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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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insbesondere der Passeyrer nicht vergessen. Das Stück spielt im Spätjahre 1830, wo Europa unruhig war, und der Dichter läßt daher die wohlunterrichteten Innsbrucker behaupten, die tirolischen Jäger müßten nach Wälschland marschiren, was eigentlich gegen die Verabredung. Deßwegen haucht der Poet in Anspielung auf jenen Zug dem Passeyrer folgende Worte ein:

Die Jager aus dem Lande ze thien -
Das möchte gegen unsre Rechte gien?

worauf denn freilich der loyale Höttinger, aus der Vorstadt von Innsbruck, nichts anders entgegnet als:

Du Dott'l, was red'st jetzt da daher!
Da wird man g'wiß enk Passeyrer fragen -
Gegen unsre Rechte ging noch mehr;
Geh' nunter zum Kaiser und thu di beklagen!

Indessen, wie gesagt, die Passeyrer haben diese schwierige und heikle Wissenschaft nunmehr auch den "bessern Leuten" überlassen und leben von dem dürftigen Ertrag ihrer engen Feldungen, verarmen aber immer mehr und nehmen auch alle Jahre ab an Seelenzahl. Die Noth drängt sie zu auswärtigem Erwerbe; viele gehen als Kraksenträger Jahr aus Jahr ein über den Jaufen und tragen das Meraner Obst und die Küchelberger Trauben auf den Markt zu München. Selten kehren sie dann wieder, ohne etwas bayerischen Tabak ins Vaterland zu schmuggeln. Andre sind dem Viehhandel ergeben und treiben sich speculirend in Wälschtirol herum. Dieß soll ihnen aber einen Schliff und eine weltliche Pfiffigkeit verleihen, die sie ihren Brüdern in der Heimath sehr unähnlich machen und von all den Tugenden, die man jenen beilegt, will man bei ihnen die wenigsten wieder finden. Einem jungen bildschönen Sohn des Thales begegnete ich einst in den Gassen von München und erhielt auf die Frage, was er da zu thun habe, die bescheidene Antwort: Modell stehen bei den Malern! Die schöne Gestalt der Passeyrer darf auch wirklich nicht unerwähnt bleiben, und hat noch die Anerkennung aller Reisenden gefunden. Ihre Tracht gleicht in den Hauptzügen jener der Bauern um Meran, doch fehlen die farbigen Aufschläge und die rothe Weste vertritt ein breiter, braunlederner, schön

insbesondere der Passeyrer nicht vergessen. Das Stück spielt im Spätjahre 1830, wo Europa unruhig war, und der Dichter läßt daher die wohlunterrichteten Innsbrucker behaupten, die tirolischen Jäger müßten nach Wälschland marschiren, was eigentlich gegen die Verabredung. Deßwegen haucht der Poet in Anspielung auf jenen Zug dem Passeyrer folgende Worte ein:

Die Jager aus dem Lande ze thien –
Das möchte gegen unsre Rechte gien?

worauf denn freilich der loyale Höttinger, aus der Vorstadt von Innsbruck, nichts anders entgegnet als:

Du Dott’l, was red’st jetzt da daher!
Da wird man g’wiß enk Passeyrer fragen –
Gegen unsre Rechte ging noch mehr;
Geh’ nunter zum Kaiser und thu di beklagen!

Indessen, wie gesagt, die Passeyrer haben diese schwierige und heikle Wissenschaft nunmehr auch den „bessern Leuten“ überlassen und leben von dem dürftigen Ertrag ihrer engen Feldungen, verarmen aber immer mehr und nehmen auch alle Jahre ab an Seelenzahl. Die Noth drängt sie zu auswärtigem Erwerbe; viele gehen als Kraksenträger Jahr aus Jahr ein über den Jaufen und tragen das Meraner Obst und die Küchelberger Trauben auf den Markt zu München. Selten kehren sie dann wieder, ohne etwas bayerischen Tabak ins Vaterland zu schmuggeln. Andre sind dem Viehhandel ergeben und treiben sich speculirend in Wälschtirol herum. Dieß soll ihnen aber einen Schliff und eine weltliche Pfiffigkeit verleihen, die sie ihren Brüdern in der Heimath sehr unähnlich machen und von all den Tugenden, die man jenen beilegt, will man bei ihnen die wenigsten wieder finden. Einem jungen bildschönen Sohn des Thales begegnete ich einst in den Gassen von München und erhielt auf die Frage, was er da zu thun habe, die bescheidene Antwort: Modell stehen bei den Malern! Die schöne Gestalt der Passeyrer darf auch wirklich nicht unerwähnt bleiben, und hat noch die Anerkennung aller Reisenden gefunden. Ihre Tracht gleicht in den Hauptzügen jener der Bauern um Meran, doch fehlen die farbigen Aufschläge und die rothe Weste vertritt ein breiter, braunlederner, schön

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[356/0360] insbesondere der Passeyrer nicht vergessen. Das Stück spielt im Spätjahre 1830, wo Europa unruhig war, und der Dichter läßt daher die wohlunterrichteten Innsbrucker behaupten, die tirolischen Jäger müßten nach Wälschland marschiren, was eigentlich gegen die Verabredung. Deßwegen haucht der Poet in Anspielung auf jenen Zug dem Passeyrer folgende Worte ein: Die Jager aus dem Lande ze thien – Das möchte gegen unsre Rechte gien? worauf denn freilich der loyale Höttinger, aus der Vorstadt von Innsbruck, nichts anders entgegnet als: Du Dott’l, was red’st jetzt da daher! Da wird man g’wiß enk Passeyrer fragen – Gegen unsre Rechte ging noch mehr; Geh’ nunter zum Kaiser und thu di beklagen! Indessen, wie gesagt, die Passeyrer haben diese schwierige und heikle Wissenschaft nunmehr auch den „bessern Leuten“ überlassen und leben von dem dürftigen Ertrag ihrer engen Feldungen, verarmen aber immer mehr und nehmen auch alle Jahre ab an Seelenzahl. Die Noth drängt sie zu auswärtigem Erwerbe; viele gehen als Kraksenträger Jahr aus Jahr ein über den Jaufen und tragen das Meraner Obst und die Küchelberger Trauben auf den Markt zu München. Selten kehren sie dann wieder, ohne etwas bayerischen Tabak ins Vaterland zu schmuggeln. Andre sind dem Viehhandel ergeben und treiben sich speculirend in Wälschtirol herum. Dieß soll ihnen aber einen Schliff und eine weltliche Pfiffigkeit verleihen, die sie ihren Brüdern in der Heimath sehr unähnlich machen und von all den Tugenden, die man jenen beilegt, will man bei ihnen die wenigsten wieder finden. Einem jungen bildschönen Sohn des Thales begegnete ich einst in den Gassen von München und erhielt auf die Frage, was er da zu thun habe, die bescheidene Antwort: Modell stehen bei den Malern! Die schöne Gestalt der Passeyrer darf auch wirklich nicht unerwähnt bleiben, und hat noch die Anerkennung aller Reisenden gefunden. Ihre Tracht gleicht in den Hauptzügen jener der Bauern um Meran, doch fehlen die farbigen Aufschläge und die rothe Weste vertritt ein breiter, braunlederner, schön

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/360>, abgerufen am 23.11.2024.