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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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wärtigen Gegenstand. Es hat ewig wiederholte Anschauun-
gen, d. h. die Wirklichkeit bietet der Seele immer wieder den-
selben Gegenstand dar; aber es hat keine erinnerte Anschauung,
d. h. Zurückrufung der gehabten Anschauung auf Befehl der
Seele.

Die Anschauung, sagten wir ferner, sei Einheit, d. h. un-
zergliedertes Bewußtsein von einem Dinge. Die Katze sieht die
gelbe Flamme, so oder so gestaltet, im Kamin und fühlt zu-
gleich die von ihr ausstrahlende Wärme, hört auch das Knistern.
Diese Empfindungen werden nothwendig zusammenschmelzen und
ihr die Anschauung des Feuers geben; d. h. die Katze wird diese
ganz stumpfe Summe mehrerer qualitativen Empfindungserkennt-
nisse haben. Unsere Begriffe sind noch etwas mehr, als die bloße
Summe der Merkmale; aber die thierische Anschauung ist ge-
rade dies und nichts anderes; und die Seele ist im anschauen-
den Bewußtsein bestimmt als: die Empfindungsqualitäten sum-
mirend, d. h. dieselben als vielfachen Zustand in sich zusammen-
haltend. Hier wird nicht der Gesichtseindruck vom Gefühls-
eindruck geschieden, nicht innerhalb des ersten abermals Form
und Farbe geschieden; sondern Form, Farbe, Tönen, Gefühl --
alles zusammen bezieht das Thier mehr auf sich selbst als einen
vielfach bestimmten Zustand. Das Bewußtsein von Objecten
ist hier noch schwach. Hier herrscht noch das Verhältniß, wel-
ches wir oben der Empfindung zuschrieben: die thierische Seele
ist Subject und hat das Object als ihr Prädicat. Sie hat das
Object noch nicht zum Subject eines Urtheils gemacht; sie hat
nicht gesagt: die Flamme leuchtet, ist warm u. s. w. Sie trägt
alle diese Urtheile noch als unvollzogen in summarischer Ein-
heit in sich; d. h. sie hat die Prädicate, die Empfindungsquali-
täten in sich, aber hat dazu noch gar kein Subject; es fehlt das
Ding
. Die thierische Seele selbst vielmehr, sie, die die Prädi-
cate in sich hat, ist noch dinglich bestimmt; die Kategorie
Ding ist noch nicht wirksam geworden
. Eben darum,
weil die Kategorie Ding der thierischen Anschauung noch fehlt,
ist letztere auch noch nicht Einheit, was sie nur durch jene Ka-
tegorie werden könnte, sondern bloßes Zusammen. Dieser Man-
gel der Dingkategorie, der scharfen Einheit, dieses stumpfe Bei-
sammen der Empfindung und die dingliche Bestimmtheit der Seele
spricht sich in dem starren Blicke des Thieres aus; der Hund
und auch noch der stumpfe Mensch starrt in die Flamme.

wärtigen Gegenstand. Es hat ewig wiederholte Anschauun-
gen, d. h. die Wirklichkeit bietet der Seele immer wieder den-
selben Gegenstand dar; aber es hat keine erinnerte Anschauung,
d. h. Zurückrufung der gehabten Anschauung auf Befehl der
Seele.

Die Anschauung, sagten wir ferner, sei Einheit, d. h. un-
zergliedertes Bewußtsein von einem Dinge. Die Katze sieht die
gelbe Flamme, so oder so gestaltet, im Kamin und fühlt zu-
gleich die von ihr ausstrahlende Wärme, hört auch das Knistern.
Diese Empfindungen werden nothwendig zusammenschmelzen und
ihr die Anschauung des Feuers geben; d. h. die Katze wird diese
ganz stumpfe Summe mehrerer qualitativen Empfindungserkennt-
nisse haben. Unsere Begriffe sind noch etwas mehr, als die bloße
Summe der Merkmale; aber die thierische Anschauung ist ge-
rade dies und nichts anderes; und die Seele ist im anschauen-
den Bewußtsein bestimmt als: die Empfindungsqualitäten sum-
mirend, d. h. dieselben als vielfachen Zustand in sich zusammen-
haltend. Hier wird nicht der Gesichtseindruck vom Gefühls-
eindruck geschieden, nicht innerhalb des ersten abermals Form
und Farbe geschieden; sondern Form, Farbe, Tönen, Gefühl —
alles zusammen bezieht das Thier mehr auf sich selbst als einen
vielfach bestimmten Zustand. Das Bewußtsein von Objecten
ist hier noch schwach. Hier herrscht noch das Verhältniß, wel-
ches wir oben der Empfindung zuschrieben: die thierische Seele
ist Subject und hat das Object als ihr Prädicat. Sie hat das
Object noch nicht zum Subject eines Urtheils gemacht; sie hat
nicht gesagt: die Flamme leuchtet, ist warm u. s. w. Sie trägt
alle diese Urtheile noch als unvollzogen in summarischer Ein-
heit in sich; d. h. sie hat die Prädicate, die Empfindungsquali-
täten in sich, aber hat dazu noch gar kein Subject; es fehlt das
Ding
. Die thierische Seele selbst vielmehr, sie, die die Prädi-
cate in sich hat, ist noch dinglich bestimmt; die Kategorie
Ding ist noch nicht wirksam geworden
. Eben darum,
weil die Kategorie Ding der thierischen Anschauung noch fehlt,
ist letztere auch noch nicht Einheit, was sie nur durch jene Ka-
tegorie werden könnte, sondern bloßes Zusammen. Dieser Man-
gel der Dingkategorie, der scharfen Einheit, dieses stumpfe Bei-
sammen der Empfindung und die dingliche Bestimmtheit der Seele
spricht sich in dem starren Blicke des Thieres aus; der Hund
und auch noch der stumpfe Mensch starrt in die Flamme.

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[267/0305] wärtigen Gegenstand. Es hat ewig wiederholte Anschauun- gen, d. h. die Wirklichkeit bietet der Seele immer wieder den- selben Gegenstand dar; aber es hat keine erinnerte Anschauung, d. h. Zurückrufung der gehabten Anschauung auf Befehl der Seele. Die Anschauung, sagten wir ferner, sei Einheit, d. h. un- zergliedertes Bewußtsein von einem Dinge. Die Katze sieht die gelbe Flamme, so oder so gestaltet, im Kamin und fühlt zu- gleich die von ihr ausstrahlende Wärme, hört auch das Knistern. Diese Empfindungen werden nothwendig zusammenschmelzen und ihr die Anschauung des Feuers geben; d. h. die Katze wird diese ganz stumpfe Summe mehrerer qualitativen Empfindungserkennt- nisse haben. Unsere Begriffe sind noch etwas mehr, als die bloße Summe der Merkmale; aber die thierische Anschauung ist ge- rade dies und nichts anderes; und die Seele ist im anschauen- den Bewußtsein bestimmt als: die Empfindungsqualitäten sum- mirend, d. h. dieselben als vielfachen Zustand in sich zusammen- haltend. Hier wird nicht der Gesichtseindruck vom Gefühls- eindruck geschieden, nicht innerhalb des ersten abermals Form und Farbe geschieden; sondern Form, Farbe, Tönen, Gefühl — alles zusammen bezieht das Thier mehr auf sich selbst als einen vielfach bestimmten Zustand. Das Bewußtsein von Objecten ist hier noch schwach. Hier herrscht noch das Verhältniß, wel- ches wir oben der Empfindung zuschrieben: die thierische Seele ist Subject und hat das Object als ihr Prädicat. Sie hat das Object noch nicht zum Subject eines Urtheils gemacht; sie hat nicht gesagt: die Flamme leuchtet, ist warm u. s. w. Sie trägt alle diese Urtheile noch als unvollzogen in summarischer Ein- heit in sich; d. h. sie hat die Prädicate, die Empfindungsquali- täten in sich, aber hat dazu noch gar kein Subject; es fehlt das Ding. Die thierische Seele selbst vielmehr, sie, die die Prädi- cate in sich hat, ist noch dinglich bestimmt; die Kategorie Ding ist noch nicht wirksam geworden. Eben darum, weil die Kategorie Ding der thierischen Anschauung noch fehlt, ist letztere auch noch nicht Einheit, was sie nur durch jene Ka- tegorie werden könnte, sondern bloßes Zusammen. Dieser Man- gel der Dingkategorie, der scharfen Einheit, dieses stumpfe Bei- sammen der Empfindung und die dingliche Bestimmtheit der Seele spricht sich in dem starren Blicke des Thieres aus; der Hund und auch noch der stumpfe Mensch starrt in die Flamme.

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/305>, abgerufen am 22.11.2024.