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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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wo wir hielten, war's noch um ein Gutes schlüpfriger als oben wo wir abgefahren.

Die Stelle scheint überhaupt eine von denen zu seyn, wo einem gern etwas begegnet. Zwei unserer Vorgänger, Dr. Stotter u. Ludwig v. Heufler, die trefflichen Botaniker von Innsbruck, die am 18 Sept. 1839 über den Ferner gingen, wissen auch etwas davon zu erzählen. Es kam ihnen nämlich auf dem schmalen gefährlichen Wege ein Trieb von mehreren hundert Schafen entgegen, und um die furchtsamen Thiere nicht zu verscheuchen, mußten sie sich an die überhängenden Wände seitwärts vom Wege anklammern und geduldig warten bis sie alle vorübergezogen waren, was fast eine Stunde dauerte. Diese Lage konnte für solche Dauer unmöglich befriedigen, und die meisten geben wohl unserm Abenteuer den Vorzug, da es mit angenehmer Bewegung auch den Vortheil der Zeitersparniß verband.

Jetzt standen wir also auf festem Felsenboden und blickten mit noch einmal so viel Vergnügen in die freundliche grüne Tiefe. Dabei sahen wir auch auf die Uhr und brachten heraus daß wir gerade 37 Minuten auf dem Ferner gewesen waren. Im Ganzen hatten wir von Vend bis daher nicht volle fünf Stunden gebraucht und Nicodemus fand darin Grund genug, uns manches Schöne über unsern rüstigen Schritt zu sagen. Hier ließen wir auch den werthen Führer ziehen, der im Sinne hatte noch nach Rofen zurückzugehen. Wir boten ihm, da im voraus nichts bestimmt worden war, sechs Zwanziger als Führerlohn, und er meinte für das bissel Weg sey das übrig Geld genug. Auch legte er seine Zufriedenheit in einer sehr kräftigen Danksagung an den Tag, und gewiß war es ebenfalls nur zur Verlautbarung seiner stillen Freude, daß er uns, allerdings in ganz ungefährlicher Richtung, von oben herab noch etliche große Steine nachwälzte, um die Wirkung bewundern zu lassen, wie sie über das Geröll krachend in den Abgrund sprangen. Wir befanden uns mittlerweile auf einem steilen Felssteig, der mit rothbraunen Blöcken verfriedet ist, und wendeltreppenartig an dem Geschröfe abwärts zieht. Hier setzten wir unsre Bergstöcke ein und halfen uns in raschem Schusse zu

wo wir hielten, war’s noch um ein Gutes schlüpfriger als oben wo wir abgefahren.

Die Stelle scheint überhaupt eine von denen zu seyn, wo einem gern etwas begegnet. Zwei unserer Vorgänger, Dr. Stotter u. Ludwig v. Heufler, die trefflichen Botaniker von Innsbruck, die am 18 Sept. 1839 über den Ferner gingen, wissen auch etwas davon zu erzählen. Es kam ihnen nämlich auf dem schmalen gefährlichen Wege ein Trieb von mehreren hundert Schafen entgegen, und um die furchtsamen Thiere nicht zu verscheuchen, mußten sie sich an die überhängenden Wände seitwärts vom Wege anklammern und geduldig warten bis sie alle vorübergezogen waren, was fast eine Stunde dauerte. Diese Lage konnte für solche Dauer unmöglich befriedigen, und die meisten geben wohl unserm Abenteuer den Vorzug, da es mit angenehmer Bewegung auch den Vortheil der Zeitersparniß verband.

Jetzt standen wir also auf festem Felsenboden und blickten mit noch einmal so viel Vergnügen in die freundliche grüne Tiefe. Dabei sahen wir auch auf die Uhr und brachten heraus daß wir gerade 37 Minuten auf dem Ferner gewesen waren. Im Ganzen hatten wir von Vend bis daher nicht volle fünf Stunden gebraucht und Nicodemus fand darin Grund genug, uns manches Schöne über unsern rüstigen Schritt zu sagen. Hier ließen wir auch den werthen Führer ziehen, der im Sinne hatte noch nach Rofen zurückzugehen. Wir boten ihm, da im voraus nichts bestimmt worden war, sechs Zwanziger als Führerlohn, und er meinte für das bissel Weg sey das übrig Geld genug. Auch legte er seine Zufriedenheit in einer sehr kräftigen Danksagung an den Tag, und gewiß war es ebenfalls nur zur Verlautbarung seiner stillen Freude, daß er uns, allerdings in ganz ungefährlicher Richtung, von oben herab noch etliche große Steine nachwälzte, um die Wirkung bewundern zu lassen, wie sie über das Geröll krachend in den Abgrund sprangen. Wir befanden uns mittlerweile auf einem steilen Felssteig, der mit rothbraunen Blöcken verfriedet ist, und wendeltreppenartig an dem Geschröfe abwärts zieht. Hier setzten wir unsre Bergstöcke ein und halfen uns in raschem Schusse zu

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[243/0247] wo wir hielten, war’s noch um ein Gutes schlüpfriger als oben wo wir abgefahren. Die Stelle scheint überhaupt eine von denen zu seyn, wo einem gern etwas begegnet. Zwei unserer Vorgänger, Dr. Stotter u. Ludwig v. Heufler, die trefflichen Botaniker von Innsbruck, die am 18 Sept. 1839 über den Ferner gingen, wissen auch etwas davon zu erzählen. Es kam ihnen nämlich auf dem schmalen gefährlichen Wege ein Trieb von mehreren hundert Schafen entgegen, und um die furchtsamen Thiere nicht zu verscheuchen, mußten sie sich an die überhängenden Wände seitwärts vom Wege anklammern und geduldig warten bis sie alle vorübergezogen waren, was fast eine Stunde dauerte. Diese Lage konnte für solche Dauer unmöglich befriedigen, und die meisten geben wohl unserm Abenteuer den Vorzug, da es mit angenehmer Bewegung auch den Vortheil der Zeitersparniß verband. Jetzt standen wir also auf festem Felsenboden und blickten mit noch einmal so viel Vergnügen in die freundliche grüne Tiefe. Dabei sahen wir auch auf die Uhr und brachten heraus daß wir gerade 37 Minuten auf dem Ferner gewesen waren. Im Ganzen hatten wir von Vend bis daher nicht volle fünf Stunden gebraucht und Nicodemus fand darin Grund genug, uns manches Schöne über unsern rüstigen Schritt zu sagen. Hier ließen wir auch den werthen Führer ziehen, der im Sinne hatte noch nach Rofen zurückzugehen. Wir boten ihm, da im voraus nichts bestimmt worden war, sechs Zwanziger als Führerlohn, und er meinte für das bissel Weg sey das übrig Geld genug. Auch legte er seine Zufriedenheit in einer sehr kräftigen Danksagung an den Tag, und gewiß war es ebenfalls nur zur Verlautbarung seiner stillen Freude, daß er uns, allerdings in ganz ungefährlicher Richtung, von oben herab noch etliche große Steine nachwälzte, um die Wirkung bewundern zu lassen, wie sie über das Geröll krachend in den Abgrund sprangen. Wir befanden uns mittlerweile auf einem steilen Felssteig, der mit rothbraunen Blöcken verfriedet ist, und wendeltreppenartig an dem Geschröfe abwärts zieht. Hier setzten wir unsre Bergstöcke ein und halfen uns in raschem Schusse zu

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/247>, abgerufen am 23.11.2024.