Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht bloß die Formenlehre, sondern auch die Syntax vorbereiten,
denn es giebt nicht nur eine etymologische, sondern auch eine
syntaktische Technik. Sie würde sich also zu Etymologie und
Syntax verhalten, wie die Physik zur Kosmologie, d. h. sie würde
die abstracten Kräfte darstellen, welche in der Erzeugung und
Bewegung der Sprache herrschen. In allen drei Theilen der Gram-
matik aber, in der abstracten Lehre von der Technik der Spra-
che, in der Lehre vom Wort und den Wortformen, und in
der Syntax, in jedem ist die Bedeutungslehre oder die Darstel-
lung der innern Form neben der äußern oder Lautform zu ge-
ben. Die Lehre von der Technik bespricht also z. B. die Re-
duplication in doppelter Beziehung, sowohl als lautlichen Pro-
ceß, als auch nach ihrer Bedeutung. Reduplication aber herrscht
sowohl in der Etymologie, als in der Syntax. Nachdem nun ihr
lautliches und inneres Wesen abstract festgestellt ist, zeigt die
Wortlehre die concrete Bildung des Perfectums, lautlich und in-
nerlich; und die Syntax endlich zeigt die Verwendung dieser
Form im Satze und Satzgefüge. In der Syntax wird weniger
Gelegenheit sein, äußere und innere Form zu scheiden, weil es
weniger syntaktisch erst zu bildende Formen giebt. Aber streng
genommen läßt sich auch hier die Unterscheidung machen.
Denn es ist doch nur ein Lautproceß, daß neben eine bestimmte
Substantivform eine bestimmte Adjectivform gesetzt wird; und
es ist Sache der innern Form oder Bedeutungslehre, daß solche
lautliche Zusammenstellung das attributive oder prädicative Ver-
hältniß bezeichnet. Hieraus wird also wohl klar geworden sein,
daß die Bedeutungslehre nicht ein Theil der Grammatik ne-
ben
oder zwischen Etymologie und Syntax ist; sondern
daß sie die Grammatik nach ganz entgegengesetzter Richtung
durchschneidet, und dieser Durchschnitt sowohl die Etymologie
als auch die Syntax trifft, wie auch die Lehre von der Sprach-
technik, die abermals nicht in derselben Linie wie Etymologie
und Syntax steht. Und in allen diesen sechs Theilen der
Grammatik hat jede Sprache ein besonderes, gar nicht logisches,
sondern eben sprachliches Princip. Alles dies deutet mir der
Name innere Sprachform so deutlich an, als ein Name es thun

nicht bloß die Formenlehre, sondern auch die Syntax vorbereiten,
denn es giebt nicht nur eine etymologische, sondern auch eine
syntaktische Technik. Sie würde sich also zu Etymologie und
Syntax verhalten, wie die Physik zur Kosmologie, d. h. sie würde
die abstracten Kräfte darstellen, welche in der Erzeugung und
Bewegung der Sprache herrschen. In allen drei Theilen der Gram-
matik aber, in der abstracten Lehre von der Technik der Spra-
che, in der Lehre vom Wort und den Wortformen, und in
der Syntax, in jedem ist die Bedeutungslehre oder die Darstel-
lung der innern Form neben der äußern oder Lautform zu ge-
ben. Die Lehre von der Technik bespricht also z. B. die Re-
duplication in doppelter Beziehung, sowohl als lautlichen Pro-
ceß, als auch nach ihrer Bedeutung. Reduplication aber herrscht
sowohl in der Etymologie, als in der Syntax. Nachdem nun ihr
lautliches und inneres Wesen abstract festgestellt ist, zeigt die
Wortlehre die concrete Bildung des Perfectums, lautlich und in-
nerlich; und die Syntax endlich zeigt die Verwendung dieser
Form im Satze und Satzgefüge. In der Syntax wird weniger
Gelegenheit sein, äußere und innere Form zu scheiden, weil es
weniger syntaktisch erst zu bildende Formen giebt. Aber streng
genommen läßt sich auch hier die Unterscheidung machen.
Denn es ist doch nur ein Lautproceß, daß neben eine bestimmte
Substantivform eine bestimmte Adjectivform gesetzt wird; und
es ist Sache der innern Form oder Bedeutungslehre, daß solche
lautliche Zusammenstellung das attributive oder prädicative Ver-
hältniß bezeichnet. Hieraus wird also wohl klar geworden sein,
daß die Bedeutungslehre nicht ein Theil der Grammatik ne-
ben
oder zwischen Etymologie und Syntax ist; sondern
daß sie die Grammatik nach ganz entgegengesetzter Richtung
durchschneidet, und dieser Durchschnitt sowohl die Etymologie
als auch die Syntax trifft, wie auch die Lehre von der Sprach-
technik, die abermals nicht in derselben Linie wie Etymologie
und Syntax steht. Und in allen diesen sechs Theilen der
Grammatik hat jede Sprache ein besonderes, gar nicht logisches,
sondern eben sprachliches Princip. Alles dies deutet mir der
Name innere Sprachform so deutlich an, als ein Name es thun

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="XXIII"/>
nicht bloß die Formenlehre, sondern auch die Syntax vorbereiten,<lb/>
denn es giebt nicht nur eine etymologische, sondern auch eine<lb/>
syntaktische Technik. Sie würde sich also zu Etymologie und<lb/>
Syntax verhalten, wie die Physik zur Kosmologie, d. h. sie würde<lb/>
die abstracten Kräfte darstellen, welche in der Erzeugung und<lb/>
Bewegung der Sprache herrschen. In allen drei Theilen der Gram-<lb/>
matik aber, in der abstracten Lehre von der Technik der Spra-<lb/>
che, in der Lehre vom Wort und den Wortformen, und in<lb/>
der Syntax, in jedem ist die Bedeutungslehre oder die Darstel-<lb/>
lung der innern Form neben der äußern oder Lautform zu ge-<lb/>
ben. Die Lehre von der Technik bespricht also z. B. die Re-<lb/>
duplication in doppelter Beziehung, sowohl als lautlichen Pro-<lb/>
ceß, als auch nach ihrer Bedeutung. Reduplication aber herrscht<lb/>
sowohl in der Etymologie, als in der Syntax. Nachdem nun ihr<lb/>
lautliches und inneres Wesen abstract festgestellt ist, zeigt die<lb/>
Wortlehre die concrete Bildung des Perfectums, lautlich und in-<lb/>
nerlich; und die Syntax endlich zeigt die Verwendung dieser<lb/>
Form im Satze und Satzgefüge. In der Syntax wird weniger<lb/>
Gelegenheit sein, äußere und innere Form zu scheiden, weil es<lb/>
weniger syntaktisch erst zu bildende Formen giebt. Aber streng<lb/>
genommen läßt sich auch hier die Unterscheidung machen.<lb/>
Denn es ist doch nur ein Lautproceß, daß neben eine bestimmte<lb/>
Substantivform eine bestimmte Adjectivform gesetzt wird; und<lb/>
es ist Sache der innern Form oder Bedeutungslehre, daß solche<lb/>
lautliche Zusammenstellung das attributive oder prädicative Ver-<lb/>
hältniß bezeichnet. Hieraus wird also wohl klar geworden sein,<lb/>
daß die Bedeutungslehre nicht ein Theil der Grammatik <hi rendition="#g">ne-<lb/>
ben</hi> oder <hi rendition="#g">zwischen</hi> Etymologie und Syntax ist; sondern<lb/>
daß sie die Grammatik nach ganz entgegengesetzter Richtung<lb/>
durchschneidet, und dieser Durchschnitt sowohl die Etymologie<lb/>
als auch die Syntax trifft, wie auch die Lehre von der Sprach-<lb/>
technik, die abermals nicht in derselben Linie wie Etymologie<lb/>
und Syntax steht. Und in allen diesen <hi rendition="#g">sechs</hi> Theilen der<lb/>
Grammatik hat jede Sprache ein besonderes, gar nicht logisches,<lb/>
sondern eben sprachliches Princip. Alles dies deutet mir der<lb/>
Name innere Sprachform so deutlich an, als ein Name es thun<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXIII/0029] nicht bloß die Formenlehre, sondern auch die Syntax vorbereiten, denn es giebt nicht nur eine etymologische, sondern auch eine syntaktische Technik. Sie würde sich also zu Etymologie und Syntax verhalten, wie die Physik zur Kosmologie, d. h. sie würde die abstracten Kräfte darstellen, welche in der Erzeugung und Bewegung der Sprache herrschen. In allen drei Theilen der Gram- matik aber, in der abstracten Lehre von der Technik der Spra- che, in der Lehre vom Wort und den Wortformen, und in der Syntax, in jedem ist die Bedeutungslehre oder die Darstel- lung der innern Form neben der äußern oder Lautform zu ge- ben. Die Lehre von der Technik bespricht also z. B. die Re- duplication in doppelter Beziehung, sowohl als lautlichen Pro- ceß, als auch nach ihrer Bedeutung. Reduplication aber herrscht sowohl in der Etymologie, als in der Syntax. Nachdem nun ihr lautliches und inneres Wesen abstract festgestellt ist, zeigt die Wortlehre die concrete Bildung des Perfectums, lautlich und in- nerlich; und die Syntax endlich zeigt die Verwendung dieser Form im Satze und Satzgefüge. In der Syntax wird weniger Gelegenheit sein, äußere und innere Form zu scheiden, weil es weniger syntaktisch erst zu bildende Formen giebt. Aber streng genommen läßt sich auch hier die Unterscheidung machen. Denn es ist doch nur ein Lautproceß, daß neben eine bestimmte Substantivform eine bestimmte Adjectivform gesetzt wird; und es ist Sache der innern Form oder Bedeutungslehre, daß solche lautliche Zusammenstellung das attributive oder prädicative Ver- hältniß bezeichnet. Hieraus wird also wohl klar geworden sein, daß die Bedeutungslehre nicht ein Theil der Grammatik ne- ben oder zwischen Etymologie und Syntax ist; sondern daß sie die Grammatik nach ganz entgegengesetzter Richtung durchschneidet, und dieser Durchschnitt sowohl die Etymologie als auch die Syntax trifft, wie auch die Lehre von der Sprach- technik, die abermals nicht in derselben Linie wie Etymologie und Syntax steht. Und in allen diesen sechs Theilen der Grammatik hat jede Sprache ein besonderes, gar nicht logisches, sondern eben sprachliches Princip. Alles dies deutet mir der Name innere Sprachform so deutlich an, als ein Name es thun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/29
Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/29>, abgerufen am 18.12.2024.