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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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weit hinunterzusehen, bis in die Gegend von Salurn, wo die Bergseiten verschwimmend in einander treten, ohne kennbaren Höhepunkt bis zu dem blauen, riesenhaften Monte Gazza, der in der Gegend von Trient steht. Unten an der Talfer liegt das Schloß Rungelstein, verfallen und dachlos, von hier aus mit seinen offenen Gemächern ein gar trauriges Trümmerwerk. Auch die Mauern von Ravenstein lassen durch die leeren Fenster in den offenen Burghof schauen. Selbst der bescheidene Baumann hat in dem Schlosse keine Stelle mehr gefunden, wo er sein Haupt in ärmlicher Gemächlichkeit zur Ruhe legen konnte, und baute sich sein Häuschen, außerhalb der ungastlichen Pforten. Die Stuben, wo Marx Sittich von Wolkenstein mit der Geschichte seines Landes beschäftigt war, sind längst eingefallen. Damals, in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, wo Mathias Burglechner, Maximilian von Mohr, die Grafen von Brandis und andere mit neuerwachtem Eifer ihre historischen Studien pflogen, waren schöne Zeiten für literarische Bestrebungen in Tirol. Die traurigen Schicksale, die lebenslängliche Kümmerlichkeit, welche die Resch und die Roschmann auf ihren Wegen begleiteten, zeigen wie sehr Geschmack an den Wissenschaften und Achtung für ihre Pfleger innerhalb eines Jahrhunderts gesunken waren.

Aber die Höhe des Schlosses, das von unten auf anzusehen so erhaben, so stolz in den blauen Himmel eingezeichnet ist, die Höhe des Schlosses ist noch lange nicht das Ende der Mühsal. Der Weg geht noch immer auf Halden, die von der Ebene aus nicht zu erschauen sind, steil und rauh hinan, so daß man zuletzt Ravenstein tief zu seinen Füßen sieht. Die Schönheit der Aussicht ist dabei immer in steigendem Wachsthum und ferne Bergreihen im Fleimserthale und auf dem Nonsberg treten mächtig auf. Und endlich, nachdem aller Schmuck der Ebene, Weingärten, Kasianienbäume und alles was mit und unter ihnen blüht und wächst, längst abgestreift, wandelt man hoch oben in nordischer Vegetation unter Eichen und Fichten, an Kornfeldern vorbei, kühl angeweht von der Sarnerluft, die im Bozner Sommer den Stadtleuten ihrer Frische wegen so willkommen ist. Unten

weit hinunterzusehen, bis in die Gegend von Salurn, wo die Bergseiten verschwimmend in einander treten, ohne kennbaren Höhepunkt bis zu dem blauen, riesenhaften Monte Gazza, der in der Gegend von Trient steht. Unten an der Talfer liegt das Schloß Rungelstein, verfallen und dachlos, von hier aus mit seinen offenen Gemächern ein gar trauriges Trümmerwerk. Auch die Mauern von Ravenstein lassen durch die leeren Fenster in den offenen Burghof schauen. Selbst der bescheidene Baumann hat in dem Schlosse keine Stelle mehr gefunden, wo er sein Haupt in ärmlicher Gemächlichkeit zur Ruhe legen konnte, und baute sich sein Häuschen, außerhalb der ungastlichen Pforten. Die Stuben, wo Marx Sittich von Wolkenstein mit der Geschichte seines Landes beschäftigt war, sind längst eingefallen. Damals, in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, wo Mathias Burglechner, Maximilian von Mohr, die Grafen von Brandis und andere mit neuerwachtem Eifer ihre historischen Studien pflogen, waren schöne Zeiten für literarische Bestrebungen in Tirol. Die traurigen Schicksale, die lebenslängliche Kümmerlichkeit, welche die Resch und die Roschmann auf ihren Wegen begleiteten, zeigen wie sehr Geschmack an den Wissenschaften und Achtung für ihre Pfleger innerhalb eines Jahrhunderts gesunken waren.

Aber die Höhe des Schlosses, das von unten auf anzusehen so erhaben, so stolz in den blauen Himmel eingezeichnet ist, die Höhe des Schlosses ist noch lange nicht das Ende der Mühsal. Der Weg geht noch immer auf Halden, die von der Ebene aus nicht zu erschauen sind, steil und rauh hinan, so daß man zuletzt Ravenstein tief zu seinen Füßen sieht. Die Schönheit der Aussicht ist dabei immer in steigendem Wachsthum und ferne Bergreihen im Fleimserthale und auf dem Nonsberg treten mächtig auf. Und endlich, nachdem aller Schmuck der Ebene, Weingärten, Kasianienbäume und alles was mit und unter ihnen blüht und wächst, längst abgestreift, wandelt man hoch oben in nordischer Vegetation unter Eichen und Fichten, an Kornfeldern vorbei, kühl angeweht von der Sarnerluft, die im Bozner Sommer den Stadtleuten ihrer Frische wegen so willkommen ist. Unten

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[396/0400] weit hinunterzusehen, bis in die Gegend von Salurn, wo die Bergseiten verschwimmend in einander treten, ohne kennbaren Höhepunkt bis zu dem blauen, riesenhaften Monte Gazza, der in der Gegend von Trient steht. Unten an der Talfer liegt das Schloß Rungelstein, verfallen und dachlos, von hier aus mit seinen offenen Gemächern ein gar trauriges Trümmerwerk. Auch die Mauern von Ravenstein lassen durch die leeren Fenster in den offenen Burghof schauen. Selbst der bescheidene Baumann hat in dem Schlosse keine Stelle mehr gefunden, wo er sein Haupt in ärmlicher Gemächlichkeit zur Ruhe legen konnte, und baute sich sein Häuschen, außerhalb der ungastlichen Pforten. Die Stuben, wo Marx Sittich von Wolkenstein mit der Geschichte seines Landes beschäftigt war, sind längst eingefallen. Damals, in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, wo Mathias Burglechner, Maximilian von Mohr, die Grafen von Brandis und andere mit neuerwachtem Eifer ihre historischen Studien pflogen, waren schöne Zeiten für literarische Bestrebungen in Tirol. Die traurigen Schicksale, die lebenslängliche Kümmerlichkeit, welche die Resch und die Roschmann auf ihren Wegen begleiteten, zeigen wie sehr Geschmack an den Wissenschaften und Achtung für ihre Pfleger innerhalb eines Jahrhunderts gesunken waren. Aber die Höhe des Schlosses, das von unten auf anzusehen so erhaben, so stolz in den blauen Himmel eingezeichnet ist, die Höhe des Schlosses ist noch lange nicht das Ende der Mühsal. Der Weg geht noch immer auf Halden, die von der Ebene aus nicht zu erschauen sind, steil und rauh hinan, so daß man zuletzt Ravenstein tief zu seinen Füßen sieht. Die Schönheit der Aussicht ist dabei immer in steigendem Wachsthum und ferne Bergreihen im Fleimserthale und auf dem Nonsberg treten mächtig auf. Und endlich, nachdem aller Schmuck der Ebene, Weingärten, Kasianienbäume und alles was mit und unter ihnen blüht und wächst, längst abgestreift, wandelt man hoch oben in nordischer Vegetation unter Eichen und Fichten, an Kornfeldern vorbei, kühl angeweht von der Sarnerluft, die im Bozner Sommer den Stadtleuten ihrer Frische wegen so willkommen ist. Unten

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/400>, abgerufen am 23.11.2024.