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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sich mit der ordinären Erlaubniß des Landesclerus begnügen muß. Amulete, Medaillen und derlei Haus- und Heilmittel, die man anderswo der frommen Einfalt des Landvolks überläßt, sieht man hier am Halse der Elite; auch Rosenkränze mit ausgespannten Händen und derlei starke Andachten kommen vor. Der gottselige Ausbund der Bozner hatte auch seinen guten Antheil an dem Aufkommen der Jesuiten in Tirol und das ist ihm übel notirt im Lande. Gebet- und Kochbücher bilden in manchem Hause die einzige Lectüre, denn die deutsche Literatur gilt in solchen als verdächtig, weil sie lutherisch (spr. lutt'risch) sey, und man freut sich, nichts davon zu wissen. Selbst über den lieben, freundlichen Erzvater schöner und edler Gefühle in deutscher Jugend, über den Herrn Friedrich Schiller aus Marbach in Schwaben, hat man hier seine eigenen Ansichten. Als man sein Bild in jenem Garten aufstellte, fragte zum Beispiel eine zürnende Stimme: warum diesen Mann vergänglichen Namens und nicht den heiligen Paulus? Ja es ist noch gar nicht lange her, daß einer der Geistreichen von Tirol, zwar kein Bozner, aber unter den Augen und der Inspiration einer tugendhaften Bozner Dame schreibend, in einer katholischen Zeitschrift gegen Schiller Verwahrung einlegte, und seiner Bildsäule nicht einmal einen Garten den er nicht hat, öffnen zu wollen erklärte, weil er fürchte, seine oder andrer Leute Kinder möchten ihn fragen, ob dieser Mann, dessen Bild sie umspielen, für die katholische Religion, sein höchstes Kleinod (?) gestritten in Wort und That. Nein, sagt er, wir wollen unsere Gärten unentweiht besitzen. O, über eure unentweihten Gärten mit ihren aspasischen Mysterien!! - Einige Ehrenmänner von dieser Seite, die gleichwohl eine mäßige Bekanntschaft mit Büchern als eine dem Zeitgeist gemachte Concession ansehen, behaupten, Herr Anton Passy, ein Jesuit zu Wien, der Verkünder Filumenens, sey der beste deutsche Stylist und könne für gute Christenleute insbesondere den heidnischen Goethe ganz ersetzen. Geistiges Leben und ästhetischer Bildungstrieb sind daher unter den Frommen zu Bozen jedenfalls auf ganz andern Bahnen als sonst im deutschen Vaterlande, und eine Ausgleichung scheint

sich mit der ordinären Erlaubniß des Landesclerus begnügen muß. Amulete, Medaillen und derlei Haus- und Heilmittel, die man anderswo der frommen Einfalt des Landvolks überläßt, sieht man hier am Halse der Elite; auch Rosenkränze mit ausgespannten Händen und derlei starke Andachten kommen vor. Der gottselige Ausbund der Bozner hatte auch seinen guten Antheil an dem Aufkommen der Jesuiten in Tirol und das ist ihm übel notirt im Lande. Gebet- und Kochbücher bilden in manchem Hause die einzige Lectüre, denn die deutsche Literatur gilt in solchen als verdächtig, weil sie lutherisch (spr. lutt’risch) sey, und man freut sich, nichts davon zu wissen. Selbst über den lieben, freundlichen Erzvater schöner und edler Gefühle in deutscher Jugend, über den Herrn Friedrich Schiller aus Marbach in Schwaben, hat man hier seine eigenen Ansichten. Als man sein Bild in jenem Garten aufstellte, fragte zum Beispiel eine zürnende Stimme: warum diesen Mann vergänglichen Namens und nicht den heiligen Paulus? Ja es ist noch gar nicht lange her, daß einer der Geistreichen von Tirol, zwar kein Bozner, aber unter den Augen und der Inspiration einer tugendhaften Bozner Dame schreibend, in einer katholischen Zeitschrift gegen Schiller Verwahrung einlegte, und seiner Bildsäule nicht einmal einen Garten den er nicht hat, öffnen zu wollen erklärte, weil er fürchte, seine oder andrer Leute Kinder möchten ihn fragen, ob dieser Mann, dessen Bild sie umspielen, für die katholische Religion, sein höchstes Kleinod (?) gestritten in Wort und That. Nein, sagt er, wir wollen unsere Gärten unentweiht besitzen. O, über eure unentweihten Gärten mit ihren aspasischen Mysterien!! – Einige Ehrenmänner von dieser Seite, die gleichwohl eine mäßige Bekanntschaft mit Büchern als eine dem Zeitgeist gemachte Concession ansehen, behaupten, Herr Anton Passy, ein Jesuit zu Wien, der Verkünder Filumenens, sey der beste deutsche Stylist und könne für gute Christenleute insbesondere den heidnischen Goethe ganz ersetzen. Geistiges Leben und ästhetischer Bildungstrieb sind daher unter den Frommen zu Bozen jedenfalls auf ganz andern Bahnen als sonst im deutschen Vaterlande, und eine Ausgleichung scheint

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sich mit der ordinären Erlaubniß des Landesclerus begnügen muß. Amulete, Medaillen und derlei Haus- und Heilmittel, die man anderswo der frommen Einfalt des Landvolks überläßt, sieht man hier am Halse der Elite; auch Rosenkränze mit ausgespannten Händen und derlei starke Andachten kommen vor. Der gottselige Ausbund der Bozner hatte auch seinen guten Antheil an dem Aufkommen der Jesuiten in Tirol und das ist ihm übel notirt im Lande. Gebet- und Kochbücher bilden in manchem Hause die einzige Lectüre, denn die deutsche Literatur gilt in solchen als verdächtig, weil sie lutherisch (spr. lutt&#x2019;risch) sey, und man freut sich, nichts davon zu wissen. Selbst über den lieben, freundlichen Erzvater schöner und edler Gefühle in deutscher Jugend, über den Herrn Friedrich Schiller aus Marbach in Schwaben, hat man hier seine eigenen Ansichten. Als man sein Bild in jenem Garten aufstellte, fragte zum Beispiel eine zürnende Stimme: warum diesen Mann vergänglichen Namens und nicht den heiligen Paulus? Ja es ist noch gar nicht lange her, daß einer der Geistreichen von Tirol, zwar kein Bozner, aber unter den Augen und der Inspiration einer tugendhaften Bozner Dame schreibend, in einer katholischen Zeitschrift gegen Schiller Verwahrung einlegte, und seiner Bildsäule nicht einmal einen Garten den er nicht hat, öffnen zu wollen erklärte, weil er fürchte, seine oder andrer Leute Kinder möchten ihn fragen, ob dieser Mann, dessen Bild sie umspielen, für die katholische Religion, sein höchstes Kleinod (?) gestritten in Wort und That. Nein, sagt er, wir wollen unsere Gärten unentweiht besitzen. O, über eure unentweihten Gärten mit ihren aspasischen Mysterien!! &#x2013; Einige Ehrenmänner von dieser Seite, die gleichwohl eine mäßige Bekanntschaft mit Büchern als eine dem Zeitgeist gemachte Concession ansehen, behaupten, Herr Anton Passy, ein Jesuit zu Wien, der Verkünder Filumenens, sey der beste deutsche Stylist und könne für gute Christenleute insbesondere den heidnischen Goethe ganz ersetzen. Geistiges Leben und ästhetischer Bildungstrieb sind daher unter den Frommen zu Bozen jedenfalls auf ganz andern Bahnen als sonst im deutschen Vaterlande, und eine Ausgleichung scheint
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[374/0378] sich mit der ordinären Erlaubniß des Landesclerus begnügen muß. Amulete, Medaillen und derlei Haus- und Heilmittel, die man anderswo der frommen Einfalt des Landvolks überläßt, sieht man hier am Halse der Elite; auch Rosenkränze mit ausgespannten Händen und derlei starke Andachten kommen vor. Der gottselige Ausbund der Bozner hatte auch seinen guten Antheil an dem Aufkommen der Jesuiten in Tirol und das ist ihm übel notirt im Lande. Gebet- und Kochbücher bilden in manchem Hause die einzige Lectüre, denn die deutsche Literatur gilt in solchen als verdächtig, weil sie lutherisch (spr. lutt’risch) sey, und man freut sich, nichts davon zu wissen. Selbst über den lieben, freundlichen Erzvater schöner und edler Gefühle in deutscher Jugend, über den Herrn Friedrich Schiller aus Marbach in Schwaben, hat man hier seine eigenen Ansichten. Als man sein Bild in jenem Garten aufstellte, fragte zum Beispiel eine zürnende Stimme: warum diesen Mann vergänglichen Namens und nicht den heiligen Paulus? Ja es ist noch gar nicht lange her, daß einer der Geistreichen von Tirol, zwar kein Bozner, aber unter den Augen und der Inspiration einer tugendhaften Bozner Dame schreibend, in einer katholischen Zeitschrift gegen Schiller Verwahrung einlegte, und seiner Bildsäule nicht einmal einen Garten den er nicht hat, öffnen zu wollen erklärte, weil er fürchte, seine oder andrer Leute Kinder möchten ihn fragen, ob dieser Mann, dessen Bild sie umspielen, für die katholische Religion, sein höchstes Kleinod (?) gestritten in Wort und That. Nein, sagt er, wir wollen unsere Gärten unentweiht besitzen. O, über eure unentweihten Gärten mit ihren aspasischen Mysterien!! – Einige Ehrenmänner von dieser Seite, die gleichwohl eine mäßige Bekanntschaft mit Büchern als eine dem Zeitgeist gemachte Concession ansehen, behaupten, Herr Anton Passy, ein Jesuit zu Wien, der Verkünder Filumenens, sey der beste deutsche Stylist und könne für gute Christenleute insbesondere den heidnischen Goethe ganz ersetzen. Geistiges Leben und ästhetischer Bildungstrieb sind daher unter den Frommen zu Bozen jedenfalls auf ganz andern Bahnen als sonst im deutschen Vaterlande, und eine Ausgleichung scheint

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/378>, abgerufen am 23.11.2024.