Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.als sich selber, äußert in dieser Beziehung wieder viel Zusammenhalten und weitläufigen Sinn, und wenn sie sonst nichts miteinander reden, so besprechen sie sich doch auf den Blättern der Fremdenbücher schriftlich und geben sich in ihrer heiligen Insularsprache Rath, welche Wirthshäuser zu meiden und welche aufzusuchen seyen, nicht immer zur Freude der Besprochenen. Diesen Gebrauch des Qualificirens in den Fremdenbüchern haben jetzt übrigens auch unsre Landsleute angenommen, verwenden ihn aber ganz verkehrt. Sie schreiben nämlich in ihrer offenen biedern Weise ihre Gesinnung gleich in das Buch des Wirthes selbst, desjenigen Wirthes nämlich, bei dem sie gegessen, getrunken und die Nacht verbracht haben, der ihnen auch zuschaut, während sie ihr Geheimniß in dem Buch veröffentlichen. Es ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, daß sie alle mit Bewirthung und Bedienung "ausgezeichnet zufrieden" sind. Ist ein schönes Mädchen im Haus - und in Tirol ist dieß die Regel - so wird auch dessen in Ehren gedacht. "Ausgezeichnet zufrieden, besonders mit dem schönen Maidele" - kann man alle Fremdenbücher des Lands unter eins gefaßt - wohl mehrere duzendmale lesen. Wenn sie dann ihre ausgezeichnete Zufriedenheit gar zu lecker darstellen, hat der Hausvater sofort nichts eiliger zu thun, als den Wonneruf wieder auszukratzen. Dieß ist die Geschichte der vielen Lacunen im Fremdenbuche zu Z***. Zur Erklärung des schönen, reinlichen und herrenmäßigen Aussehens des Dorfes Landeck wollen wir indessen noch beifügen, daß in Tirol die Städte überhaupt dünn gesäet sind und daß sich namentlich auf der langen, gegen vierzig Stunden zählenden Straßenstrecke, die von Innsbruck über Finstermünz nach Meran zieht, zwischen diesen beiden Städten, das kleine Nestchen Glurns bei Mals ausgenommen, keine dritte findet. Diesen Umstand haben sich die Dörfer und Flecken zu Nutzen gemacht und sie versehen ohne Ringmauern in Handel und Wandel die Dienste ihrer zinnengekrönten Schwestern. Deßwegen findet man denn auch, wie wir vor kurzem bemerkt, in Tirol gar so viele schöne und wohlgestaltete Dörfer. Telfs, Silz, Landeck, Prutz, Nauders, Mals und die Orte des Vintschgaues haben alle dieses stattliche Ansehen. als sich selber, äußert in dieser Beziehung wieder viel Zusammenhalten und weitläufigen Sinn, und wenn sie sonst nichts miteinander reden, so besprechen sie sich doch auf den Blättern der Fremdenbücher schriftlich und geben sich in ihrer heiligen Insularsprache Rath, welche Wirthshäuser zu meiden und welche aufzusuchen seyen, nicht immer zur Freude der Besprochenen. Diesen Gebrauch des Qualificirens in den Fremdenbüchern haben jetzt übrigens auch unsre Landsleute angenommen, verwenden ihn aber ganz verkehrt. Sie schreiben nämlich in ihrer offenen biedern Weise ihre Gesinnung gleich in das Buch des Wirthes selbst, desjenigen Wirthes nämlich, bei dem sie gegessen, getrunken und die Nacht verbracht haben, der ihnen auch zuschaut, während sie ihr Geheimniß in dem Buch veröffentlichen. Es ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, daß sie alle mit Bewirthung und Bedienung „ausgezeichnet zufrieden“ sind. Ist ein schönes Mädchen im Haus – und in Tirol ist dieß die Regel – so wird auch dessen in Ehren gedacht. „Ausgezeichnet zufrieden, besonders mit dem schönen Maidele“ – kann man alle Fremdenbücher des Lands unter eins gefaßt – wohl mehrere duzendmale lesen. Wenn sie dann ihre ausgezeichnete Zufriedenheit gar zu lecker darstellen, hat der Hausvater sofort nichts eiliger zu thun, als den Wonneruf wieder auszukratzen. Dieß ist die Geschichte der vielen Lacunen im Fremdenbuche zu Z***. Zur Erklärung des schönen, reinlichen und herrenmäßigen Aussehens des Dorfes Landeck wollen wir indessen noch beifügen, daß in Tirol die Städte überhaupt dünn gesäet sind und daß sich namentlich auf der langen, gegen vierzig Stunden zählenden Straßenstrecke, die von Innsbruck über Finstermünz nach Meran zieht, zwischen diesen beiden Städten, das kleine Nestchen Glurns bei Mals ausgenommen, keine dritte findet. Diesen Umstand haben sich die Dörfer und Flecken zu Nutzen gemacht und sie versehen ohne Ringmauern in Handel und Wandel die Dienste ihrer zinnengekrönten Schwestern. Deßwegen findet man denn auch, wie wir vor kurzem bemerkt, in Tirol gar so viele schöne und wohlgestaltete Dörfer. Telfs, Silz, Landeck, Prutz, Nauders, Mals und die Orte des Vintschgaues haben alle dieses stattliche Ansehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0211" n="207"/> als sich selber, äußert in dieser Beziehung wieder viel Zusammenhalten und weitläufigen Sinn, und wenn sie sonst nichts miteinander reden, so besprechen sie sich doch auf den Blättern der Fremdenbücher schriftlich und geben sich in ihrer heiligen Insularsprache Rath, welche Wirthshäuser zu meiden und welche aufzusuchen seyen, nicht immer zur Freude der Besprochenen. Diesen Gebrauch des Qualificirens in den Fremdenbüchern haben jetzt übrigens auch unsre Landsleute angenommen, verwenden ihn aber ganz verkehrt. Sie schreiben nämlich in ihrer offenen biedern Weise ihre Gesinnung gleich in das Buch des Wirthes selbst, desjenigen Wirthes nämlich, bei dem sie gegessen, getrunken und die Nacht verbracht haben, der ihnen auch zuschaut, während sie ihr Geheimniß in dem Buch veröffentlichen. Es ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, daß sie alle mit Bewirthung und Bedienung „ausgezeichnet zufrieden“ sind. Ist ein schönes Mädchen im Haus – und in Tirol ist dieß die Regel – so wird auch dessen in Ehren gedacht. „Ausgezeichnet zufrieden, besonders mit dem schönen Maidele“ – kann man alle Fremdenbücher des Lands unter eins gefaßt – wohl mehrere duzendmale lesen. Wenn sie dann ihre ausgezeichnete Zufriedenheit gar zu lecker darstellen, hat der Hausvater sofort nichts eiliger zu thun, als den Wonneruf wieder auszukratzen. Dieß ist die Geschichte der vielen Lacunen im Fremdenbuche zu Z***.</p> <p>Zur Erklärung des schönen, reinlichen und herrenmäßigen Aussehens des Dorfes Landeck wollen wir indessen noch beifügen, daß in Tirol die Städte überhaupt dünn gesäet sind und daß sich namentlich auf der langen, gegen vierzig Stunden zählenden Straßenstrecke, die von Innsbruck über Finstermünz nach Meran zieht, zwischen diesen beiden Städten, das kleine Nestchen Glurns bei Mals ausgenommen, keine dritte findet. Diesen Umstand haben sich die Dörfer und Flecken zu Nutzen gemacht und sie versehen ohne Ringmauern in Handel und Wandel die Dienste ihrer zinnengekrönten Schwestern. Deßwegen findet man denn auch, wie wir vor kurzem bemerkt, in Tirol gar so viele schöne und wohlgestaltete Dörfer. Telfs, Silz, Landeck, Prutz, Nauders, Mals und die Orte des Vintschgaues haben alle dieses stattliche Ansehen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0211]
als sich selber, äußert in dieser Beziehung wieder viel Zusammenhalten und weitläufigen Sinn, und wenn sie sonst nichts miteinander reden, so besprechen sie sich doch auf den Blättern der Fremdenbücher schriftlich und geben sich in ihrer heiligen Insularsprache Rath, welche Wirthshäuser zu meiden und welche aufzusuchen seyen, nicht immer zur Freude der Besprochenen. Diesen Gebrauch des Qualificirens in den Fremdenbüchern haben jetzt übrigens auch unsre Landsleute angenommen, verwenden ihn aber ganz verkehrt. Sie schreiben nämlich in ihrer offenen biedern Weise ihre Gesinnung gleich in das Buch des Wirthes selbst, desjenigen Wirthes nämlich, bei dem sie gegessen, getrunken und die Nacht verbracht haben, der ihnen auch zuschaut, während sie ihr Geheimniß in dem Buch veröffentlichen. Es ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, daß sie alle mit Bewirthung und Bedienung „ausgezeichnet zufrieden“ sind. Ist ein schönes Mädchen im Haus – und in Tirol ist dieß die Regel – so wird auch dessen in Ehren gedacht. „Ausgezeichnet zufrieden, besonders mit dem schönen Maidele“ – kann man alle Fremdenbücher des Lands unter eins gefaßt – wohl mehrere duzendmale lesen. Wenn sie dann ihre ausgezeichnete Zufriedenheit gar zu lecker darstellen, hat der Hausvater sofort nichts eiliger zu thun, als den Wonneruf wieder auszukratzen. Dieß ist die Geschichte der vielen Lacunen im Fremdenbuche zu Z***.
Zur Erklärung des schönen, reinlichen und herrenmäßigen Aussehens des Dorfes Landeck wollen wir indessen noch beifügen, daß in Tirol die Städte überhaupt dünn gesäet sind und daß sich namentlich auf der langen, gegen vierzig Stunden zählenden Straßenstrecke, die von Innsbruck über Finstermünz nach Meran zieht, zwischen diesen beiden Städten, das kleine Nestchen Glurns bei Mals ausgenommen, keine dritte findet. Diesen Umstand haben sich die Dörfer und Flecken zu Nutzen gemacht und sie versehen ohne Ringmauern in Handel und Wandel die Dienste ihrer zinnengekrönten Schwestern. Deßwegen findet man denn auch, wie wir vor kurzem bemerkt, in Tirol gar so viele schöne und wohlgestaltete Dörfer. Telfs, Silz, Landeck, Prutz, Nauders, Mals und die Orte des Vintschgaues haben alle dieses stattliche Ansehen.
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Zitationshilfe: | Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/211>, abgerufen am 24.07.2024. |