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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Ruhe auf die grüne Ebene herunterschauen. Aus einem solchen kömmt der Bach, dessen wir so eben gedacht und dessen ungestüme Wuth die Lengenfelder zu einem kostbaren Dammbaue genöthigt hat. Die Lengenfelder trinken lauter solches Fernerwasser - wenigstens sagten sie im Wirthshause es gebe kein anderes. Frisch ist dieß Getränke allerdings und man behauptet sogar, es solle sehr gesund seyn, aber solche die nicht daran gewöhnt, würden an der trüben, milchweißen Farbe leichtlich Anstoß nehmen.

Wer gern an die alten Zeiten deutscher Nation zurückdenkt, der nimmt's vielleicht gut auf, wenn wir ihm sagen, daß in die stillen Gründe von Lengenfeld auch der unglückliche Conradin von Hohenstaufen zu zwei verschiedenenmalen reisig eingeritten ist, im März und im Julius 1264 nämlich, nicht gerade um wichtige Thaten zu verrichten, sondern wohl nur um sein väterliches Erbgut zu beschauen. Zwei seiner Urkunden sind zu Lengenfeld ausgestellt.*)

Im Wirthshause zu Lengenfeld fanden wir einen alten Herrn röthlichen Gesichts, schwarzer Tracht, der uns freundlich ansprach: Comment vous portez-vous, Messieurs? Ueberdieß wußte er noch zu sagen: il fait beau temps und parlez-vous francais? Nachdem wir dieß alles beantwortet hatten, schlugen wir vor zur deutschen Muttersprache herunterzusteigen, was aber unser neuer Freund so lange als möglich aufhielt, da er immerzu der guten Hoffnung war, es werde ihm noch etwas Französisches einfallen. Während des deutschen Gespräches, das sich endlich doch einstellte, fragten wir Reisende auch nach den Sagen, die, wie die Bücher melden, in diesem Thale zu Hause sind. Was? Sagen? - hob aber der andre an - wir haben keine Sagen im Oetzthale! Je nun, bemerkten wir, man liest doch da und dort davon und in manchem Buche wird nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß gerade dieses Thal mit solchen Ueberlieferungen reich gesegnet sey. Alles nur Blendwerk! rief darauf der alte Herr - wir haben keine Sagen, sag' ich. Wir sind aufgeklärt im Oetzthal, so aufgeklärt

*) Hormayr's Taschenbuch für vaterl. Gesch. 1838. S. 65.

Ruhe auf die grüne Ebene herunterschauen. Aus einem solchen kömmt der Bach, dessen wir so eben gedacht und dessen ungestüme Wuth die Lengenfelder zu einem kostbaren Dammbaue genöthigt hat. Die Lengenfelder trinken lauter solches Fernerwasser – wenigstens sagten sie im Wirthshause es gebe kein anderes. Frisch ist dieß Getränke allerdings und man behauptet sogar, es solle sehr gesund seyn, aber solche die nicht daran gewöhnt, würden an der trüben, milchweißen Farbe leichtlich Anstoß nehmen.

Wer gern an die alten Zeiten deutscher Nation zurückdenkt, der nimmt’s vielleicht gut auf, wenn wir ihm sagen, daß in die stillen Gründe von Lengenfeld auch der unglückliche Conradin von Hohenstaufen zu zwei verschiedenenmalen reisig eingeritten ist, im März und im Julius 1264 nämlich, nicht gerade um wichtige Thaten zu verrichten, sondern wohl nur um sein väterliches Erbgut zu beschauen. Zwei seiner Urkunden sind zu Lengenfeld ausgestellt.*)

Im Wirthshause zu Lengenfeld fanden wir einen alten Herrn röthlichen Gesichts, schwarzer Tracht, der uns freundlich ansprach: Comment vous portez-vous, Messieurs? Ueberdieß wußte er noch zu sagen: il fait beau temps und parlez-vous français? Nachdem wir dieß alles beantwortet hatten, schlugen wir vor zur deutschen Muttersprache herunterzusteigen, was aber unser neuer Freund so lange als möglich aufhielt, da er immerzu der guten Hoffnung war, es werde ihm noch etwas Französisches einfallen. Während des deutschen Gespräches, das sich endlich doch einstellte, fragten wir Reisende auch nach den Sagen, die, wie die Bücher melden, in diesem Thale zu Hause sind. Was? Sagen? – hob aber der andre an – wir haben keine Sagen im Oetzthale! Je nun, bemerkten wir, man liest doch da und dort davon und in manchem Buche wird nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß gerade dieses Thal mit solchen Ueberlieferungen reich gesegnet sey. Alles nur Blendwerk! rief darauf der alte Herr – wir haben keine Sagen, sag’ ich. Wir sind aufgeklärt im Oetzthal, so aufgeklärt

*) Hormayr’s Taschenbuch für vaterl. Gesch. 1838. S. 65.
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[218/0222] Ruhe auf die grüne Ebene herunterschauen. Aus einem solchen kömmt der Bach, dessen wir so eben gedacht und dessen ungestüme Wuth die Lengenfelder zu einem kostbaren Dammbaue genöthigt hat. Die Lengenfelder trinken lauter solches Fernerwasser – wenigstens sagten sie im Wirthshause es gebe kein anderes. Frisch ist dieß Getränke allerdings und man behauptet sogar, es solle sehr gesund seyn, aber solche die nicht daran gewöhnt, würden an der trüben, milchweißen Farbe leichtlich Anstoß nehmen. Wer gern an die alten Zeiten deutscher Nation zurückdenkt, der nimmt’s vielleicht gut auf, wenn wir ihm sagen, daß in die stillen Gründe von Lengenfeld auch der unglückliche Conradin von Hohenstaufen zu zwei verschiedenenmalen reisig eingeritten ist, im März und im Julius 1264 nämlich, nicht gerade um wichtige Thaten zu verrichten, sondern wohl nur um sein väterliches Erbgut zu beschauen. Zwei seiner Urkunden sind zu Lengenfeld ausgestellt. *) Im Wirthshause zu Lengenfeld fanden wir einen alten Herrn röthlichen Gesichts, schwarzer Tracht, der uns freundlich ansprach: Comment vous portez-vous, Messieurs? Ueberdieß wußte er noch zu sagen: il fait beau temps und parlez-vous français? Nachdem wir dieß alles beantwortet hatten, schlugen wir vor zur deutschen Muttersprache herunterzusteigen, was aber unser neuer Freund so lange als möglich aufhielt, da er immerzu der guten Hoffnung war, es werde ihm noch etwas Französisches einfallen. Während des deutschen Gespräches, das sich endlich doch einstellte, fragten wir Reisende auch nach den Sagen, die, wie die Bücher melden, in diesem Thale zu Hause sind. Was? Sagen? – hob aber der andre an – wir haben keine Sagen im Oetzthale! Je nun, bemerkten wir, man liest doch da und dort davon und in manchem Buche wird nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß gerade dieses Thal mit solchen Ueberlieferungen reich gesegnet sey. Alles nur Blendwerk! rief darauf der alte Herr – wir haben keine Sagen, sag’ ich. Wir sind aufgeklärt im Oetzthal, so aufgeklärt *) Hormayr’s Taschenbuch für vaterl. Gesch. 1838. S. 65.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/222>, abgerufen am 23.11.2024.