Was thaten sie, damit dein Volk sich freue Des schönen Zieles, dem du nachgestrebt? Sie haben dir ein Wappen angehangen, Ein stolzes Von dem Namen beigefügt. Der Freibrief, den dein Thun und Tod verlangen, Sag' alter Hofer, sag, wo der jetzt liegt? Sie haben zu den Fürsten dich begraben, Du darfst dereinst mit Fürsten auferstehn. Sie wollen todt dich noch im Auge haben, Dein Volk nicht, nur die Fürsten sollst du sehn -
Ja wohl, Ade du falsche Welt, du schnöde! Schlaf fest, Andreas, hörst, sie lachen ja, Sie schelten dich einfältig jetzt und blöde; Dein Volk vergißt, was es einst that und sah -
Du bist kein Held, hast keinen spielen wollen, Doch du warst fromm und warst dir selbst getreu: Das ist's, woran die Deinen denken sollen - Und dann, Tirol, wirst du vielleicht einst frei.
Später erst hörte ich etwas mehr von dieser trübseligen Geschichte. Das Gedicht stand, vielfach bestaunt, längere Zeit in dem Gedenkbuche, bis der Herr Finanzrath * von Brixen des Weges kam und im Sandwirthshause zukehrte. Er hatte auch sein sechzehnjähriges Töchterchen bei sich, welches als gebildete Tirolerin das Gedenkbuch aufschlug und emsig darin zu lesen anfing. Mitten drinnen rief sie bewundernd aus: Ach Papa, da lies einmal, was das für ein schönes Gedicht ist? Der Herr Vater, der sinnend über dem Weinglase gesessen, nimmt das Buch zur Hand, liest und verliert fast seine ganze Seelenruhe darüber. Das Töchterchen sieht mit Befremden seine Aufregung, hört, wie er nach dem Landrichter schickt, wie sie beide die gewichtigsten Worte wechseln, dann mit rauher Scheere die schlimmen Blätter herausschneiden und einen Eilboten nach Innsbruck entsenden. Der Vater freute sich der erfüllten Pflicht, das Töchterchen aber bedauerte noch lange, daß sie ihr Vergnügen nicht bei sich behalten.
Der jetzige Wirth am Sand ist Andreas Erb, der in erster Ehe mit einer Tochter Hofers vermählt war. Sie starb
Was thaten sie, damit dein Volk sich freue Des schönen Zieles, dem du nachgestrebt? Sie haben dir ein Wappen angehangen, Ein stolzes Von dem Namen beigefügt. Der Freibrief, den dein Thun und Tod verlangen, Sag’ alter Hofer, sag, wo der jetzt liegt? Sie haben zu den Fürsten dich begraben, Du darfst dereinst mit Fürsten auferstehn. Sie wollen todt dich noch im Auge haben, Dein Volk nicht, nur die Fürsten sollst du sehn –
Ja wohl, Ade du falsche Welt, du schnöde! Schlaf fest, Andreas, hörst, sie lachen ja, Sie schelten dich einfältig jetzt und blöde; Dein Volk vergißt, was es einst that und sah –
Du bist kein Held, hast keinen spielen wollen, Doch du warst fromm und warst dir selbst getreu: Das ist’s, woran die Deinen denken sollen – Und dann, Tirol, wirst du vielleicht einst frei.
Später erst hörte ich etwas mehr von dieser trübseligen Geschichte. Das Gedicht stand, vielfach bestaunt, längere Zeit in dem Gedenkbuche, bis der Herr Finanzrath * von Brixen des Weges kam und im Sandwirthshause zukehrte. Er hatte auch sein sechzehnjähriges Töchterchen bei sich, welches als gebildete Tirolerin das Gedenkbuch aufschlug und emsig darin zu lesen anfing. Mitten drinnen rief sie bewundernd aus: Ach Papa, da lies einmal, was das für ein schönes Gedicht ist? Der Herr Vater, der sinnend über dem Weinglase gesessen, nimmt das Buch zur Hand, liest und verliert fast seine ganze Seelenruhe darüber. Das Töchterchen sieht mit Befremden seine Aufregung, hört, wie er nach dem Landrichter schickt, wie sie beide die gewichtigsten Worte wechseln, dann mit rauher Scheere die schlimmen Blätter herausschneiden und einen Eilboten nach Innsbruck entsenden. Der Vater freute sich der erfüllten Pflicht, das Töchterchen aber bedauerte noch lange, daß sie ihr Vergnügen nicht bei sich behalten.
Der jetzige Wirth am Sand ist Andreas Erb, der in erster Ehe mit einer Tochter Hofers vermählt war. Sie starb
<TEI><text><body><divn="1"><lgtype="poem"><lgn="1"><pbfacs="#f0354"n="350"/><l>Was thaten <hirendition="#g">sie</hi>, damit dein Volk sich freue</l><lb/><l>Des schönen Zieles, dem du nachgestrebt?</l><lb/><l>Sie haben dir ein Wappen angehangen,</l><lb/><l>Ein stolzes Von dem Namen beigefügt.</l><lb/><l>Der Freibrief, den dein Thun und Tod verlangen,</l><lb/><l>Sag’ alter Hofer, sag, wo der jetzt liegt?</l><lb/><l>Sie haben zu den Fürsten dich begraben,</l><lb/><l>Du darfst dereinst mit Fürsten auferstehn.</l><lb/><l>Sie wollen todt dich noch im Auge haben,</l><lb/><l>Dein Volk nicht, nur die Fürsten sollst du sehn –</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgn="2"><l>Ja wohl, Ade du falsche Welt, du schnöde!</l><lb/><l>Schlaf fest, Andreas, hörst, sie lachen ja,</l><lb/><l>Sie schelten dich einfältig jetzt und blöde;</l><lb/><l>Dein Volk vergißt, was es einst that und sah –</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgn="3"><l>Du bist kein Held, hast keinen spielen wollen,</l><lb/><l>Doch du warst fromm und warst dir selbst getreu:</l><lb/><l>Das ist’s, woran die Deinen denken sollen –</l><lb/><l>Und dann, Tirol, wirst du vielleicht einst frei.</l><lb/></lg></lg><p>Später erst hörte ich etwas mehr von dieser trübseligen Geschichte. Das Gedicht stand, vielfach bestaunt, längere Zeit in dem Gedenkbuche, bis der Herr Finanzrath * von Brixen des Weges kam und im Sandwirthshause zukehrte. Er hatte auch sein sechzehnjähriges Töchterchen bei sich, welches als gebildete Tirolerin das Gedenkbuch aufschlug und emsig darin zu lesen anfing. Mitten drinnen rief sie bewundernd aus: Ach Papa, da lies einmal, was das für ein schönes Gedicht ist? Der Herr Vater, der sinnend über dem Weinglase gesessen, nimmt das Buch zur Hand, liest und verliert fast seine ganze Seelenruhe darüber. Das Töchterchen sieht mit Befremden seine Aufregung, hört, wie er nach dem Landrichter schickt, wie sie beide die gewichtigsten Worte wechseln, dann mit rauher Scheere die schlimmen Blätter herausschneiden und einen Eilboten nach Innsbruck entsenden. Der Vater freute sich der erfüllten Pflicht, das Töchterchen aber bedauerte noch lange, daß sie ihr Vergnügen nicht bei sich behalten.</p><p>Der jetzige Wirth am Sand ist Andreas Erb, der in erster Ehe mit einer Tochter Hofers vermählt war. Sie starb
</p></div></body></text></TEI>
[350/0354]
Was thaten sie, damit dein Volk sich freue
Des schönen Zieles, dem du nachgestrebt?
Sie haben dir ein Wappen angehangen,
Ein stolzes Von dem Namen beigefügt.
Der Freibrief, den dein Thun und Tod verlangen,
Sag’ alter Hofer, sag, wo der jetzt liegt?
Sie haben zu den Fürsten dich begraben,
Du darfst dereinst mit Fürsten auferstehn.
Sie wollen todt dich noch im Auge haben,
Dein Volk nicht, nur die Fürsten sollst du sehn –
Ja wohl, Ade du falsche Welt, du schnöde!
Schlaf fest, Andreas, hörst, sie lachen ja,
Sie schelten dich einfältig jetzt und blöde;
Dein Volk vergißt, was es einst that und sah –
Du bist kein Held, hast keinen spielen wollen,
Doch du warst fromm und warst dir selbst getreu:
Das ist’s, woran die Deinen denken sollen –
Und dann, Tirol, wirst du vielleicht einst frei.
Später erst hörte ich etwas mehr von dieser trübseligen Geschichte. Das Gedicht stand, vielfach bestaunt, längere Zeit in dem Gedenkbuche, bis der Herr Finanzrath * von Brixen des Weges kam und im Sandwirthshause zukehrte. Er hatte auch sein sechzehnjähriges Töchterchen bei sich, welches als gebildete Tirolerin das Gedenkbuch aufschlug und emsig darin zu lesen anfing. Mitten drinnen rief sie bewundernd aus: Ach Papa, da lies einmal, was das für ein schönes Gedicht ist? Der Herr Vater, der sinnend über dem Weinglase gesessen, nimmt das Buch zur Hand, liest und verliert fast seine ganze Seelenruhe darüber. Das Töchterchen sieht mit Befremden seine Aufregung, hört, wie er nach dem Landrichter schickt, wie sie beide die gewichtigsten Worte wechseln, dann mit rauher Scheere die schlimmen Blätter herausschneiden und einen Eilboten nach Innsbruck entsenden. Der Vater freute sich der erfüllten Pflicht, das Töchterchen aber bedauerte noch lange, daß sie ihr Vergnügen nicht bei sich behalten.
Der jetzige Wirth am Sand ist Andreas Erb, der in erster Ehe mit einer Tochter Hofers vermählt war. Sie starb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/354>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.