den Leibesschlag der Sarner zu mustern. Der Stamm gehört nach allgemeiner Anerkennung zu den rein deutschen oder mindestens zu den am wenigsten gemischten in Südtirol. Die Sarner sollen ja eine Sage haben, daß sie einst aus Schwabenland kommend über Passeyer und die Möltenerhöhe in ihr Thal gewandert. Daß sie es nicht unbewohnt getroffen, zeigt der rhätische Name Sarnthein, der in den Urkunden Sarentinum lautet. Wie übrigens so viele Sagen jetzt nur mehr in den Büchern leben, so wohl auch jene von der Wanderung der Sarner; wenigstens wollte sich unter einem Duzend bejahrter Männer, die ich darnach gefragt, auch nicht einer erinnern, je etwas derartiges gehört zu haben. Die Deutschheit des Volkes erweist indessen deutlich sein Aeußeres, das dem der Passeyrer zu vergleichen ist. Die Männer sind stark und kräftig gewachsen, ziemlich hoch, in den Gesichtern durchaus von deutschem Ausdrucke. Die hellen Haare tragen sie kurzgeschoren, ziehen aber am Rande herum kleine krause Löckchen, die einen niedlichen Kranz um das Haupt bilden. Die Weiber und Mädchen von Sarnthein, wenigstens jene, die bei der Procession erschienen, sahen gesund aus, aber meines Bedünkens war keine darunter, die der Schönheit wegen eine Ehrenerwähnung verdiente. Die Tracht sowohl der Männer als der Weiber gleicht in der Hauptsache jener am Lande, zunächst der bei Meran, doch fehlt bei jenen der rothe Aufschlag an der Jacke, bei den Weibern mangeln die rothen Strümpfe, statt deren man die innthalischen Beinhöslen findet. Ehemals trugen die Sarner weite rothe Röcke; wir haben aber dieses Zeug nur mehr an ein paar Knaben bemerkt, denen, wie es schien, die letzten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0404" n="400"/>
bestimmt gewesen, so hat man sich doch nie die Mühe genommen, es völlig auszubauen. Es ist viel leerer Raum da, leer vom Grund bis zum Dache ohne Zwischenböden und Gebälk, daher wohl nie bewohnt, wogegen der brauchbaren Gemächer nur sehr wenige sind. In ihnen hat sich jetzt der Baumann zu recht gesetzt.</p>
        <p>St. Vigil, des Trientner Kirchenheiligen abgewürdigter Festtag, wurde mit einer Procession gefeiert, welche Gelegenheit bot, den Leibesschlag der Sarner zu mustern. Der Stamm gehört nach allgemeiner Anerkennung zu den rein deutschen oder mindestens zu den am wenigsten gemischten in Südtirol. Die Sarner sollen ja eine Sage haben, daß sie einst aus Schwabenland kommend über Passeyer und die Möltenerhöhe in ihr Thal gewandert. Daß sie es nicht unbewohnt getroffen, zeigt der rhätische Name Sarnthein, der in den Urkunden <hi rendition="#aq">Sarentinum</hi> lautet. Wie übrigens so viele Sagen jetzt nur mehr in den Büchern leben, so wohl auch jene von der Wanderung der Sarner; wenigstens wollte sich unter einem Duzend bejahrter Männer, die ich darnach gefragt, auch nicht einer erinnern, je etwas derartiges gehört zu haben. Die Deutschheit des Volkes erweist indessen deutlich sein Aeußeres, das dem der Passeyrer zu vergleichen ist. Die Männer sind stark und kräftig gewachsen, ziemlich hoch, in den Gesichtern durchaus von deutschem Ausdrucke. Die hellen Haare tragen sie kurzgeschoren, ziehen aber am Rande herum kleine krause Löckchen, die einen niedlichen Kranz um das Haupt bilden. Die Weiber und Mädchen von Sarnthein, wenigstens jene, die bei der Procession erschienen, sahen gesund aus, aber meines Bedünkens war keine darunter, die der Schönheit wegen eine Ehrenerwähnung verdiente. Die Tracht sowohl der Männer als der Weiber gleicht in der Hauptsache jener am Lande, zunächst der bei Meran, doch fehlt bei jenen der rothe Aufschlag an der Jacke, bei den Weibern mangeln die rothen Strümpfe, statt deren man die innthalischen Beinhöslen findet. Ehemals trugen die Sarner weite rothe Röcke; wir haben aber dieses Zeug nur mehr an ein paar Knaben bemerkt, denen, wie es schien, die letzten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0404] bestimmt gewesen, so hat man sich doch nie die Mühe genommen, es völlig auszubauen. Es ist viel leerer Raum da, leer vom Grund bis zum Dache ohne Zwischenböden und Gebälk, daher wohl nie bewohnt, wogegen der brauchbaren Gemächer nur sehr wenige sind. In ihnen hat sich jetzt der Baumann zu recht gesetzt. St. Vigil, des Trientner Kirchenheiligen abgewürdigter Festtag, wurde mit einer Procession gefeiert, welche Gelegenheit bot, den Leibesschlag der Sarner zu mustern. Der Stamm gehört nach allgemeiner Anerkennung zu den rein deutschen oder mindestens zu den am wenigsten gemischten in Südtirol. Die Sarner sollen ja eine Sage haben, daß sie einst aus Schwabenland kommend über Passeyer und die Möltenerhöhe in ihr Thal gewandert. Daß sie es nicht unbewohnt getroffen, zeigt der rhätische Name Sarnthein, der in den Urkunden Sarentinum lautet. Wie übrigens so viele Sagen jetzt nur mehr in den Büchern leben, so wohl auch jene von der Wanderung der Sarner; wenigstens wollte sich unter einem Duzend bejahrter Männer, die ich darnach gefragt, auch nicht einer erinnern, je etwas derartiges gehört zu haben. Die Deutschheit des Volkes erweist indessen deutlich sein Aeußeres, das dem der Passeyrer zu vergleichen ist. Die Männer sind stark und kräftig gewachsen, ziemlich hoch, in den Gesichtern durchaus von deutschem Ausdrucke. Die hellen Haare tragen sie kurzgeschoren, ziehen aber am Rande herum kleine krause Löckchen, die einen niedlichen Kranz um das Haupt bilden. Die Weiber und Mädchen von Sarnthein, wenigstens jene, die bei der Procession erschienen, sahen gesund aus, aber meines Bedünkens war keine darunter, die der Schönheit wegen eine Ehrenerwähnung verdiente. Die Tracht sowohl der Männer als der Weiber gleicht in der Hauptsache jener am Lande, zunächst der bei Meran, doch fehlt bei jenen der rothe Aufschlag an der Jacke, bei den Weibern mangeln die rothen Strümpfe, statt deren man die innthalischen Beinhöslen findet. Ehemals trugen die Sarner weite rothe Röcke; wir haben aber dieses Zeug nur mehr an ein paar Knaben bemerkt, denen, wie es schien, die letzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/404
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/404>, abgerufen am 27.11.2024.