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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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Sätze zu bilden, Zwitterdinge zwischen Sätzen und Satzverhält-
nissen. Die unbestimmte Personalbeziehung aber verwischt sich
leicht; tritt noch der Artikel hinzu, so schwindet sie gänzlich
und damit die ganze verbale Natur, und es bleibt bloß die Be-
deutung der Wurzel, die Thätigkeit als abstractes Substan-
tivum.

Die Participia sind nicht minder rein verbal, aber ebenfalls
nur mit infiniter Personalbeziehung; jedoch ist das Participium
dadurch vom Infinitiv geschieden, daß es nicht prädicative, son-
dern nur noch attributive Kraft hat; vom Adjectivum aber hin-
wiederum durch seine verbale Energie. Die Gerundia endlich
und die absoluten Participien im Genitiv oder Ablativ, ebenfalls
mit infiniter Personalbeziehung, bezeichnen die objective Aus-
sage, aber energischer, als bloße Adverbia. Participia und Ge-
rundia verhalten sich zum attributiven Adjectivum und objecti-
ven Adverbium, wie das Verbum finitum zum prädicativen Ad-
jectivum mit ist.

Die verbale Kraft des Infinitivs ist also zwar rein, aber
schwächer, als die der finiten Formen; immer noch rein, aber
noch schwächer, als im Infinitiv, ist die Verbalkraft im Parti-
cipium und Gerundium; denn jener konnte noch ein Prädicat,
diese können nur ein Attribut und ein Object darstellen. Aber
auch in den letztern ist die verbale Energie noch so groß, daß
sie nicht ein einfaches Satzverhältniß, sondern einen untergeord-
neten, vom Hautptsatze attrahirten Nebensatz darstellen.*).

C. Verschiedenheit der Sprachen.

Wir haben versucht, die Sprache überhaupt entstehen zu
sehen, in ihrem Entstehen ihr Wesen und Wirken zu erkennen,
aus ihrem Wesen die Principien der Grammatik abzuleiten, und
nach diesen Principien einige Hauptpunkte derselben zu ergrün-

*) Die obige Darstellung macht nicht den Anspruch, das Wesen des In-
finitivs erschöpfend zu behandeln, noch weniger die Untersuchungen darüber
definitiv abzuschließen -- eine thörichte Anmaßung, die mir überall fern
bleibt. Ich beabsichtige, sobald ich in eine freiere Lage komme, dem Infini-
tiv eine Monographie zu widmen, in welcher ich seine Verhältnisse vollstän-
diger darzustellen, durch möglichst viele Sprachen zu verfolgen gedenke, und
ihn in seinem Wesen dann auch tiefer zu erfassen hoffe.

Sätze zu bilden, Zwitterdinge zwischen Sätzen und Satzverhält-
nissen. Die unbestimmte Personalbeziehung aber verwischt sich
leicht; tritt noch der Artikel hinzu, so schwindet sie gänzlich
und damit die ganze verbale Natur, und es bleibt bloß die Be-
deutung der Wurzel, die Thätigkeit als abstractes Substan-
tivum.

Die Participia sind nicht minder rein verbal, aber ebenfalls
nur mit infiniter Personalbeziehung; jedoch ist das Participium
dadurch vom Infinitiv geschieden, daß es nicht prädicative, son-
dern nur noch attributive Kraft hat; vom Adjectivum aber hin-
wiederum durch seine verbale Energie. Die Gerundia endlich
und die absoluten Participien im Genitiv oder Ablativ, ebenfalls
mit infiniter Personalbeziehung, bezeichnen die objective Aus-
sage, aber energischer, als bloße Adverbia. Participia und Ge-
rundia verhalten sich zum attributiven Adjectivum und objecti-
ven Adverbium, wie das Verbum finitum zum prädicativen Ad-
jectivum mit ist.

Die verbale Kraft des Infinitivs ist also zwar rein, aber
schwächer, als die der finiten Formen; immer noch rein, aber
noch schwächer, als im Infinitiv, ist die Verbalkraft im Parti-
cipium und Gerundium; denn jener konnte noch ein Prädicat,
diese können nur ein Attribut und ein Object darstellen. Aber
auch in den letztern ist die verbale Energie noch so groß, daß
sie nicht ein einfaches Satzverhältniß, sondern einen untergeord-
neten, vom Hautptsatze attrahirten Nebensatz darstellen.*).

C. Verschiedenheit der Sprachen.

Wir haben versucht, die Sprache überhaupt entstehen zu
sehen, in ihrem Entstehen ihr Wesen und Wirken zu erkennen,
aus ihrem Wesen die Principien der Grammatik abzuleiten, und
nach diesen Principien einige Hauptpunkte derselben zu ergrün-

*) Die obige Darstellung macht nicht den Anspruch, das Wesen des In-
finitivs erschöpfend zu behandeln, noch weniger die Untersuchungen darüber
definitiv abzuschließen — eine thörichte Anmaßung, die mir überall fern
bleibt. Ich beabsichtige, sobald ich in eine freiere Lage komme, dem Infini-
tiv eine Monographie zu widmen, in welcher ich seine Verhältnisse vollstän-
diger darzustellen, durch möglichst viele Sprachen zu verfolgen gedenke, und
ihn in seinem Wesen dann auch tiefer zu erfassen hoffe.
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[373/0411] Sätze zu bilden, Zwitterdinge zwischen Sätzen und Satzverhält- nissen. Die unbestimmte Personalbeziehung aber verwischt sich leicht; tritt noch der Artikel hinzu, so schwindet sie gänzlich und damit die ganze verbale Natur, und es bleibt bloß die Be- deutung der Wurzel, die Thätigkeit als abstractes Substan- tivum. Die Participia sind nicht minder rein verbal, aber ebenfalls nur mit infiniter Personalbeziehung; jedoch ist das Participium dadurch vom Infinitiv geschieden, daß es nicht prädicative, son- dern nur noch attributive Kraft hat; vom Adjectivum aber hin- wiederum durch seine verbale Energie. Die Gerundia endlich und die absoluten Participien im Genitiv oder Ablativ, ebenfalls mit infiniter Personalbeziehung, bezeichnen die objective Aus- sage, aber energischer, als bloße Adverbia. Participia und Ge- rundia verhalten sich zum attributiven Adjectivum und objecti- ven Adverbium, wie das Verbum finitum zum prädicativen Ad- jectivum mit ist. Die verbale Kraft des Infinitivs ist also zwar rein, aber schwächer, als die der finiten Formen; immer noch rein, aber noch schwächer, als im Infinitiv, ist die Verbalkraft im Parti- cipium und Gerundium; denn jener konnte noch ein Prädicat, diese können nur ein Attribut und ein Object darstellen. Aber auch in den letztern ist die verbale Energie noch so groß, daß sie nicht ein einfaches Satzverhältniß, sondern einen untergeord- neten, vom Hautptsatze attrahirten Nebensatz darstellen. *). C. Verschiedenheit der Sprachen. Wir haben versucht, die Sprache überhaupt entstehen zu sehen, in ihrem Entstehen ihr Wesen und Wirken zu erkennen, aus ihrem Wesen die Principien der Grammatik abzuleiten, und nach diesen Principien einige Hauptpunkte derselben zu ergrün- *) Die obige Darstellung macht nicht den Anspruch, das Wesen des In- finitivs erschöpfend zu behandeln, noch weniger die Untersuchungen darüber definitiv abzuschließen — eine thörichte Anmaßung, die mir überall fern bleibt. Ich beabsichtige, sobald ich in eine freiere Lage komme, dem Infini- tiv eine Monographie zu widmen, in welcher ich seine Verhältnisse vollstän- diger darzustellen, durch möglichst viele Sprachen zu verfolgen gedenke, und ihn in seinem Wesen dann auch tiefer zu erfassen hoffe.

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/411>, abgerufen am 23.11.2024.