Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Dorfschaft des Fürstenthums Liechtenstein, in dessen Gebiet wir nun fast fünf Stunden lang zu wandern haben. Dieses Ländchen, so sehr es wegen seiner Kleinheit verschrien ist, hat gleichwohl einen großen Flecken und ein halb Duzend schöne Dörfer, hat auch ein Hochgebirg mit ein paar unbewohnten Wildthälern und nennt den Vater Rhein seinen Landesstrom. Die Vorsehung hat ferner den Fürsten von Liechtenstein Wohlfahrt und Beseligung von 6000 katholischen Einwohnern übertragen und es ist daher nur Bescheidenheit dieses Regentenhauses, wenn es nicht wie die **schen Fürsten in Thüringen von den "seinem Scepter unterworfenen Völkern" spricht. Von Balzers gegen den Rhein zu schaut von einem fahlen Hügel die Burg Gutenberg ins schöne Thal herab, welche, wie Guler sagt, lange Zeit die Herren von Ramschwag innegehabt im Namen des Hauses Oesterreich. Die Mauern sind noch ungebrochen, ein fester Thurm ragt noch an einer Ecke empor und der ganze Bau zeigt sich noch recht stattlich in all seiner Verödung. Vaduz selbst, der Hauptort des Fürstenthumes Liechtenstein, das die Herren dieses Namens 1708 von den Reichsgrafen von Ems erkauften, ist ein guter Flecken in der Niederung. Dicht über seinen Häusern steigt eine Wand empor, welche reich mit Grün überwachsen das alte Schloß trägt, das ehemals zunächst den Namen Vaduz führte, nun aber von den Einwohnern des Fleckens irrthümlich Liechtenstein genannt wird. Es ist ein steiles Steigen auf diese Höhe, oben aber ein belohnender Blick ins Rheinthal. Die alten Mauern der Burg haben etwas Ungeheurliches, sind dick und schwer, als wenn die Cyclopen sie erbaut hätten. Auf diesen gewaltigen Urbau hat man in spätern Zeiten leichte Mäuerchen aufgesetzt, die gegen die Unterlage seltsam abstechen. Das Wirthshaus im Schloß gilt für einen Hort auserlesenen Landweins; in der Capelle sind etliche altdeutsche Gemälde. Von Vaduz nach Feldkirch lauter schöne Landschaften, wie alle wissen, die einmal vom Rheinthale gehört. Weingelände und Kornfelder, große Bauernhäuser an der Straße, verfallene Burgen auf den Höhen, Obstbaumwaldungen, reiche Dorfschaft des Fürstenthums Liechtenstein, in dessen Gebiet wir nun fast fünf Stunden lang zu wandern haben. Dieses Ländchen, so sehr es wegen seiner Kleinheit verschrien ist, hat gleichwohl einen großen Flecken und ein halb Duzend schöne Dörfer, hat auch ein Hochgebirg mit ein paar unbewohnten Wildthälern und nennt den Vater Rhein seinen Landesstrom. Die Vorsehung hat ferner den Fürsten von Liechtenstein Wohlfahrt und Beseligung von 6000 katholischen Einwohnern übertragen und es ist daher nur Bescheidenheit dieses Regentenhauses, wenn es nicht wie die **schen Fürsten in Thüringen von den „seinem Scepter unterworfenen Völkern" spricht. Von Balzers gegen den Rhein zu schaut von einem fahlen Hügel die Burg Gutenberg ins schöne Thal herab, welche, wie Guler sagt, lange Zeit die Herren von Ramschwag innegehabt im Namen des Hauses Oesterreich. Die Mauern sind noch ungebrochen, ein fester Thurm ragt noch an einer Ecke empor und der ganze Bau zeigt sich noch recht stattlich in all seiner Verödung. Vaduz selbst, der Hauptort des Fürstenthumes Liechtenstein, das die Herren dieses Namens 1708 von den Reichsgrafen von Ems erkauften, ist ein guter Flecken in der Niederung. Dicht über seinen Häusern steigt eine Wand empor, welche reich mit Grün überwachsen das alte Schloß trägt, das ehemals zunächst den Namen Vaduz führte, nun aber von den Einwohnern des Fleckens irrthümlich Liechtenstein genannt wird. Es ist ein steiles Steigen auf diese Höhe, oben aber ein belohnender Blick ins Rheinthal. Die alten Mauern der Burg haben etwas Ungeheurliches, sind dick und schwer, als wenn die Cyclopen sie erbaut hätten. Auf diesen gewaltigen Urbau hat man in spätern Zeiten leichte Mäuerchen aufgesetzt, die gegen die Unterlage seltsam abstechen. Das Wirthshaus im Schloß gilt für einen Hort auserlesenen Landweins; in der Capelle sind etliche altdeutsche Gemälde. Von Vaduz nach Feldkirch lauter schöne Landschaften, wie alle wissen, die einmal vom Rheinthale gehört. Weingelände und Kornfelder, große Bauernhäuser an der Straße, verfallene Burgen auf den Höhen, Obstbaumwaldungen, reiche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="145"/> Dorfschaft des Fürstenthums Liechtenstein, in dessen Gebiet wir nun fast fünf Stunden lang zu wandern haben. Dieses Ländchen, so sehr es wegen seiner Kleinheit verschrien ist, hat gleichwohl einen großen Flecken und ein halb Duzend schöne Dörfer, hat auch ein Hochgebirg mit ein paar unbewohnten Wildthälern und nennt den Vater Rhein seinen Landesstrom. Die Vorsehung hat ferner den Fürsten von Liechtenstein Wohlfahrt und Beseligung von 6000 katholischen Einwohnern übertragen und es ist daher nur Bescheidenheit dieses Regentenhauses, wenn es nicht wie die **schen Fürsten in Thüringen von den „seinem Scepter unterworfenen Völkern" spricht.</p> <p>Von Balzers gegen den Rhein zu schaut von einem fahlen Hügel die Burg Gutenberg ins schöne Thal herab, welche, wie Guler sagt, lange Zeit die Herren von Ramschwag innegehabt im Namen des Hauses Oesterreich. Die Mauern sind noch ungebrochen, ein fester Thurm ragt noch an einer Ecke empor und der ganze Bau zeigt sich noch recht stattlich in all seiner Verödung.</p> <p>Vaduz selbst, der Hauptort des Fürstenthumes Liechtenstein, das die Herren dieses Namens 1708 von den Reichsgrafen von Ems erkauften, ist ein guter Flecken in der Niederung. Dicht über seinen Häusern steigt eine Wand empor, welche reich mit Grün überwachsen das alte Schloß trägt, das ehemals zunächst den Namen Vaduz führte, nun aber von den Einwohnern des Fleckens irrthümlich Liechtenstein genannt wird. Es ist ein steiles Steigen auf diese Höhe, oben aber ein belohnender Blick ins Rheinthal. Die alten Mauern der Burg haben etwas Ungeheurliches, sind dick und schwer, als wenn die Cyclopen sie erbaut hätten. Auf diesen gewaltigen Urbau hat man in spätern Zeiten leichte Mäuerchen aufgesetzt, die gegen die Unterlage seltsam abstechen. Das Wirthshaus im Schloß gilt für einen Hort auserlesenen Landweins; in der Capelle sind etliche altdeutsche Gemälde.</p> <p>Von Vaduz nach Feldkirch lauter schöne Landschaften, wie alle wissen, die einmal vom Rheinthale gehört. Weingelände und Kornfelder, große Bauernhäuser an der Straße, verfallene Burgen auf den Höhen, Obstbaumwaldungen, reiche </p> </div> </body> </text> </TEI> [145/0150]
Dorfschaft des Fürstenthums Liechtenstein, in dessen Gebiet wir nun fast fünf Stunden lang zu wandern haben. Dieses Ländchen, so sehr es wegen seiner Kleinheit verschrien ist, hat gleichwohl einen großen Flecken und ein halb Duzend schöne Dörfer, hat auch ein Hochgebirg mit ein paar unbewohnten Wildthälern und nennt den Vater Rhein seinen Landesstrom. Die Vorsehung hat ferner den Fürsten von Liechtenstein Wohlfahrt und Beseligung von 6000 katholischen Einwohnern übertragen und es ist daher nur Bescheidenheit dieses Regentenhauses, wenn es nicht wie die **schen Fürsten in Thüringen von den „seinem Scepter unterworfenen Völkern" spricht.
Von Balzers gegen den Rhein zu schaut von einem fahlen Hügel die Burg Gutenberg ins schöne Thal herab, welche, wie Guler sagt, lange Zeit die Herren von Ramschwag innegehabt im Namen des Hauses Oesterreich. Die Mauern sind noch ungebrochen, ein fester Thurm ragt noch an einer Ecke empor und der ganze Bau zeigt sich noch recht stattlich in all seiner Verödung.
Vaduz selbst, der Hauptort des Fürstenthumes Liechtenstein, das die Herren dieses Namens 1708 von den Reichsgrafen von Ems erkauften, ist ein guter Flecken in der Niederung. Dicht über seinen Häusern steigt eine Wand empor, welche reich mit Grün überwachsen das alte Schloß trägt, das ehemals zunächst den Namen Vaduz führte, nun aber von den Einwohnern des Fleckens irrthümlich Liechtenstein genannt wird. Es ist ein steiles Steigen auf diese Höhe, oben aber ein belohnender Blick ins Rheinthal. Die alten Mauern der Burg haben etwas Ungeheurliches, sind dick und schwer, als wenn die Cyclopen sie erbaut hätten. Auf diesen gewaltigen Urbau hat man in spätern Zeiten leichte Mäuerchen aufgesetzt, die gegen die Unterlage seltsam abstechen. Das Wirthshaus im Schloß gilt für einen Hort auserlesenen Landweins; in der Capelle sind etliche altdeutsche Gemälde.
Von Vaduz nach Feldkirch lauter schöne Landschaften, wie alle wissen, die einmal vom Rheinthale gehört. Weingelände und Kornfelder, große Bauernhäuser an der Straße, verfallene Burgen auf den Höhen, Obstbaumwaldungen, reiche
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Zitationshilfe: | Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/150>, abgerufen am 22.07.2024. |