Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien, und schuf im Geiste Palladio's etliche herrliche Paläste. Endlich - und dieß ist die Einkehr ins germanische Bewußtseyn und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschthums - endlich fing er an nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gothische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, daß sie ohne Wagniß selbst der kunstreichen Sammlung Hrn. Kallenbachs, die wir seiner Zeit so sehr bewundert haben, an die Seite treten dürfen. Derowegen ist die Mooser'sche Krippe gewissermaßen auch eine Monographie des localen Volksbewußtseyns im letzten Decennium, und daher sogar für den denkenden Staatsmann vielleicht nicht ohne wichtige Belehrung; sintemalen sie zeigt wie vor zehn Jahren etwa der Czaar und der Großtürke mit ihren Siebensachen noch in abenteuerlichem Wunderglanze vor dem innern Auge dieses Bozner Bürgers standen, wie dann sein Geist, zwar losgemacht von Kreml und Bosporus, doch noch immer scheu vor dem Vaterland und seiner eigenen Kunst, einen Zug nach Wälschland that, in den leichten italischen Formen gleichsam den Uebergang suchend von phantastischer Barbarei zum heitern Tiefsinn der Heimath, bis dann derselbe Geist, nach langem Irren, im Lande der Väter sich selbsten findet und durch die heimische Mutter Erde gekräftigt in urschönen Ideen schöpferisch aufschlägt. So läßt der Meister also unter den moskowitisch-türkischen Kuppelbauten und den italienischen Palästen altdeutsche Bauwerke sich erheben mit mystischen Spitzbogen, geschmückten Erkern und ragenden Mauerthürmchen, mit all dem zierlichen Ernst unsers Mittelalters, und vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel oder sonstwo nachgedacht ist, in grandioser Schönheit aufsteigend, mit einem Glockenthurm, der nach meinem Augenmaß verhältnißmäßig der höchste ist in Europa. Stellen wir uns nun vor daß nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Thürme die Thurmuhren schon fertig sind,

gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien, und schuf im Geiste Palladio’s etliche herrliche Paläste. Endlich – und dieß ist die Einkehr ins germanische Bewußtseyn und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschthums – endlich fing er an nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gothische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, daß sie ohne Wagniß selbst der kunstreichen Sammlung Hrn. Kallenbachs, die wir seiner Zeit so sehr bewundert haben, an die Seite treten dürfen. Derowegen ist die Mooser’sche Krippe gewissermaßen auch eine Monographie des localen Volksbewußtseyns im letzten Decennium, und daher sogar für den denkenden Staatsmann vielleicht nicht ohne wichtige Belehrung; sintemalen sie zeigt wie vor zehn Jahren etwa der Czaar und der Großtürke mit ihren Siebensachen noch in abenteuerlichem Wunderglanze vor dem innern Auge dieses Bozner Bürgers standen, wie dann sein Geist, zwar losgemacht von Kreml und Bosporus, doch noch immer scheu vor dem Vaterland und seiner eigenen Kunst, einen Zug nach Wälschland that, in den leichten italischen Formen gleichsam den Uebergang suchend von phantastischer Barbarei zum heitern Tiefsinn der Heimath, bis dann derselbe Geist, nach langem Irren, im Lande der Väter sich selbsten findet und durch die heimische Mutter Erde gekräftigt in urschönen Ideen schöpferisch aufschlägt. So läßt der Meister also unter den moskowitisch-türkischen Kuppelbauten und den italienischen Palästen altdeutsche Bauwerke sich erheben mit mystischen Spitzbogen, geschmückten Erkern und ragenden Mauerthürmchen, mit all dem zierlichen Ernst unsers Mittelalters, und vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel oder sonstwo nachgedacht ist, in grandioser Schönheit aufsteigend, mit einem Glockenthurm, der nach meinem Augenmaß verhältnißmäßig der höchste ist in Europa. Stellen wir uns nun vor daß nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Thürme die Thurmuhren schon fertig sind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0382" n="378"/>
gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien, und schuf im Geiste Palladio&#x2019;s etliche herrliche Paläste. Endlich &#x2013; und dieß ist die Einkehr ins germanische Bewußtseyn und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschthums &#x2013; endlich fing er an nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gothische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, daß sie ohne Wagniß selbst der kunstreichen Sammlung Hrn. Kallenbachs, die wir seiner Zeit so sehr bewundert haben, an die Seite treten dürfen. Derowegen ist die Mooser&#x2019;sche Krippe gewissermaßen auch eine Monographie des localen Volksbewußtseyns im letzten Decennium, und daher sogar für den denkenden Staatsmann vielleicht nicht ohne wichtige Belehrung; sintemalen sie zeigt wie vor zehn Jahren etwa der Czaar und der Großtürke mit ihren Siebensachen noch in abenteuerlichem Wunderglanze vor dem innern Auge dieses Bozner Bürgers standen, wie dann sein Geist, zwar losgemacht von Kreml und Bosporus, doch noch immer scheu vor dem Vaterland und seiner eigenen Kunst, einen Zug nach Wälschland that, in den leichten italischen Formen gleichsam den Uebergang suchend von phantastischer Barbarei zum heitern Tiefsinn der Heimath, bis dann derselbe Geist, nach langem Irren, im Lande der Väter sich selbsten findet und durch die heimische Mutter Erde gekräftigt in urschönen Ideen schöpferisch aufschlägt. So läßt der Meister also unter den moskowitisch-türkischen Kuppelbauten und den italienischen Palästen altdeutsche Bauwerke sich erheben mit mystischen Spitzbogen, geschmückten Erkern und ragenden Mauerthürmchen, mit all dem zierlichen Ernst unsers Mittelalters, und vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel oder sonstwo nachgedacht ist, in grandioser Schönheit aufsteigend, mit einem Glockenthurm, der nach meinem Augenmaß verhältnißmäßig der höchste ist in Europa. Stellen wir uns nun vor daß nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Thürme die Thurmuhren schon fertig sind,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0382] gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien, und schuf im Geiste Palladio’s etliche herrliche Paläste. Endlich – und dieß ist die Einkehr ins germanische Bewußtseyn und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschthums – endlich fing er an nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gothische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, daß sie ohne Wagniß selbst der kunstreichen Sammlung Hrn. Kallenbachs, die wir seiner Zeit so sehr bewundert haben, an die Seite treten dürfen. Derowegen ist die Mooser’sche Krippe gewissermaßen auch eine Monographie des localen Volksbewußtseyns im letzten Decennium, und daher sogar für den denkenden Staatsmann vielleicht nicht ohne wichtige Belehrung; sintemalen sie zeigt wie vor zehn Jahren etwa der Czaar und der Großtürke mit ihren Siebensachen noch in abenteuerlichem Wunderglanze vor dem innern Auge dieses Bozner Bürgers standen, wie dann sein Geist, zwar losgemacht von Kreml und Bosporus, doch noch immer scheu vor dem Vaterland und seiner eigenen Kunst, einen Zug nach Wälschland that, in den leichten italischen Formen gleichsam den Uebergang suchend von phantastischer Barbarei zum heitern Tiefsinn der Heimath, bis dann derselbe Geist, nach langem Irren, im Lande der Väter sich selbsten findet und durch die heimische Mutter Erde gekräftigt in urschönen Ideen schöpferisch aufschlägt. So läßt der Meister also unter den moskowitisch-türkischen Kuppelbauten und den italienischen Palästen altdeutsche Bauwerke sich erheben mit mystischen Spitzbogen, geschmückten Erkern und ragenden Mauerthürmchen, mit all dem zierlichen Ernst unsers Mittelalters, und vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel oder sonstwo nachgedacht ist, in grandioser Schönheit aufsteigend, mit einem Glockenthurm, der nach meinem Augenmaß verhältnißmäßig der höchste ist in Europa. Stellen wir uns nun vor daß nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Thürme die Thurmuhren schon fertig sind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/382
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/382>, abgerufen am 23.11.2024.