Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Seite der Etsch liegt Schluderns und das große Schloß Churburg, eine vorstehende waldige Höhe krönend.

Dort auf der wiesenreichen Fläche zwischen Glurns und Mals und hinein gegen die Höhen von Taufers war eine blutige Schlacht, als am 22 Lenzmonat im Jahr 1499 die Engadeiner durch das Münsterthal herauskamen und achttausend Tiroler mit ihren dreihundert Herren von Adel und Ulrich von Habsberg, dem ungeschickten Feldhauptmann, ihnen das Land verwehren wollten. Während die berittenen Edlen auf dem Plane von Mals ruhig zuschauten, kämpften die Tiroler Bauern heldenmüthig für ihre Mutter Erde auf der Schanze bei Laatsch, wurden aber umgangen, von allen Seiten angegriffen und zu Tausenden erschlagen. Das tirolische Landbanner, dessen Adler die Erzherzogin Catharina von Sachsen mit hohen Händen gestickt hatte und viel andres Kriegzeug ging verloren. Neunhundert Frauen sind an diesem Tage im Vintschgau und zu Meran Wittwen geworden, und bis dahin war in der gefürsteten Grafschaft eine solche Niederlage nicht erlebt. Glurns, Mals, Laatsch, Schluderns und andre Dörfer an der Etsch hinab wurden niedergebrannt, der Schrecken weithin verbreitet. Nachdem sie dieß verrichtet, zogen die Engadeiner, welche selbst viel Blut verloren hatten, wieder heimwärts in ihr Thal. Den Tirolern, die alles Unglück dem schlechten Befehlshaber auflegten, hinterblieb aber eine namenlose Wuth und ein Haufe der Entkommenen, der nach Meran geeilt, erwürgte dort dreißig Engadeiner, die als Geißeln in der Stadt lagen. Rühmlich ist dagegen, wie sich gleich in den nächsten Tagen der Landtag zu Meran erhob und mit kräftigem Entschlusse den Schaden gut und die Grafschaft wieder wehrhaft zu machen strebte. Am achten Tage nach der Niederlage kam Kaiser Max von Landeck her mit achttausend wohlgerüsteten Kriegsleuten selbst nach Glurns und ritt auf das Schlachtfeld, wo er, die unbegrabenen Leichen der treuen Tiroler gewahrend, seiner Rührung nicht wehren konnte und den Gefallenen kaiserliche Thränen weinte. Auf der Walstatt leuchten noch jetzt von Zeit zu Zeit seltsame Feuer auf, die an der Stelle, wo sie flackern, einen Halbmond ausbrennen und den Boden für ein

Seite der Etsch liegt Schluderns und das große Schloß Churburg, eine vorstehende waldige Höhe krönend.

Dort auf der wiesenreichen Fläche zwischen Glurns und Mals und hinein gegen die Höhen von Taufers war eine blutige Schlacht, als am 22 Lenzmonat im Jahr 1499 die Engadeiner durch das Münsterthal herauskamen und achttausend Tiroler mit ihren dreihundert Herren von Adel und Ulrich von Habsberg, dem ungeschickten Feldhauptmann, ihnen das Land verwehren wollten. Während die berittenen Edlen auf dem Plane von Mals ruhig zuschauten, kämpften die Tiroler Bauern heldenmüthig für ihre Mutter Erde auf der Schanze bei Laatsch, wurden aber umgangen, von allen Seiten angegriffen und zu Tausenden erschlagen. Das tirolische Landbanner, dessen Adler die Erzherzogin Catharina von Sachsen mit hohen Händen gestickt hatte und viel andres Kriegzeug ging verloren. Neunhundert Frauen sind an diesem Tage im Vintschgau und zu Meran Wittwen geworden, und bis dahin war in der gefürsteten Grafschaft eine solche Niederlage nicht erlebt. Glurns, Mals, Laatsch, Schluderns und andre Dörfer an der Etsch hinab wurden niedergebrannt, der Schrecken weithin verbreitet. Nachdem sie dieß verrichtet, zogen die Engadeiner, welche selbst viel Blut verloren hatten, wieder heimwärts in ihr Thal. Den Tirolern, die alles Unglück dem schlechten Befehlshaber auflegten, hinterblieb aber eine namenlose Wuth und ein Haufe der Entkommenen, der nach Meran geeilt, erwürgte dort dreißig Engadeiner, die als Geißeln in der Stadt lagen. Rühmlich ist dagegen, wie sich gleich in den nächsten Tagen der Landtag zu Meran erhob und mit kräftigem Entschlusse den Schaden gut und die Grafschaft wieder wehrhaft zu machen strebte. Am achten Tage nach der Niederlage kam Kaiser Max von Landeck her mit achttausend wohlgerüsteten Kriegsleuten selbst nach Glurns und ritt auf das Schlachtfeld, wo er, die unbegrabenen Leichen der treuen Tiroler gewahrend, seiner Rührung nicht wehren konnte und den Gefallenen kaiserliche Thränen weinte. Auf der Walstatt leuchten noch jetzt von Zeit zu Zeit seltsame Feuer auf, die an der Stelle, wo sie flackern, einen Halbmond ausbrennen und den Boden für ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="278"/>
Seite der Etsch liegt Schluderns und das große Schloß Churburg, eine vorstehende waldige Höhe krönend.</p>
        <p>Dort auf der wiesenreichen Fläche zwischen Glurns und Mals und hinein gegen die Höhen von Taufers war eine blutige Schlacht, als am 22 Lenzmonat im Jahr 1499 die Engadeiner durch das Münsterthal herauskamen und achttausend Tiroler mit ihren dreihundert Herren von Adel und Ulrich von Habsberg, dem ungeschickten Feldhauptmann, ihnen das Land verwehren wollten. Während die berittenen Edlen auf dem Plane von Mals ruhig zuschauten, kämpften die Tiroler Bauern heldenmüthig für ihre Mutter Erde auf der Schanze bei Laatsch, wurden aber umgangen, von allen Seiten angegriffen und zu Tausenden erschlagen. Das tirolische Landbanner, dessen Adler die Erzherzogin Catharina von Sachsen mit hohen Händen gestickt hatte und viel andres Kriegzeug ging verloren. Neunhundert Frauen sind an diesem Tage im Vintschgau und zu Meran Wittwen geworden, und bis dahin war in der gefürsteten Grafschaft eine solche Niederlage nicht erlebt. Glurns, Mals, Laatsch, Schluderns und andre Dörfer an der Etsch hinab wurden niedergebrannt, der Schrecken weithin verbreitet. Nachdem sie dieß verrichtet, zogen die Engadeiner, welche selbst viel Blut verloren hatten, wieder heimwärts in ihr Thal. Den Tirolern, die alles Unglück dem schlechten Befehlshaber auflegten, hinterblieb aber eine namenlose Wuth und ein Haufe der Entkommenen, der nach Meran geeilt, erwürgte dort dreißig Engadeiner, die als Geißeln in der Stadt lagen. Rühmlich ist dagegen, wie sich gleich in den nächsten Tagen der Landtag zu Meran erhob und mit kräftigem Entschlusse den Schaden gut und die Grafschaft wieder wehrhaft zu machen strebte. Am achten Tage nach der Niederlage kam Kaiser Max von Landeck her mit achttausend wohlgerüsteten Kriegsleuten selbst nach Glurns und ritt auf das Schlachtfeld, wo er, die unbegrabenen Leichen der treuen Tiroler gewahrend, seiner Rührung nicht wehren konnte und den Gefallenen kaiserliche Thränen weinte. Auf der Walstatt leuchten noch jetzt von Zeit zu Zeit seltsame Feuer auf, die an der Stelle, wo sie flackern, einen Halbmond ausbrennen und den Boden für ein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0282] Seite der Etsch liegt Schluderns und das große Schloß Churburg, eine vorstehende waldige Höhe krönend. Dort auf der wiesenreichen Fläche zwischen Glurns und Mals und hinein gegen die Höhen von Taufers war eine blutige Schlacht, als am 22 Lenzmonat im Jahr 1499 die Engadeiner durch das Münsterthal herauskamen und achttausend Tiroler mit ihren dreihundert Herren von Adel und Ulrich von Habsberg, dem ungeschickten Feldhauptmann, ihnen das Land verwehren wollten. Während die berittenen Edlen auf dem Plane von Mals ruhig zuschauten, kämpften die Tiroler Bauern heldenmüthig für ihre Mutter Erde auf der Schanze bei Laatsch, wurden aber umgangen, von allen Seiten angegriffen und zu Tausenden erschlagen. Das tirolische Landbanner, dessen Adler die Erzherzogin Catharina von Sachsen mit hohen Händen gestickt hatte und viel andres Kriegzeug ging verloren. Neunhundert Frauen sind an diesem Tage im Vintschgau und zu Meran Wittwen geworden, und bis dahin war in der gefürsteten Grafschaft eine solche Niederlage nicht erlebt. Glurns, Mals, Laatsch, Schluderns und andre Dörfer an der Etsch hinab wurden niedergebrannt, der Schrecken weithin verbreitet. Nachdem sie dieß verrichtet, zogen die Engadeiner, welche selbst viel Blut verloren hatten, wieder heimwärts in ihr Thal. Den Tirolern, die alles Unglück dem schlechten Befehlshaber auflegten, hinterblieb aber eine namenlose Wuth und ein Haufe der Entkommenen, der nach Meran geeilt, erwürgte dort dreißig Engadeiner, die als Geißeln in der Stadt lagen. Rühmlich ist dagegen, wie sich gleich in den nächsten Tagen der Landtag zu Meran erhob und mit kräftigem Entschlusse den Schaden gut und die Grafschaft wieder wehrhaft zu machen strebte. Am achten Tage nach der Niederlage kam Kaiser Max von Landeck her mit achttausend wohlgerüsteten Kriegsleuten selbst nach Glurns und ritt auf das Schlachtfeld, wo er, die unbegrabenen Leichen der treuen Tiroler gewahrend, seiner Rührung nicht wehren konnte und den Gefallenen kaiserliche Thränen weinte. Auf der Walstatt leuchten noch jetzt von Zeit zu Zeit seltsame Feuer auf, die an der Stelle, wo sie flackern, einen Halbmond ausbrennen und den Boden für ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/282
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/282>, abgerufen am 23.11.2024.