und, Aeußeres vom Inneren scheidend, also auf beides achtend, sich selbst dem Aeußern entgegenstellt, sich als anschauend dem Angeschauten gegenüber. Diese selbstlose und der Innerlich- keit ermangelnde Natur des Anschauens kann auch bei der An- schauung der Anschauung noch nicht geändert sein. Die Seele wird also hier ihre eigene Anschauung noch nicht als sich selbst erkennen; sie wird nicht sich selbst, insofern sie anschaut, und sich selbst, insofern sie selbst es ist, welche von ihr angeschaut wird, unterscheiden; d. h. sie wird kein Bewußtsein davon ha- ben, daß sie hier Subject und Object zugleich ist, Denkendes und Gedachtes auf einmal, weil sie sich überhaupt noch nicht als Subject, als Denkendes, weiß. Obwohl also hier thatsäch- lich die Seele Subject und Object ist, so fehlt ihr doch das Be- wußtsein hierüber; sie ist also thatsächliches, aber noch unbe- wußtes Selbstbewußtsein. Weil hier die Seele bloß anschauend ist, so ist für sie die angeschaute Anschauung auch nur eine Anschauung überhaupt und ein Aeußeres. Anschauung ist Be- wußtsein von einem Objectiven, Gegenständlichen. Das Be- wußtsein von diesem Bewußtsein ist noch nicht Selbstbewußt- sein, weil das Bewußtsein überhaupt hier noch kein Selbst, son- dern nur Gegenständliches kennt. Dieses gegenständliche Be- wußtsein von einem derartigen Bewußtsein wird also das letz- tere, gedachte Bewußtsein, wiederum nur selbstlos als ein ge- genständliches Wesen auffassen, ja sogar unmittelbar an den äußern Gegenstand selbst anknüpfen und kaum oder nur sehr schwach von ihm scheiden. Die Seele schreibt die angeschaute Anschauung nicht sich zu, freilich auch nicht entschieden dem Dinge. Denn die ganze Scheidung der Seele vom Dinge ist noch nicht vollzogen. Und so giebt es hier überall noch kein Selbst, d. h. kein gewußtes Selbst, wiewohl ein thatsächliches.
Dieses thatsächliche, instinctiv wirkende, anschauende Selbst- bewußtsein ist die Vorbereitung des bewußten Selbstbewußt- seins, der Keim desselben, und findet in der Sprache sein Le- ben und seine Entwickelung.
§. 94. Uebergang der Seele in den Geist.
Das Wirken des instinctiven Selbstbewußtseins, der Spra- che, ist die Thätigkeit der Seele, sich in Geist, bewußtes Selbst- bewußtsein, umzusetzen. Die anschauende Seele wird denkender Geist. Hierbei kommen nun manche Schwierigkeiten und Wi- dersprüche zum Vorschein, die überhaupt im Begriffe des Wer-
und, Aeußeres vom Inneren scheidend, also auf beides achtend, sich selbst dem Aeußern entgegenstellt, sich als anschauend dem Angeschauten gegenüber. Diese selbstlose und der Innerlich- keit ermangelnde Natur des Anschauens kann auch bei der An- schauung der Anschauung noch nicht geändert sein. Die Seele wird also hier ihre eigene Anschauung noch nicht als sich selbst erkennen; sie wird nicht sich selbst, insofern sie anschaut, und sich selbst, insofern sie selbst es ist, welche von ihr angeschaut wird, unterscheiden; d. h. sie wird kein Bewußtsein davon ha- ben, daß sie hier Subject und Object zugleich ist, Denkendes und Gedachtes auf einmal, weil sie sich überhaupt noch nicht als Subject, als Denkendes, weiß. Obwohl also hier thatsäch- lich die Seele Subject und Object ist, so fehlt ihr doch das Be- wußtsein hierüber; sie ist also thatsächliches, aber noch unbe- wußtes Selbstbewußtsein. Weil hier die Seele bloß anschauend ist, so ist für sie die angeschaute Anschauung auch nur eine Anschauung überhaupt und ein Aeußeres. Anschauung ist Be- wußtsein von einem Objectiven, Gegenständlichen. Das Be- wußtsein von diesem Bewußtsein ist noch nicht Selbstbewußt- sein, weil das Bewußtsein überhaupt hier noch kein Selbst, son- dern nur Gegenständliches kennt. Dieses gegenständliche Be- wußtsein von einem derartigen Bewußtsein wird also das letz- tere, gedachte Bewußtsein, wiederum nur selbstlos als ein ge- genständliches Wesen auffassen, ja sogar unmittelbar an den äußern Gegenstand selbst anknüpfen und kaum oder nur sehr schwach von ihm scheiden. Die Seele schreibt die angeschaute Anschauung nicht sich zu, freilich auch nicht entschieden dem Dinge. Denn die ganze Scheidung der Seele vom Dinge ist noch nicht vollzogen. Und so giebt es hier überall noch kein Selbst, d. h. kein gewußtes Selbst, wiewohl ein thatsächliches.
Dieses thatsächliche, instinctiv wirkende, anschauende Selbst- bewußtsein ist die Vorbereitung des bewußten Selbstbewußt- seins, der Keim desselben, und findet in der Sprache sein Le- ben und seine Entwickelung.
§. 94. Uebergang der Seele in den Geist.
Das Wirken des instinctiven Selbstbewußtseins, der Spra- che, ist die Thätigkeit der Seele, sich in Geist, bewußtes Selbst- bewußtsein, umzusetzen. Die anschauende Seele wird denkender Geist. Hierbei kommen nun manche Schwierigkeiten und Wi- dersprüche zum Vorschein, die überhaupt im Begriffe des Wer-
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und, Aeußeres vom Inneren scheidend, also auf beides achtend,
sich selbst dem Aeußern entgegenstellt, sich als anschauend dem
Angeschauten gegenüber. Diese selbstlose und der Innerlich-
keit ermangelnde Natur des Anschauens kann auch bei der An-
schauung der Anschauung noch nicht geändert sein. Die Seele
wird also hier ihre eigene Anschauung noch nicht als sich selbst
erkennen; sie wird nicht sich selbst, insofern sie anschaut, und
sich selbst, insofern sie selbst es ist, welche von ihr angeschaut
wird, unterscheiden; d. h. sie wird kein Bewußtsein davon ha-
ben, daß sie hier Subject und Object zugleich ist, Denkendes
und Gedachtes auf einmal, weil sie sich überhaupt noch nicht
als Subject, als Denkendes, weiß. Obwohl also hier thatsäch-
lich die Seele Subject und Object ist, so fehlt ihr doch das Be-
wußtsein hierüber; sie ist also thatsächliches, aber noch unbe-
wußtes Selbstbewußtsein. Weil hier die Seele bloß anschauend
ist, so ist für sie die angeschaute Anschauung auch nur eine
Anschauung überhaupt und ein Aeußeres. Anschauung ist Be-
wußtsein von einem Objectiven, Gegenständlichen. Das Be-
wußtsein von diesem Bewußtsein ist noch nicht Selbstbewußt-
sein, weil das Bewußtsein überhaupt hier noch kein Selbst, son-
dern nur Gegenständliches kennt. Dieses gegenständliche Be-
wußtsein von einem derartigen Bewußtsein wird also das letz-
tere, gedachte Bewußtsein, wiederum nur selbstlos als ein ge-
genständliches Wesen auffassen, ja sogar unmittelbar an den
äußern Gegenstand selbst anknüpfen und kaum oder nur sehr
schwach von ihm scheiden. Die Seele schreibt die angeschaute
Anschauung nicht sich zu, freilich auch nicht entschieden dem
Dinge. Denn die ganze Scheidung der Seele vom Dinge ist
noch nicht vollzogen. Und so giebt es hier überall noch kein
Selbst, d. h. kein gewußtes Selbst, wiewohl ein thatsächliches.
Dieses thatsächliche, instinctiv wirkende, anschauende Selbst-
bewußtsein ist die Vorbereitung des bewußten Selbstbewußt-
seins, der Keim desselben, und findet in der Sprache sein Le-
ben und seine Entwickelung.
§. 94. Uebergang der Seele in den Geist.
Das Wirken des instinctiven Selbstbewußtseins, der Spra-
che, ist die Thätigkeit der Seele, sich in Geist, bewußtes Selbst-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/338>, abgerufen am 23.11.2024.
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