wir; Vorstellung aber ist ihm der allgemeine Ausdruck für jene beiden zugleich, sie umfassend, ihnen untergeordnet.
Uns ist Vorstellung eine coordinirte mittlere Stufe der See- lenempfängnisse zwischen den Stufen der Anschauung und des Begriffs. Urtheil ist eine Form der Denkthätigkeit, die sich, verschieden gestaltet, auf allen drei Stufen findet. Das Urtheil ist je nach der Stufe, auf der es auftritt: Anschauung der An- schauung (Wort), Vorstellung der Vorstellung (Satz), Begriff des Begriffs (logisches Urtheil).
Die Sätze und Urtheile sind nicht aus zwei Vorstellungen oder Begriffen zusammengesetzt; sondern die Anschauung, d. h. die Einheit ist das Erste, und das Urtheil ist die Auflösung dieser Einheit. Von den vielen Momenten, den Merkmalen ei- ner Anschauung oder eines Begriffs wird eines hervorgehoben, nur dieses, als Prädicat, wird gedacht, und nur als dieses wird in dem Augenblicke des Urtheils der Begriff des Subjects ge- dacht, nur in ihm liegt der Werth des Subjects. In dem Ur- theile z. B. alle Körper sind theilbar sind Subject und Prädicat gleich, und zwar deswegen gleich, weil aus der unbestimmten Menge der Merkmale des Körpers hier nur eines in das Be- wußtsein gehoben wird, das der Theilbarkeit; diese ist alles, was in jenem Urtheile bei der Vorstellung Körper gedacht wird. Subject und Prädicat sind also wirklich identisch; denn das Prädicat sagt aus, was das Subject ist. Der Hund läuft bedeu- tet: der Hund ist ein laufender Hund; dieser Vogel ist grau bedeutet: dieser Vogel ist ein grauer Vogel oder dies ist ein grauer Vogel.
§. 110. Ausbildung der Begriffe.
Nun aber vervielfältigen sich die Sätze: der Hund läuft, sitzt, ist schwarz, weiß, braun, grau u. s. w. Jeder Satz ver- vollständigt die Analyse der Anschauung. Damit hält die Schö- pfung der Merkmalwörter und die Entwickelung des Begriffs gleichen Schritt. Denn der Begriff ist die vollständige analy- tische Erkenntniß der Anschauung, d. h. der Momente dersel- ben sowohl an sich, als in ihrer gegenseitigen Durchdringung und ihrem Werthe für das Ganze. Je mehr Sätze entwickelt werden, um so fester gilt das Wort als Ding an sich; um so mehr aber schwindet die etymologische Bedeutung des Wortes, wobei ein Merkmal als Ding an sich gilt. Bleibt nun zuletzt
wir; Vorstellung aber ist ihm der allgemeine Ausdruck für jene beiden zugleich, sie umfassend, ihnen untergeordnet.
Uns ist Vorstellung eine coordinirte mittlere Stufe der See- lenempfängnisse zwischen den Stufen der Anschauung und des Begriffs. Urtheil ist eine Form der Denkthätigkeit, die sich, verschieden gestaltet, auf allen drei Stufen findet. Das Urtheil ist je nach der Stufe, auf der es auftritt: Anschauung der An- schauung (Wort), Vorstellung der Vorstellung (Satz), Begriff des Begriffs (logisches Urtheil).
Die Sätze und Urtheile sind nicht aus zwei Vorstellungen oder Begriffen zusammengesetzt; sondern die Anschauung, d. h. die Einheit ist das Erste, und das Urtheil ist die Auflösung dieser Einheit. Von den vielen Momenten, den Merkmalen ei- ner Anschauung oder eines Begriffs wird eines hervorgehoben, nur dieses, als Prädicat, wird gedacht, und nur als dieses wird in dem Augenblicke des Urtheils der Begriff des Subjects ge- dacht, nur in ihm liegt der Werth des Subjects. In dem Ur- theile z. B. alle Körper sind theilbar sind Subject und Prädicat gleich, und zwar deswegen gleich, weil aus der unbestimmten Menge der Merkmale des Körpers hier nur eines in das Be- wußtsein gehoben wird, das der Theilbarkeit; diese ist alles, was in jenem Urtheile bei der Vorstellung Körper gedacht wird. Subject und Prädicat sind also wirklich identisch; denn das Prädicat sagt aus, was das Subject ist. Der Hund läuft bedeu- tet: der Hund ist ein laufender Hund; dieser Vogel ist grau bedeutet: dieser Vogel ist ein grauer Vogel oder dies ist ein grauer Vogel.
§. 110. Ausbildung der Begriffe.
Nun aber vervielfältigen sich die Sätze: der Hund läuft, sitzt, ist schwarz, weiß, braun, grau u. s. w. Jeder Satz ver- vollständigt die Analyse der Anschauung. Damit hält die Schö- pfung der Merkmalwörter und die Entwickelung des Begriffs gleichen Schritt. Denn der Begriff ist die vollständige analy- tische Erkenntniß der Anschauung, d. h. der Momente dersel- ben sowohl an sich, als in ihrer gegenseitigen Durchdringung und ihrem Werthe für das Ganze. Je mehr Sätze entwickelt werden, um so fester gilt das Wort als Ding an sich; um so mehr aber schwindet die etymologische Bedeutung des Wortes, wobei ein Merkmal als Ding an sich gilt. Bleibt nun zuletzt
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wir; Vorstellung aber ist ihm der allgemeine Ausdruck für jene
beiden zugleich, sie umfassend, ihnen untergeordnet.
Uns ist Vorstellung eine coordinirte mittlere Stufe der See-
lenempfängnisse zwischen den Stufen der Anschauung und des
Begriffs. Urtheil ist eine Form der Denkthätigkeit, die sich,
verschieden gestaltet, auf allen drei Stufen findet. Das Urtheil
ist je nach der Stufe, auf der es auftritt: Anschauung der An-
schauung (Wort), Vorstellung der Vorstellung (Satz), Begriff
des Begriffs (logisches Urtheil).
Die Sätze und Urtheile sind nicht aus zwei Vorstellungen
oder Begriffen zusammengesetzt; sondern die Anschauung, d. h.
die Einheit ist das Erste, und das Urtheil ist die Auflösung
dieser Einheit. Von den vielen Momenten, den Merkmalen ei-
ner Anschauung oder eines Begriffs wird eines hervorgehoben,
nur dieses, als Prädicat, wird gedacht, und nur als dieses wird
in dem Augenblicke des Urtheils der Begriff des Subjects ge-
dacht, nur in ihm liegt der Werth des Subjects. In dem Ur-
theile z. B. alle Körper sind theilbar sind Subject und Prädicat
gleich, und zwar deswegen gleich, weil aus der unbestimmten
Menge der Merkmale des Körpers hier nur eines in das Be-
wußtsein gehoben wird, das der Theilbarkeit; diese ist alles,
was in jenem Urtheile bei der Vorstellung Körper gedacht wird.
Subject und Prädicat sind also wirklich identisch; denn das
Prädicat sagt aus, was das Subject ist. Der Hund läuft bedeu-
tet: der Hund ist ein laufender Hund; dieser Vogel ist grau
bedeutet: dieser Vogel ist ein grauer Vogel oder dies ist ein
grauer Vogel.
§. 110. Ausbildung der Begriffe.
Nun aber vervielfältigen sich die Sätze: der Hund läuft,
sitzt, ist schwarz, weiß, braun, grau u. s. w. Jeder Satz ver-
vollständigt die Analyse der Anschauung. Damit hält die Schö-
pfung der Merkmalwörter und die Entwickelung des Begriffs
gleichen Schritt. Denn der Begriff ist die vollständige analy-
tische Erkenntniß der Anschauung, d. h. der Momente dersel-
ben sowohl an sich, als in ihrer gegenseitigen Durchdringung
und ihrem Werthe für das Ganze. Je mehr Sätze entwickelt
werden, um so fester gilt das Wort als Ding an sich; um so
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/368>, abgerufen am 23.11.2024.
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