Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.In der That sind die bayerischen Traubengäste nicht unwillkommen in Meran, und bis sie etwa einmal den Engländern weichen müssen, wird man diese Colonie, die zeitenweise auf dreißig und vierzig Köpfe steigt, als unverwerfliche Einkommensquelle mit offenem Wohlwollen betrachten. Stehen doch jetzt die Miethpreise der Wohnungen drei- und viermal so hoch als vor zwanzig Jahren. Die Meraner sind wegen ihrer politischen Meinungen und Ansichten von pflichtsüchtigen Menschen schon öfter schlimm überschrieben worden, und das ist ihnen natürlich unangenehm. Darum lieben sie über alles die Gelegenheiten, wo sie ihren alttirolischen Patriotismus und die unerschütterliche Anhänglichkeit an das habsburgische Haus in festlicher Glorie darlegen dürfen. Wenn daher der Kaiser oder die Erzherzoge nach Tirol kommen, so werden sie kaum irgendwo freudiger und feierlicher empfangen, als zu Meran. Die gnädigen Fürsten erklären dann auch mit Rührung, wie sehr sie sich getäuscht, wie freundlich sie sich angesprochen fühlen von all den zahllosen Beweisen unvergänglicher Treue und Liebe. Kaum sind aber die Böller verklungen, so fällt man wieder in den alten Vergleich zurück zwischen der Zeit, wo die Ihrn fünf Gulden, und der andern, wo sie dreißig Gulden kostet. So oft man indessen von diesen Dingen reden hört, so bleibt doch noch manches Bedenken über. Der höhere Preis, den der Wein früher hatte, ist keinem Zweifel unterworfen, aber andererseits scheint es fast, als sey der vielgerühmte damalige Absatz nach Bayern lediglich eine Einbildung, und als dürfe jener hohe Preisstand dem Zusammenwirken ganz andrer Verhältnisse zugeschrieben werden. In der Schrift: Tirol unter der bayerischen Regierung,*) die von einem sehr gut unterrichteten Tiroler geschrieben ist, findet sich nichts von diesem segensreichen Verkehr mit Bayern, und es ist kaum zu glauben, daß der Verfasser davon geschwiegen hätte. Er sagt nur, daß durch die Einführung der neuern Methode die Ausfuhr des Tiroler Weines sehr abgenommen habe, keineswegs mehr bedeutend *) Aarau 1816. S. 32.
In der That sind die bayerischen Traubengäste nicht unwillkommen in Meran, und bis sie etwa einmal den Engländern weichen müssen, wird man diese Colonie, die zeitenweise auf dreißig und vierzig Köpfe steigt, als unverwerfliche Einkommensquelle mit offenem Wohlwollen betrachten. Stehen doch jetzt die Miethpreise der Wohnungen drei- und viermal so hoch als vor zwanzig Jahren. Die Meraner sind wegen ihrer politischen Meinungen und Ansichten von pflichtsüchtigen Menschen schon öfter schlimm überschrieben worden, und das ist ihnen natürlich unangenehm. Darum lieben sie über alles die Gelegenheiten, wo sie ihren alttirolischen Patriotismus und die unerschütterliche Anhänglichkeit an das habsburgische Haus in festlicher Glorie darlegen dürfen. Wenn daher der Kaiser oder die Erzherzoge nach Tirol kommen, so werden sie kaum irgendwo freudiger und feierlicher empfangen, als zu Meran. Die gnädigen Fürsten erklären dann auch mit Rührung, wie sehr sie sich getäuscht, wie freundlich sie sich angesprochen fühlen von all den zahllosen Beweisen unvergänglicher Treue und Liebe. Kaum sind aber die Böller verklungen, so fällt man wieder in den alten Vergleich zurück zwischen der Zeit, wo die Ihrn fünf Gulden, und der andern, wo sie dreißig Gulden kostet. So oft man indessen von diesen Dingen reden hört, so bleibt doch noch manches Bedenken über. Der höhere Preis, den der Wein früher hatte, ist keinem Zweifel unterworfen, aber andererseits scheint es fast, als sey der vielgerühmte damalige Absatz nach Bayern lediglich eine Einbildung, und als dürfe jener hohe Preisstand dem Zusammenwirken ganz andrer Verhältnisse zugeschrieben werden. In der Schrift: Tirol unter der bayerischen Regierung,*) die von einem sehr gut unterrichteten Tiroler geschrieben ist, findet sich nichts von diesem segensreichen Verkehr mit Bayern, und es ist kaum zu glauben, daß der Verfasser davon geschwiegen hätte. Er sagt nur, daß durch die Einführung der neuern Methode die Ausfuhr des Tiroler Weines sehr abgenommen habe, keineswegs mehr bedeutend *) Aarau 1816. S. 32.
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In der That sind die bayerischen Traubengäste nicht unwillkommen in Meran, und bis sie etwa einmal den Engländern weichen müssen, wird man diese Colonie, die zeitenweise auf dreißig und vierzig Köpfe steigt, als unverwerfliche Einkommensquelle mit offenem Wohlwollen betrachten. Stehen doch jetzt die Miethpreise der Wohnungen drei- und viermal so hoch als vor zwanzig Jahren.
Die Meraner sind wegen ihrer politischen Meinungen und Ansichten von pflichtsüchtigen Menschen schon öfter schlimm überschrieben worden, und das ist ihnen natürlich unangenehm. Darum lieben sie über alles die Gelegenheiten, wo sie ihren alttirolischen Patriotismus und die unerschütterliche Anhänglichkeit an das habsburgische Haus in festlicher Glorie darlegen dürfen. Wenn daher der Kaiser oder die Erzherzoge nach Tirol kommen, so werden sie kaum irgendwo freudiger und feierlicher empfangen, als zu Meran. Die gnädigen Fürsten erklären dann auch mit Rührung, wie sehr sie sich getäuscht, wie freundlich sie sich angesprochen fühlen von all den zahllosen Beweisen unvergänglicher Treue und Liebe. Kaum sind aber die Böller verklungen, so fällt man wieder in den alten Vergleich zurück zwischen der Zeit, wo die Ihrn fünf Gulden, und der andern, wo sie dreißig Gulden kostet. So oft man indessen von diesen Dingen reden hört, so bleibt doch noch manches Bedenken über. Der höhere Preis, den der Wein früher hatte, ist keinem Zweifel unterworfen, aber andererseits scheint es fast, als sey der vielgerühmte damalige Absatz nach Bayern lediglich eine Einbildung, und als dürfe jener hohe Preisstand dem Zusammenwirken ganz andrer Verhältnisse zugeschrieben werden. In der Schrift: Tirol unter der bayerischen Regierung, *) die von einem sehr gut unterrichteten Tiroler geschrieben ist, findet sich nichts von diesem segensreichen Verkehr mit Bayern, und es ist kaum zu glauben, daß der Verfasser davon geschwiegen hätte. Er sagt nur, daß durch die Einführung der neuern Methode die Ausfuhr des Tiroler Weines sehr abgenommen habe, keineswegs mehr bedeutend
*) Aarau 1816. S. 32.
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