Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.um so weniger nahe, als man sich nicht ohne einige Eitelkeit der hohen Stellung rühmt, die man in der streng katholischen Welt verdientermaßen einzunehmen vermeint. Anders dagegen denkt der Bozner Handelsstand, zumal die Männer. Diese verbringen ihre Jugend zu Wien, zu Triest und in den lustigen Handelsstädten Italiens, und fügen sich nach der Rückkehr ungern in das klösterliche Leben der Vaterstadt. Da aber gleichwohl eine öffentliche Trübung des städtischen Hausfriedens lieber vermieden wird, so finden auch sie sich bald in die selbstvergnügte boznerische Behaglichkeit hinein und freuen sich den Hafen gefunden zu haben, ohne ihren Weltansichten zu entsagen. Die strengen Arbeiten des Comtoirs erheischen ausgiebige Erholung und so vergeht denn des Winters viele gute Zeit im Kaffeehause und die warmen Monate nimmt die Sommerfrische hinweg. Die leibliche Erquickung ist auf diese Art so wohlbedacht, daß die geistige daneben fast zu Schaden kommt. Ein Lesecabinet, wie im Casino des reichen Bozens, findet sich in solcher Armuth gewiß in keiner andern deutschen Stadt von neuntausend Einwohnern. Freilich sagt man die Andächtigen seyen schuld an dieser Misere, da sie vieles, was die andern wünschen, als lutherisch nicht vertragen wollen. Immerhin beziehen mehrere Privatmänner anziehende Erscheinungen der deutschen Presse auf eigene Rechnung. Man sieht daraus, daß auch hier noch Leute zu finden, die etwas daran setzen mit dem Vaterlande in literarischer Verbindung zu bleiben. Im Allgemeinen aber haben es die weltlichen Bozner dahin gebracht, daß sie im ganzen Lande als klug, wohlbedacht und berechnend, aber auch als materielle Herren gelten, die sich zu sehr in ihre Kirchspielinteressen und altherkömmliches Wohlleben verloren haben. Andrerseits erkennen viele Bozner im Stillen die Gebresten ihrer Stadt wohl an und deuten mit Bitterkeit dahin, wo nach ihrer Ansicht deren Quelle ist, auf die dicke, frömmelnde Scheinheiligkeit, die über ihnen liegt und jede freiere Regung verketzert. Da sie nun auch mit Witz und körnigem Salz wohl ausgestattet sind, so rächen sie sich heimlich an dem frommen um so weniger nahe, als man sich nicht ohne einige Eitelkeit der hohen Stellung rühmt, die man in der streng katholischen Welt verdientermaßen einzunehmen vermeint. Anders dagegen denkt der Bozner Handelsstand, zumal die Männer. Diese verbringen ihre Jugend zu Wien, zu Triest und in den lustigen Handelsstädten Italiens, und fügen sich nach der Rückkehr ungern in das klösterliche Leben der Vaterstadt. Da aber gleichwohl eine öffentliche Trübung des städtischen Hausfriedens lieber vermieden wird, so finden auch sie sich bald in die selbstvergnügte boznerische Behaglichkeit hinein und freuen sich den Hafen gefunden zu haben, ohne ihren Weltansichten zu entsagen. Die strengen Arbeiten des Comtoirs erheischen ausgiebige Erholung und so vergeht denn des Winters viele gute Zeit im Kaffeehause und die warmen Monate nimmt die Sommerfrische hinweg. Die leibliche Erquickung ist auf diese Art so wohlbedacht, daß die geistige daneben fast zu Schaden kommt. Ein Lesecabinet, wie im Casino des reichen Bozens, findet sich in solcher Armuth gewiß in keiner andern deutschen Stadt von neuntausend Einwohnern. Freilich sagt man die Andächtigen seyen schuld an dieser Misere, da sie vieles, was die andern wünschen, als lutherisch nicht vertragen wollen. Immerhin beziehen mehrere Privatmänner anziehende Erscheinungen der deutschen Presse auf eigene Rechnung. Man sieht daraus, daß auch hier noch Leute zu finden, die etwas daran setzen mit dem Vaterlande in literarischer Verbindung zu bleiben. Im Allgemeinen aber haben es die weltlichen Bozner dahin gebracht, daß sie im ganzen Lande als klug, wohlbedacht und berechnend, aber auch als materielle Herren gelten, die sich zu sehr in ihre Kirchspielinteressen und altherkömmliches Wohlleben verloren haben. Andrerseits erkennen viele Bozner im Stillen die Gebresten ihrer Stadt wohl an und deuten mit Bitterkeit dahin, wo nach ihrer Ansicht deren Quelle ist, auf die dicke, frömmelnde Scheinheiligkeit, die über ihnen liegt und jede freiere Regung verketzert. 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Die strengen Arbeiten des Comtoirs erheischen ausgiebige Erholung und so vergeht denn des Winters viele gute Zeit im Kaffeehause und die warmen Monate nimmt die Sommerfrische hinweg. Die leibliche Erquickung ist auf diese Art so wohlbedacht, daß die geistige daneben fast zu Schaden kommt. Ein Lesecabinet, wie im Casino des reichen Bozens, findet sich in solcher Armuth gewiß in keiner andern deutschen Stadt von neuntausend Einwohnern. Freilich sagt man die Andächtigen seyen schuld an dieser Misere, da sie vieles, was die andern wünschen, als lutherisch nicht vertragen wollen. Immerhin beziehen mehrere Privatmänner anziehende Erscheinungen der deutschen Presse auf eigene Rechnung. Man sieht daraus, daß auch hier noch Leute zu finden, die etwas daran setzen mit dem Vaterlande in literarischer Verbindung zu bleiben. Im Allgemeinen aber haben es die weltlichen Bozner dahin gebracht, daß sie im ganzen Lande als klug, wohlbedacht und berechnend, aber auch als materielle Herren gelten, die sich zu sehr in ihre Kirchspielinteressen und altherkömmliches Wohlleben verloren haben. Andrerseits erkennen viele Bozner im Stillen die Gebresten ihrer Stadt wohl an und deuten mit Bitterkeit dahin, wo nach ihrer Ansicht deren Quelle ist, auf die dicke, frömmelnde Scheinheiligkeit, die über ihnen liegt und jede freiere Regung verketzert.</p> <p>Da sie nun auch mit Witz und körnigem Salz wohl ausgestattet sind, so rächen sie sich heimlich an dem frommen </p> </div> </body> </text> </TEI> [375/0379]
um so weniger nahe, als man sich nicht ohne einige Eitelkeit der hohen Stellung rühmt, die man in der streng katholischen Welt verdientermaßen einzunehmen vermeint.
Anders dagegen denkt der Bozner Handelsstand, zumal die Männer. Diese verbringen ihre Jugend zu Wien, zu Triest und in den lustigen Handelsstädten Italiens, und fügen sich nach der Rückkehr ungern in das klösterliche Leben der Vaterstadt. Da aber gleichwohl eine öffentliche Trübung des städtischen Hausfriedens lieber vermieden wird, so finden auch sie sich bald in die selbstvergnügte boznerische Behaglichkeit hinein und freuen sich den Hafen gefunden zu haben, ohne ihren Weltansichten zu entsagen. Die strengen Arbeiten des Comtoirs erheischen ausgiebige Erholung und so vergeht denn des Winters viele gute Zeit im Kaffeehause und die warmen Monate nimmt die Sommerfrische hinweg. Die leibliche Erquickung ist auf diese Art so wohlbedacht, daß die geistige daneben fast zu Schaden kommt. Ein Lesecabinet, wie im Casino des reichen Bozens, findet sich in solcher Armuth gewiß in keiner andern deutschen Stadt von neuntausend Einwohnern. Freilich sagt man die Andächtigen seyen schuld an dieser Misere, da sie vieles, was die andern wünschen, als lutherisch nicht vertragen wollen. Immerhin beziehen mehrere Privatmänner anziehende Erscheinungen der deutschen Presse auf eigene Rechnung. Man sieht daraus, daß auch hier noch Leute zu finden, die etwas daran setzen mit dem Vaterlande in literarischer Verbindung zu bleiben. Im Allgemeinen aber haben es die weltlichen Bozner dahin gebracht, daß sie im ganzen Lande als klug, wohlbedacht und berechnend, aber auch als materielle Herren gelten, die sich zu sehr in ihre Kirchspielinteressen und altherkömmliches Wohlleben verloren haben. Andrerseits erkennen viele Bozner im Stillen die Gebresten ihrer Stadt wohl an und deuten mit Bitterkeit dahin, wo nach ihrer Ansicht deren Quelle ist, auf die dicke, frömmelnde Scheinheiligkeit, die über ihnen liegt und jede freiere Regung verketzert.
Da sie nun auch mit Witz und körnigem Salz wohl ausgestattet sind, so rächen sie sich heimlich an dem frommen
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