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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Und in der That, wer von der Pontlatzer Brücke gegen Prutz zufährt, der sieht, wie schon bemerkt, ein schönes weißes Haus mit doppelter Fensterreihe und Capellenthürmchen aus dem Walde herunter blinken, ein Gebäude wie ein Lustschloß, und wenn er nachfragt was das Haus bedeute, so wird ihm jeder kundige Gefährte erklären, dieß sey das neuerbaute Bad von Obladis, das schönste in Deutschtirol, wo es sehr vornehm und fein zu leben und sogar etwas theuer zu zehren sey. Er braucht sich aber durch den Ruf der Vornehmheit und Theurung weder abschrecken, noch anlocken zu lassen, da beides nur im Verhältniß und im Vergleich zu andern Bädern hiesigen Landes gemeint seyn kann. Von luxuriöser Verfeinerung ist auch in Obladis wenig zu spüren und man kann der Anstalt glücklicherweise nicht mehr nachrühmen als bürgerliche Behaglichkeit. Auf Speise und Trank halten die oft vorher schon ganz gesunden Tiroler Badegäste erstaunlich viel und fast mehr als man wohl anderswo für gut erachten würde. Deßwegen gibt's denn sehr reichliche Mahlzeiten und der frugale Abendimbiß, den wir an diesem Tage einnahmen, war so füllsam ausgestattet, daß er auch als Mittagsmahl für den alpenhaftesten Hunger gerecht gewesen wäre. Indessen ist der Preis dafür immerhin nur mäßig und noch billiger sind die Ansätze für Zimmer und Bäder. Ob dieses Obladis bei all dem ein sehr angenehmer Aufenthalt, sollen andre entscheiden. Die beträchtliche Höhe und die Nähe der Oetzthaler Ferner verursachen, daß die Morgen- und Abendstunden empfindlich kalt werden, und die Lage an dem waldigen steilen Abhange bringt etwas Unbequemes in die Spaziergänge. Was dafür allerdings entschädigen kann, ist außer der reinen Bergluft die herrliche Aussicht.

Also gehen wir ans Fenster und betrachten uns diese. Die Burg Laudeck, die auf ihrem Grate von Prutz aus gesehen so schwindelnd emporragt, die liegt jetzt tief zu Füßen, so tief daß einem kaum mehr einfällt, wie viel es Schweiß gekostet bis man sie erreicht; neben ihr das Dorf Ladis und der blaue See. Noch tiefer im Thale erscheinen die Kirche und die weißen Häuser von Prutz, die der grüne Inn bespült

Und in der That, wer von der Pontlatzer Brücke gegen Prutz zufährt, der sieht, wie schon bemerkt, ein schönes weißes Haus mit doppelter Fensterreihe und Capellenthürmchen aus dem Walde herunter blinken, ein Gebäude wie ein Lustschloß, und wenn er nachfragt was das Haus bedeute, so wird ihm jeder kundige Gefährte erklären, dieß sey das neuerbaute Bad von Obladis, das schönste in Deutschtirol, wo es sehr vornehm und fein zu leben und sogar etwas theuer zu zehren sey. Er braucht sich aber durch den Ruf der Vornehmheit und Theurung weder abschrecken, noch anlocken zu lassen, da beides nur im Verhältniß und im Vergleich zu andern Bädern hiesigen Landes gemeint seyn kann. Von luxuriöser Verfeinerung ist auch in Obladis wenig zu spüren und man kann der Anstalt glücklicherweise nicht mehr nachrühmen als bürgerliche Behaglichkeit. Auf Speise und Trank halten die oft vorher schon ganz gesunden Tiroler Badegäste erstaunlich viel und fast mehr als man wohl anderswo für gut erachten würde. Deßwegen gibt’s denn sehr reichliche Mahlzeiten und der frugale Abendimbiß, den wir an diesem Tage einnahmen, war so füllsam ausgestattet, daß er auch als Mittagsmahl für den alpenhaftesten Hunger gerecht gewesen wäre. Indessen ist der Preis dafür immerhin nur mäßig und noch billiger sind die Ansätze für Zimmer und Bäder. Ob dieses Obladis bei all dem ein sehr angenehmer Aufenthalt, sollen andre entscheiden. Die beträchtliche Höhe und die Nähe der Oetzthaler Ferner verursachen, daß die Morgen- und Abendstunden empfindlich kalt werden, und die Lage an dem waldigen steilen Abhange bringt etwas Unbequemes in die Spaziergänge. Was dafür allerdings entschädigen kann, ist außer der reinen Bergluft die herrliche Aussicht.

Also gehen wir ans Fenster und betrachten uns diese. Die Burg Laudeck, die auf ihrem Grate von Prutz aus gesehen so schwindelnd emporragt, die liegt jetzt tief zu Füßen, so tief daß einem kaum mehr einfällt, wie viel es Schweiß gekostet bis man sie erreicht; neben ihr das Dorf Ladis und der blaue See. Noch tiefer im Thale erscheinen die Kirche und die weißen Häuser von Prutz, die der grüne Inn bespült

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[259/0263] Und in der That, wer von der Pontlatzer Brücke gegen Prutz zufährt, der sieht, wie schon bemerkt, ein schönes weißes Haus mit doppelter Fensterreihe und Capellenthürmchen aus dem Walde herunter blinken, ein Gebäude wie ein Lustschloß, und wenn er nachfragt was das Haus bedeute, so wird ihm jeder kundige Gefährte erklären, dieß sey das neuerbaute Bad von Obladis, das schönste in Deutschtirol, wo es sehr vornehm und fein zu leben und sogar etwas theuer zu zehren sey. Er braucht sich aber durch den Ruf der Vornehmheit und Theurung weder abschrecken, noch anlocken zu lassen, da beides nur im Verhältniß und im Vergleich zu andern Bädern hiesigen Landes gemeint seyn kann. Von luxuriöser Verfeinerung ist auch in Obladis wenig zu spüren und man kann der Anstalt glücklicherweise nicht mehr nachrühmen als bürgerliche Behaglichkeit. Auf Speise und Trank halten die oft vorher schon ganz gesunden Tiroler Badegäste erstaunlich viel und fast mehr als man wohl anderswo für gut erachten würde. Deßwegen gibt’s denn sehr reichliche Mahlzeiten und der frugale Abendimbiß, den wir an diesem Tage einnahmen, war so füllsam ausgestattet, daß er auch als Mittagsmahl für den alpenhaftesten Hunger gerecht gewesen wäre. Indessen ist der Preis dafür immerhin nur mäßig und noch billiger sind die Ansätze für Zimmer und Bäder. Ob dieses Obladis bei all dem ein sehr angenehmer Aufenthalt, sollen andre entscheiden. Die beträchtliche Höhe und die Nähe der Oetzthaler Ferner verursachen, daß die Morgen- und Abendstunden empfindlich kalt werden, und die Lage an dem waldigen steilen Abhange bringt etwas Unbequemes in die Spaziergänge. Was dafür allerdings entschädigen kann, ist außer der reinen Bergluft die herrliche Aussicht. Also gehen wir ans Fenster und betrachten uns diese. Die Burg Laudeck, die auf ihrem Grate von Prutz aus gesehen so schwindelnd emporragt, die liegt jetzt tief zu Füßen, so tief daß einem kaum mehr einfällt, wie viel es Schweiß gekostet bis man sie erreicht; neben ihr das Dorf Ladis und der blaue See. Noch tiefer im Thale erscheinen die Kirche und die weißen Häuser von Prutz, die der grüne Inn bespült

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/263>, abgerufen am 23.11.2024.