sie absehen, und so bleiben ihr freilich die Merkmale ohne das dieselben einende Band; d. h. es bleibt ihr die Merkmalheit, wenn ich so sagen darf, d. h. die Eigenthümlichkeit des Begriffs, Merkmale zu haben. Aber die Beziehung der Begriffe überhaupt, das Band an sich, nur kein bestimmtes, ist wohl eine wichtige Kategorie der Logik. So lehrt sie z. B., daß selbst conträre Begriffe sich wohl mit einander vertragen, wenn sie nämlich in der bloßen Beziehung der Summe stehen. Bei der Anwen- dung gelangt die formale Logik natürlich zu ganz besondern Be- stimmungen, d. h. diese werden ihr gegeben, und so werden auch ihre Beziehungen bestimmter; aber bei dieser ganz bestimm- ten Beurtheilung wendet sie doch nur ihre ganz allgemeinen Ka- tegorien und Maßstäbe an. Der Grund des conträren Verhält- nisses zweier Begriffe liegt freilich in ihrem Inhalte. Dieser In- halt muß ihr gegeben sein; aber nicht ihn betrachtet sie, son- dern nur das daran hervortretende Verhältniß des conträren Ge- gensatzes. Wenn auch der Grund desselben im besondern In- halte liegt: die Logik bestimmt dasselbe ganz allgemein nach der Natur des Denkens als das Verhältniß zweier Begriffe, die nicht zusammen gedacht werden können, weil das Denken des einen das Denken des andern aufhebt und unmöglich macht. Das lehrt und übt eben die formale Logik, zu scheiden, so nahe an einander das zu Unterscheidende auch liegen mag.
Auch für alles Folgende, was Trendelenburg gegen die for- male Logik vorbringt, wiederholen wir die schon gemachte Be- merkung, daß Trendelenburg ganz richtig gesehen hat; daß er aber theils Zumuthungen an sie stellt, denen sie vermöge ihrer be- schränkten Tendenz nicht zu genügen unternehmen kann und will, und daß er ihr das Recht abspricht, Gegebenes aufzunehmen, wiewohl doch ihr ganzes Dasein auf dem gegebenen Gedachten beruht. Er wirft ihr z. B. vor (S. 11), die Verneinung plötzlich einzuführen, ohne die Abstammung und Bedeutung derselben für das Erkennen gezeigt zu haben. Es ist hierauf einfach zu erwiedern, daß ihr die Negation gegeben ist, wie der Begriff und das Ge- dachte überhaupt, und sie dieselbe da einführt, wo es ihr angemes- sen scheint. Nicht in der Logik kann die Entstehung der Ver- neinung erörtert werden, sondern in der Psychologie, die über- haupt das Entstehen des Gedachten zeigt.
Die formale Logik ist zwar nicht die aristotelische, aber sie ist doch von Aristoteles eigentlich geschaffen, und er ist ihr
sie absehen, und so bleiben ihr freilich die Merkmale ohne das dieselben einende Band; d. h. es bleibt ihr die Merkmalheit, wenn ich so sagen darf, d. h. die Eigenthümlichkeit des Begriffs, Merkmale zu haben. Aber die Beziehung der Begriffe überhaupt, das Band an sich, nur kein bestimmtes, ist wohl eine wichtige Kategorie der Logik. So lehrt sie z. B., daß selbst conträre Begriffe sich wohl mit einander vertragen, wenn sie nämlich in der bloßen Beziehung der Summe stehen. Bei der Anwen- dung gelangt die formale Logik natürlich zu ganz besondern Be- stimmungen, d. h. diese werden ihr gegeben, und so werden auch ihre Beziehungen bestimmter; aber bei dieser ganz bestimm- ten Beurtheilung wendet sie doch nur ihre ganz allgemeinen Ka- tegorien und Maßstäbe an. Der Grund des conträren Verhält- nisses zweier Begriffe liegt freilich in ihrem Inhalte. Dieser In- halt muß ihr gegeben sein; aber nicht ihn betrachtet sie, son- dern nur das daran hervortretende Verhältniß des conträren Ge- gensatzes. Wenn auch der Grund desselben im besondern In- halte liegt: die Logik bestimmt dasselbe ganz allgemein nach der Natur des Denkens als das Verhältniß zweier Begriffe, die nicht zusammen gedacht werden können, weil das Denken des einen das Denken des andern aufhebt und unmöglich macht. Das lehrt und übt eben die formale Logik, zu scheiden, so nahe an einander das zu Unterscheidende auch liegen mag.
Auch für alles Folgende, was Trendelenburg gegen die for- male Logik vorbringt, wiederholen wir die schon gemachte Be- merkung, daß Trendelenburg ganz richtig gesehen hat; daß er aber theils Zumuthungen an sie stellt, denen sie vermöge ihrer be- schränkten Tendenz nicht zu genügen unternehmen kann und will, und daß er ihr das Recht abspricht, Gegebenes aufzunehmen, wiewohl doch ihr ganzes Dasein auf dem gegebenen Gedachten beruht. Er wirft ihr z. B. vor (S. 11), die Verneinung plötzlich einzuführen, ohne die Abstammung und Bedeutung derselben für das Erkennen gezeigt zu haben. Es ist hierauf einfach zu erwiedern, daß ihr die Negation gegeben ist, wie der Begriff und das Ge- dachte überhaupt, und sie dieselbe da einführt, wo es ihr angemes- sen scheint. Nicht in der Logik kann die Entstehung der Ver- neinung erörtert werden, sondern in der Psychologie, die über- haupt das Entstehen des Gedachten zeigt.
Die formale Logik ist zwar nicht die aristotelische, aber sie ist doch von Aristoteles eigentlich geschaffen, und er ist ihr
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sie absehen, und so bleiben ihr freilich die Merkmale ohne das
dieselben einende Band; d. h. es bleibt ihr die Merkmalheit,
wenn ich so sagen darf, d. h. die Eigenthümlichkeit des Begriffs,
Merkmale zu haben. Aber die Beziehung der Begriffe überhaupt,
das Band an sich, nur kein bestimmtes, ist wohl eine wichtige
Kategorie der Logik. So lehrt sie z. B., daß selbst conträre
Begriffe sich wohl mit einander vertragen, wenn sie nämlich in
der bloßen Beziehung der Summe stehen. Bei der Anwen-
dung gelangt die formale Logik natürlich zu ganz besondern Be-
stimmungen, d. h. diese werden ihr gegeben, und so werden
auch ihre Beziehungen bestimmter; aber bei dieser ganz bestimm-
ten Beurtheilung wendet sie doch nur ihre ganz allgemeinen Ka-
tegorien und Maßstäbe an. Der Grund des conträren Verhält-
nisses zweier Begriffe liegt freilich in ihrem Inhalte. Dieser In-
halt muß ihr gegeben sein; aber nicht ihn betrachtet sie, son-
dern nur das daran hervortretende Verhältniß des conträren Ge-
gensatzes. Wenn auch der Grund desselben im besondern In-
halte liegt: die Logik bestimmt dasselbe ganz allgemein nach
der Natur des Denkens als das Verhältniß zweier Begriffe,
die nicht zusammen gedacht werden können, weil das Denken
des einen das Denken des andern aufhebt und unmöglich macht.
Das lehrt und übt eben die formale Logik, zu scheiden, so nahe
an einander das zu Unterscheidende auch liegen mag.
Auch für alles Folgende, was Trendelenburg gegen die for-
male Logik vorbringt, wiederholen wir die schon gemachte Be-
merkung, daß Trendelenburg ganz richtig gesehen hat; daß er
aber theils Zumuthungen an sie stellt, denen sie vermöge ihrer be-
schränkten Tendenz nicht zu genügen unternehmen kann und will,
und daß er ihr das Recht abspricht, Gegebenes aufzunehmen,
wiewohl doch ihr ganzes Dasein auf dem gegebenen Gedachten
beruht. Er wirft ihr z. B. vor (S. 11), die Verneinung plötzlich
einzuführen, ohne die Abstammung und Bedeutung derselben für das
Erkennen gezeigt zu haben. Es ist hierauf einfach zu erwiedern,
daß ihr die Negation gegeben ist, wie der Begriff und das Ge-
dachte überhaupt, und sie dieselbe da einführt, wo es ihr angemes-
sen scheint. Nicht in der Logik kann die Entstehung der Ver-
neinung erörtert werden, sondern in der Psychologie, die über-
haupt das Entstehen des Gedachten zeigt.
Die formale Logik ist zwar nicht die aristotelische, aber
sie ist doch von Aristoteles eigentlich geschaffen, und er ist ihr
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/188>, abgerufen am 26.11.2024.
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