etwas Mysteriöses an die Articulation geknüpft zu haben; man sucht etwas ganz Eigenthümliches, Dynamisches dahinter. An sich betrachtet aber, abgesehen von der Bedeutung, ist die durch die Articulation bewirkte Abänderung der Sprachlaute nicht ver- schieden von dem Unterschiede, den wir wahrnehmen, wenn man die flachen, oder die gehöhlten Hände an einander schlägt. Wahr aber bleibt, daß die Sprachorgane das vollendetste, kunst- vollste Instrument bilden. Jeder Sprachlaut wird eigentlich von einem besondern Instrumente erzeugt. Daß dieses, d. h. die Form der Mundhöhle, der Ort der Lautbildung, recht scharf begrenzt sei, unterscheidet die Sprachlaute von sonstigen Geräu- schen und macht das Wesen der Articulation aus; denn je be- grenzter die Mundhöhle, desto bestimmter der Laut. Bei den Geräuschen des Hauchens, Zischens, Lallens u. s. w. ist es mehr der ganze Mund, als ein bestimmter Ort desselben, wo der Ton entsteht; und wir nennen sie darum unarticulirt. Der Unter- schied der articulirten Laute gegen die unarticulirten wird be- sonders in der Sylbe klar; denn bei dieser Aneinanderreihung der articulirten Töne tritt erst recht ihre scharf geschiedene Natur hervor, während die unarticulirten eines so leichten und schnellen Ueberganges zu einander nicht fähig sind. Viele Na- turgeräusche scheinen syllabisch, aber nur darum, weil sie kei- nen bestimmten articulirten Laut darstellen, sondern wirr durch einander rauschen. Unser Ohr, an die Wahrnehmung articulir- ter Töne gewöhnt, hört aus diesem Gewirre verschiedene Con- sonanten, wiewohl undeutlich, heraus, welche es in eine syllabi- sche Verbindung bringt. Auch wo wir einen einfachen Conso- nanten in einem Naturgeräusche zu hören meinen, ist es unser Ohr, welches den unentschiedenen Naturlaut einem Consonanten annähert. Unter den mechanisch erregten Schällen wird man am meisten vocalähnliche Töne, dann auch oft ein dem p ähn- liches Geräusch vernehmen; weniger kommen sie dem k, am wenigsten wohl dem t nahe. Darum wird eine Sprechmaschine wohl immer unvollkommen bleiben; Kempelen wenigstens gesteht, daß er kein bestimmtes t k p mit seiner Maschine habe erzeu- gen können, sondern nur einen zwischen diesen dreien schwan- kenden Laut, den der Hörer so deutete, wie er ihn im voraus zu hören erwartete, bald als den einen, bald als den andern.
Nach dieser Darlegung des allgemeinen Wesens der Arti- culation sehen wir nun durchaus nicht ein, wie wir am Laute
etwas Mysteriöses an die Articulation geknüpft zu haben; man sucht etwas ganz Eigenthümliches, Dynamisches dahinter. An sich betrachtet aber, abgesehen von der Bedeutung, ist die durch die Articulation bewirkte Abänderung der Sprachlaute nicht ver- schieden von dem Unterschiede, den wir wahrnehmen, wenn man die flachen, oder die gehöhlten Hände an einander schlägt. Wahr aber bleibt, daß die Sprachorgane das vollendetste, kunst- vollste Instrument bilden. Jeder Sprachlaut wird eigentlich von einem besondern Instrumente erzeugt. Daß dieses, d. h. die Form der Mundhöhle, der Ort der Lautbildung, recht scharf begrenzt sei, unterscheidet die Sprachlaute von sonstigen Geräu- schen und macht das Wesen der Articulation aus; denn je be- grenzter die Mundhöhle, desto bestimmter der Laut. Bei den Geräuschen des Hauchens, Zischens, Lallens u. s. w. ist es mehr der ganze Mund, als ein bestimmter Ort desselben, wo der Ton entsteht; und wir nennen sie darum unarticulirt. Der Unter- schied der articulirten Laute gegen die unarticulirten wird be- sonders in der Sylbe klar; denn bei dieser Aneinanderreihung der articulirten Töne tritt erst recht ihre scharf geschiedene Natur hervor, während die unarticulirten eines so leichten und schnellen Ueberganges zu einander nicht fähig sind. Viele Na- turgeräusche scheinen syllabisch, aber nur darum, weil sie kei- nen bestimmten articulirten Laut darstellen, sondern wirr durch einander rauschen. Unser Ohr, an die Wahrnehmung articulir- ter Töne gewöhnt, hört aus diesem Gewirre verschiedene Con- sonanten, wiewohl undeutlich, heraus, welche es in eine syllabi- sche Verbindung bringt. Auch wo wir einen einfachen Conso- nanten in einem Naturgeräusche zu hören meinen, ist es unser Ohr, welches den unentschiedenen Naturlaut einem Consonanten annähert. Unter den mechanisch erregten Schällen wird man am meisten vocalähnliche Töne, dann auch oft ein dem p ähn- liches Geräusch vernehmen; weniger kommen sie dem k, am wenigsten wohl dem t nahe. Darum wird eine Sprechmaschine wohl immer unvollkommen bleiben; Kempelen wenigstens gesteht, daß er kein bestimmtes t k p mit seiner Maschine habe erzeu- gen können, sondern nur einen zwischen diesen dreien schwan- kenden Laut, den der Hörer so deutete, wie er ihn im voraus zu hören erwartete, bald als den einen, bald als den andern.
Nach dieser Darlegung des allgemeinen Wesens der Arti- culation sehen wir nun durchaus nicht ein, wie wir am Laute
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etwas Mysteriöses an die Articulation geknüpft zu haben; man
sucht etwas ganz Eigenthümliches, Dynamisches dahinter. An
sich betrachtet aber, abgesehen von der Bedeutung, ist die durch
die Articulation bewirkte Abänderung der Sprachlaute nicht ver-
schieden von dem Unterschiede, den wir wahrnehmen, wenn
man die flachen, oder die gehöhlten Hände an einander schlägt.
Wahr aber bleibt, daß die Sprachorgane das vollendetste, kunst-
vollste Instrument bilden. Jeder Sprachlaut wird eigentlich von
einem besondern Instrumente erzeugt. Daß dieses, d. h. die
Form der Mundhöhle, der Ort der Lautbildung, recht scharf
begrenzt sei, unterscheidet die Sprachlaute von sonstigen Geräu-
schen und macht das Wesen der Articulation aus; denn je be-
grenzter die Mundhöhle, desto bestimmter der Laut. Bei den
Geräuschen des Hauchens, Zischens, Lallens u. s. w. ist es mehr
der ganze Mund, als ein bestimmter Ort desselben, wo der Ton
entsteht; und wir nennen sie darum unarticulirt. Der Unter-
schied der articulirten Laute gegen die unarticulirten wird be-
sonders in der Sylbe klar; denn bei dieser Aneinanderreihung
der articulirten Töne tritt erst recht ihre scharf geschiedene
Natur hervor, während die unarticulirten eines so leichten und
schnellen Ueberganges zu einander nicht fähig sind. Viele Na-
turgeräusche scheinen syllabisch, aber nur darum, weil sie kei-
nen bestimmten articulirten Laut darstellen, sondern wirr durch
einander rauschen. Unser Ohr, an die Wahrnehmung articulir-
ter Töne gewöhnt, hört aus diesem Gewirre verschiedene Con-
sonanten, wiewohl undeutlich, heraus, welche es in eine syllabi-
sche Verbindung bringt. Auch wo wir einen einfachen Conso-
nanten in einem Naturgeräusche zu hören meinen, ist es unser
Ohr, welches den unentschiedenen Naturlaut einem Consonanten
annähert. Unter den mechanisch erregten Schällen wird man
am meisten vocalähnliche Töne, dann auch oft ein dem p ähn-
liches Geräusch vernehmen; weniger kommen sie dem k, am
wenigsten wohl dem t nahe. Darum wird eine Sprechmaschine
wohl immer unvollkommen bleiben; Kempelen wenigstens gesteht,
daß er kein bestimmtes t k p mit seiner Maschine habe erzeu-
gen können, sondern nur einen zwischen diesen dreien schwan-
kenden Laut, den der Hörer so deutete, wie er ihn im voraus
zu hören erwartete, bald als den einen, bald als den andern.
Nach dieser Darlegung des allgemeinen Wesens der Arti-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/389>, abgerufen am 18.12.2024.
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