Diese nämlich muß sein, folglich muß Sprache sein -- das ist die Entstehung mit innerer Nothwendigkeit --; und sie hat diese dem geistigen Leben unentbehrliche Mittheilung, also das geistige Leben selbst zum Zweck -- das ist das organische Zweckver- hältniß --: die Forderung ist erfüllt, aber im leersten Forma- lismus; und man wird durch solche Schlüsse an Saphir erin- nert. Becker hat nicht so geschlossen; aber wie schlimm, daß es ihm noch zum Vorwurf gereicht, nicht einmal so geschlossen zu haben! Denn nicht bloß ist die Weise, wie Becker statt dessen verfuhr, sophistisch; sondern zweitens fällt hier Becker wieder aus seiner Anschauung des Organischen zurück; denn die Sprache als Werkzeug zur Mittheilung ansehen, heißt, sie als ergon, wie Humboldt es nennt, d. h. sie unorganisch, als Ding betrachten. Denn als solches Werkzeug wirkt eben die Sprache nur wie ein Werkzeug, wie Geberdensprache, Bilder- schrift, und sogar wie willkürliche Zeichen. In der angeführten Stelle sagt auch Becker weiter nichts, als daß die Sprache nicht bloß auf die Befriedigung äußerlicher Bedürfnisse gerich- tet, sondern auch dem geistigen Leben nothwendig sei. Das- selbe aber gilt von der Schrift, von der Buchdruckerei und so- gar von gewissen socialen Instituten für "gesellige Mittheilung der Gedanken und eine Vereinbarung des individuellen Denkens zu einer Allen gemeinsamen Weltanschauung," wie Akademien, Kaffeekränzchen u. s. w.
Endlich müssen wir noch den Schein aufheben, als sei im ganzen Verlaufe des beinahe vier Seiten langen §. 1. irgend welche fortschreitende Entwickelung gegeben, ein Begriff in seine Momente zerlegt, oder gar eine Reihe von Gedanken aus ein- ander abgeleitet; denn alles Gesagte war ja schon vollständig im ersten Satze ausgesprochen: "Man versteht unter Sprache entweder das Sprechen selbst als diejenige Verrichtung des Men- schen, 1) in welcher der Gedanke in die Erscheinung tritt, und 2) durch welche ein gegenseitiger Austausch der Gedanken und eine Gemeinschaft des geistigen Lebens in dem ganzen Ge- schlechte zu Stande kömmt." Hat man im ganzen Paragraphen, das Wort organisch ausgenommen, mehr gehört? So sehen wir von neuem die Tautologie in noch umfangreicherer Weise.
§. 13. Die Sprache als gesprochene.
Wir haben bisher die Sprache nur nach dem Entweder, d. h. als Sprechen, als Verrichtung betrachtet; welches Schick-
Diese nämlich muß sein, folglich muß Sprache sein — das ist die Entstehung mit innerer Nothwendigkeit —; und sie hat diese dem geistigen Leben unentbehrliche Mittheilung, also das geistige Leben selbst zum Zweck — das ist das organische Zweckver- hältniß —: die Forderung ist erfüllt, aber im leersten Forma- lismus; und man wird durch solche Schlüsse an Saphir erin- nert. Becker hat nicht so geschlossen; aber wie schlimm, daß es ihm noch zum Vorwurf gereicht, nicht einmal so geschlossen zu haben! Denn nicht bloß ist die Weise, wie Becker statt dessen verfuhr, sophistisch; sondern zweitens fällt hier Becker wieder aus seiner Anschauung des Organischen zurück; denn die Sprache als Werkzeug zur Mittheilung ansehen, heißt, sie als ἔϱγον, wie Humboldt es nennt, d. h. sie unorganisch, als Ding betrachten. Denn als solches Werkzeug wirkt eben die Sprache nur wie ein Werkzeug, wie Geberdensprache, Bilder- schrift, und sogar wie willkürliche Zeichen. In der angeführten Stelle sagt auch Becker weiter nichts, als daß die Sprache nicht bloß auf die Befriedigung äußerlicher Bedürfnisse gerich- tet, sondern auch dem geistigen Leben nothwendig sei. Das- selbe aber gilt von der Schrift, von der Buchdruckerei und so- gar von gewissen socialen Instituten für „gesellige Mittheilung der Gedanken und eine Vereinbarung des individuellen Denkens zu einer Allen gemeinsamen Weltanschauung,“ wie Akademien, Kaffeekränzchen u. s. w.
Endlich müssen wir noch den Schein aufheben, als sei im ganzen Verlaufe des beinahe vier Seiten langen §. 1. irgend welche fortschreitende Entwickelung gegeben, ein Begriff in seine Momente zerlegt, oder gar eine Reihe von Gedanken aus ein- ander abgeleitet; denn alles Gesagte war ja schon vollständig im ersten Satze ausgesprochen: „Man versteht unter Sprache entweder das Sprechen selbst als diejenige Verrichtung des Men- schen, 1) in welcher der Gedanke in die Erscheinung tritt, und 2) durch welche ein gegenseitiger Austausch der Gedanken und eine Gemeinschaft des geistigen Lebens in dem ganzen Ge- schlechte zu Stande kömmt.“ Hat man im ganzen Paragraphen, das Wort organisch ausgenommen, mehr gehört? So sehen wir von neuem die Tautologie in noch umfangreicherer Weise.
§. 13. Die Sprache als gesprochene.
Wir haben bisher die Sprache nur nach dem Entweder, d. h. als Sprechen, als Verrichtung betrachtet; welches Schick-
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Diese nämlich muß sein, folglich muß Sprache sein — das ist
die Entstehung mit innerer Nothwendigkeit —; und sie hat diese
dem geistigen Leben unentbehrliche Mittheilung, also das geistige
Leben selbst zum Zweck — das ist das organische Zweckver-
hältniß —: die Forderung ist erfüllt, aber im leersten Forma-
lismus; und man wird durch solche Schlüsse an Saphir erin-
nert. Becker hat nicht so geschlossen; aber wie schlimm, daß
es ihm noch zum Vorwurf gereicht, nicht einmal so geschlossen
zu haben! Denn nicht bloß ist die Weise, wie Becker statt
dessen verfuhr, sophistisch; sondern zweitens fällt hier Becker
wieder aus seiner Anschauung des Organischen zurück; denn
die Sprache als Werkzeug zur Mittheilung ansehen, heißt, sie
als ἔϱγον, wie Humboldt es nennt, d. h. sie unorganisch, als
Ding betrachten. Denn als solches Werkzeug wirkt eben die
Sprache nur wie ein Werkzeug, wie Geberdensprache, Bilder-
schrift, und sogar wie willkürliche Zeichen. In der angeführten
Stelle sagt auch Becker weiter nichts, als daß die Sprache
nicht bloß auf die Befriedigung äußerlicher Bedürfnisse gerich-
tet, sondern auch dem geistigen Leben nothwendig sei. Das-
selbe aber gilt von der Schrift, von der Buchdruckerei und so-
gar von gewissen socialen Instituten für „gesellige Mittheilung
der Gedanken und eine Vereinbarung des individuellen Denkens
zu einer Allen gemeinsamen Weltanschauung,“ wie Akademien,
Kaffeekränzchen u. s. w.
Endlich müssen wir noch den Schein aufheben, als sei im
ganzen Verlaufe des beinahe vier Seiten langen §. 1. irgend
welche fortschreitende Entwickelung gegeben, ein Begriff in seine
Momente zerlegt, oder gar eine Reihe von Gedanken aus ein-
ander abgeleitet; denn alles Gesagte war ja schon vollständig
im ersten Satze ausgesprochen: „Man versteht unter Sprache
entweder das Sprechen selbst als diejenige Verrichtung des Men-
schen, 1) in welcher der Gedanke in die Erscheinung tritt, und
2) durch welche ein gegenseitiger Austausch der Gedanken und
eine Gemeinschaft des geistigen Lebens in dem ganzen Ge-
schlechte zu Stande kömmt.“ Hat man im ganzen Paragraphen,
das Wort organisch ausgenommen, mehr gehört? So sehen wir
von neuem die Tautologie in noch umfangreicherer Weise.
§. 13. Die Sprache als gesprochene.
Wir haben bisher die Sprache nur nach dem Entweder,
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/72>, abgerufen am 23.11.2024.
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